Leyla Liebrecht kann gut verkaufen und machte sich nach ihrem Jurastudium mit Mode selbstständig

Ungewöhnliche Wege wecken gewöhnliche Fragestellungen – und so kennt Leyla Liebrecht schon die Einstiegsfrage, bevor sie gestellt ist. „Das Studium war nicht umsonst. Ich mache alle Arbeitsverträge, Miet- und Kaufverträge selbst und weiß auch, was in den ABGs stehen muss und was nicht.“ Man muss kein Jurist sein, um zu wissen, dass die Abkürzung AGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen steht, und Liebrecht ist viel mehr als eine Juristin mit Zweitem Staatsexamen. Sie ist Mutter zweier Töchter, die jüngste gerade acht Monate alt, sowie Gründerin und Geschäftsführerin der Bohemian Fashion GmbH & Co. KG mit fünf Boutiquen und 25 Mitarbeiterinnen in Hamburg.

Dabei ahnte bereits die Studienanfängerin, dass sie nicht ganz die richtige Wahl getroffen hatte. „Ich wusste schon im dritten Semester, dass das nicht meins ist“, sagt Liebrecht. Doch zum einen fehlte ihr der Mut, das Studium abzubrechen, zum anderen war da die Idee, als Mediatorin zu arbeiten. Eine Idee, die sich nicht wirklich als Ausweg erwies. „Als Mediator ist man ebenfalls Rechtsanwalt und muss eine Show abziehen.“ Genau das wollte die Juristin mit dem Schwerpunkt auf Familien-und Erbrecht jedoch nicht und wandte sich nach ihrem Abschluss an das Career Center der Universität Hamburg, das damals noch Women’s Career Center hieß.

In einem Orientierungsseminar machte sie sich gemeinsam mit anderen Studentinnen vier Monate lang Gedanken über Stärken, Schwächen und Alternativen. Schnell war klar, dass es bei der Juristin ein eigener Businessplan werden würde. „Ich kann gut verkaufen, und ich habe außerdem ein Händchen für Mode, die bald gefragt ist“, sagt die Iranerin, die mit zwölf Jahren nach Deutschland kam. Immer wenn sie Dänemarks Modehauptstadt Kopenhagen besuchte und Ware aus dem Winterschlussverkauf mitbrachte, fand das bei ihren Freundinnen großen Anklang. Ein Geschäftsmodell mit Zukunft, das jedoch für die Umsetzung eines Anstoßes von außen bedurfte. „Ohne den Schub vom Career Center hätte ich nicht gegründet“, sagt die 41-Jährige.

Inzwischen ist aus dem Modellprojekt Women’s Career Center eine feste Institution geworden, die auch männliche Studierende und Absolventen auf dem Weg in die Wissenschaftskarriere oder in den Arbeitsmarkt außerhalb der Universität begleitet. Einer der Bausteine ist die Gründungsberatung, die durch Workshops zur Existenzgründung und Freiberuflichkeit ergänzt wird. „Wir wissen, dass fast ein Drittel der Absolventen nicht-technischer Studiengänge fünf Jahre nach Abschluss selbstständig arbeitet“, sagt Christiane Eiche. Die Diplompolitologin ist für die Programmplanung in der Gründungsberatung zuständig und kennt das Thema Freiberuflichkeit auch aus eigener Erfahrung. Denn sie ist zur Hälfte in der Erwachsenenbildung als Moderatorin und Trainerin tätig.

So wie Eiche arbeiten viele Sozial- oder Geisteswissenschaftler nach ihrem Abschluss freiberuflich. Für Künstler, Journalisten, Filmemacher oder Architekten gibt es beispielsweise unterstützende Angebote der Hamburger Kreativ Gesellschaft. Für andere Gründungen aus den Hochschulen steht hep, das Hamburger Existenzgründungs Programm. „Wir bieten ganz viel in Kooperation auch mit der Handelskammer oder Lawaetz-Stiftung an“, sagt Netzwerkerin Eiche. Um ein ganz eigenes Beratungsangebot auf die Beine zu stellen, fehlen der Universität die Mittel. Zudem gebe es schon gute Angebote zu Fragen der Gründungsfinanzierung oder passenden Rechtsform. Daher setzt die Universität lieber früher an bei der Fragestellung: „Bin ich ein Gründertyp?“

Professor Michel Clement am Lehrstuhl für Marketing und Medien nennt ein Beispiel für eine typische, zeitgemäße Gründung aus der Universität: „Die Digitalisierung bietet nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten, Produkte oder Services zu verbessern.“ Es sei faszinierend zu sehen, wie interdisziplinär die Studierenden arbeiten, um Ideen oder Prototypen zu entwickeln, die einen Mehrwert am Markt erzielen können. „Wenn dann das Gründer-Team ein Leuchten in den Augen hat, helfen wir gern und stellen die Kontakte zu Finanzierungsquellen her“, sagt Clement.

Wir, das ist ein Team aus Professoren der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre, das gut vernetzt mit der Wirtschaft ist und auch mal den Business Plan zum Seminarthema macht. Hier landen ebenso einige Beratungsanfragen aus anderen Fachbereichen: „Ohne ein sinnvolles Produkt und die Fähigkeit zu managen und zu vermarkten kann man nicht erfolgreich gründen“, erklärt Clement die Nähe des Marketing zu Gründungsthemen.

Rund zehn Gründungen habe sein Institut in den letzten acht Jahren mitgetragen. Weit höher sei der Zahl derjenigen, die nur ihre Geschäftsidee oder ihren Business Plan vorstellen wollten. Wenn das nicht die Currywurstbude um die Ecke ist, erhalten Interessierte von den Professoren ein ehrliches Feedback. Eine universitäre Grundlage ist dabei niemals umsonst. Das bestätigt Leyla Liebrecht – beruflich wie privat. Ihren Mann hat sie im fünften Semester im Rechtsseminar kennengelernt.