Der Beruf des Grundschullehrers ist weit anspruchsvoller, als allgemein gedacht. Gerade unter Männern scheint sich das aber noch nicht herumgesprochen zu haben

Das Geheimnis guten Unterrichts: geduldig und authentisch zu sein und sowohl das Klassenwohl als auch jedes einzelne Kind im Blick zu haben. Student Irfan Saddiq hat sich zudem vorgenommen, möglichst objektiv bleiben zu wollen. „Jeder Mensch entwickelt automatisch Vorlieben für den einen oder anderen Charakter.“ Aber ein guter Lehrer dürfe sich davon nicht beeinflussen lassen, findet Saddiq, der im sechsten Bachelorsemester „Lehramt der Primar- und Sekundarstufe“ an der Universität Hamburg studiert. „Ich werde jedes Kind ernst nehmen, gleich woher es kommt oder wie es heißt“, sagt der 27-Jährige, der sich auch mit der Herkunft seiner Schüler beschäftigen möchte. „Ich hoffe, dass ich mit meinen pakistanischen Wurzeln leichter Zugang zu Kindern und Eltern mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen finde.“ Bei seinem Integrierten Praktikum, der ersten praktischen Lehrerfahrung im Studium, kam er jedenfalls bei Kindern mit indischen und arabischstämmigen Wurzeln gut an. „Einfach, weil sie sich rein optisch mit mir identifizieren konnten. Und ich hatte das Gefühl, die Kinder haben sich regelrecht gefreut, einen Mann als Lehrer zu bekommen.“

Florian Severin hat einen ähnlichen Eindruck. Der 26-Jährige hat sein Masterstudium im März abgeschlossen und unterrichtet seit dem 1. August als Referendar an der Grundschule Wielandstraße zwei vierte Klassen und eine zweite. „Ich bilde mir ein, dass ich als Mann einen leichten Autoritätsvorteil habe. Aber das kann auch an meinem Exotenstatus liegen.“ Neben einem männlichen Kollegen hat er 35 Kolleginnen. Fühlt er sich unwohl, so allein unter Frauen? „Nein, gar nicht. Ich wurde offen und freundlich aufgenommen, und es herrscht ein sehr angenehmes Klima im Kollegium.“ Tatsächlich lehren an Hamburgs Grundschulen nur 17,5 Prozent Männer. Was schade ist, findet Irfan Saddiq. „Ich würde mir wünschen, dass die Lehrerschaft die Vielfalt unserer Gesellschaft abbildet. Sonst erscheint die Schule den Kindern als ein Ort, der nicht ihre Lebenswirklichkeit widerspiegelt.“

Das jedoch dürfte schwierig werden, denn nur jeder fünfte Lehramtsstudierende für Primar- und Sekundarstufe ist männlich. Und nicht jeden zieht es an die Grundschule. So wollte Matthias Gutzmann zunächst in der Sekundarstufe unterrichten. Erst die Praktika im Laufe des Studiums ließen ihn umdenken. „Der große Spaß am Lernen, den ich an der Grundschule erlebt habe, fasziniert mich. Ich liebe die Art, wie Kinder denken, sie haben oft eine ganz eigene Art von Lösungsstrategien und beweisen dabei unheimlich viel Kreativität“, sagt der 28-Jährige, der gerade an seiner Masterarbeit schreibt. Diese Grundbegeisterung will er am Leben halten und sieht dies als Chance, mit seinem Beruf etwas bewegen zu können. Gerade in der Grundschule werden oft die Weichen für den weiteren Lebensweg gestellt. „Es ist ein Beruf mit großer Verantwortung, aber ich kann mir kaum einen schöneren vorstellen.“ Umso mehr bedauert er das schlechte Berufsimage. So hört er schon mal Sätze wie ,Du bist doch intelligent, wieso willst du Lehrer werden?‘. „Ich versuche dann, die Leute dafür zu sensibilisieren, wie wichtig Bildung und gerade Frühbildung sind.“

Zu den verbreiteten Vorurteilen gehört zudem die Vorstellung, der Berufsalltag bestehe vor allem aus Spielen und Basteln, das sei mehr Babysitting als Unterrichten und biete Lehrkräften keine persönliche Entwicklungsmöglichkeit. Gutzmann kann nichts davon bestätigen. Allein der Beziehungsaufbau könne eine echte Herausforderung sein. „Meine erste Sportstunde in einer Wilhelmsburger Schule habe ich an die Wand gefahren. Da habe ich gelernt, die Rollen werden ausgehandelt, und den Respekt als Lehrer muss man sich erarbeiten. Etwa dadurch, den Schülern Respekt entgegenzubringen.“

Es gibt keine Patentrezepte, aber die Praxiserfahrung ist wichtig

Die richtige Balance zwischen Zuwendung und Disziplin will gelernt sein. „Es gibt keine Patentrezepte, wie man am besten mit Schülern und Schülerinnen umgeht“, sagt Hannelore Faulstich-Wieland, Professorin im Fachbereich Erziehungswissenschaft I der Universität Hamburg. „Im erziehungswissenschaftlichen Studium werden unter anderem die Fachdidaktiken – jeder Studierende entscheidet sich für zwei Unterrichtsfächer – sowie die Methoden und Strukturen der allgemeinen Didaktik gelernt.“ Doch auch ein noch so intensives Studium kann die Studierenden nicht auf alle Eventualitäten vorbereiten. Darum sei Praxiserfahrung so wichtig. „Nichts ersetzt die Erfahrung, selbst vor einer Klasse zu stehen.“ Der häufigen Forderung nach mehr Praxis im Studium mag sie allerdings nicht uneingeschränkt zustimmen. „Gut vorbereitet, ja. Dazu haben wir zum Beispiel die Praxisbezogene Einführung schon im ersten Semester.“ Die könne zum Beispiel aus der Begleitung einer Lehrkraft für einen Tag bestehen. Doch wichtig ist ihr, dass die so gewonnenen Beobachtungen intensiv an der Universität reflektiert würden.

Die Professorin betont die hohe Verantwortung, die der Lehrberuf mit sich bringe. „Zugleich halte ich es für ausgesprochen erfüllend, mit den noch besonders wissbegierigen Kindern zu arbeiten und eine echte Herausforderung, diese Lernbegeisterung zu erhalten.“ Sie wünscht sich, dass sich in Zukunft mehr Männer dieser Herausforderung stellen. „Kinder beobachten ganz genau und ziehen ihre Schlüsse.“ So habe erst neulich ein kleines Mädchen gefragt: „Mama, kann denn auch ein Mann Bundeskanzler werden?“ „Wäre es nicht schade, wenn sie meinten, Männer könnten keine Grundschullehrer sein?“