May-Britt und Edvard Moser lernten sich während des Studiums kennen

Hamburg. Es ist erst vier Wochen her, dass May-Britt und Edvard Moser im großen Festsaal des Hamburger Rathauses auf der Bühne saßen, im Interview mit Ranga Yogeshwar (WDR), vor 600 geladenen Gästen. Genau genommen hockten die beiden eher auf ihren Ledersesseln, hin und her rutschend, die Oberkörper vorgebeugt, die Hände auf den Oberschenkeln. Da waren zwei Spitzenforscher zu besichtigen, die sich trotz etlicher vorangegangener Auszeichnungen auch über die neue Ehrung – den Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft – freuten wie zwei Kinder bei der Bescherung – und die wohl auch genauso aufgeregt waren. Bei der Verleihung des Medizin-Nobelpreises im Dezember in Stockholm dürfte es den beiden ähnlich gehen.

Bemerkenswert an den Mosers ist, dass sie ihre Forschung schon seit Jahrzehnten gemeinsam verfolgen – diskutierend, rätselnd, sich gegenseitig antreibend, wenn es mal wieder langsamer vorangeht als erhofft. „Man braucht enorm viel Geduld“, erzählte Edvard Moser dem Abendblatt.

Seine Frau und er besuchten schon die gleiche Schule; näher kennen- und lieben lernten sich die beiden aber erst an der Universität in Oslo. Dort studierten sie Psychologie. Damals konzentrierte sich die psychologische Forschung noch auf das Verhalten und Erleben, meist ohne die Hirnforschung einzubeziehen. „Wir wollten neurologische Erklärungen für bestimmte Verhaltensweisen finden, und wir waren überzeugt, dass dies möglich ist“, so Edvard Moser.

Nach dem Abschluss ihrer Doktorarbeiten 1995 durften die beiden am University College in London eine Zeit lang John O’Keefe begleiten, jenen Neurowissenschaftler, der nun mit ihnen den Nobelpreis erhält.

1996 traten die Mosers ihre ersten Stellen als Privatdozenten an. Der Durchbruch gelang ihnen aber erst 2005, als sie im Gehirn von Ratten „Rasterzellen“ entdecken, die mit zwei anderen Zelltypen eine Art Navigationssystem bilden. Es lenkt die Tiere, lässt sie wissen, wo sie sich befinden.

Heute leiten die Mosers mehrere Forschungsgruppen mit insgesamt etwa 100 Mitarbeitern. Geheiratet hatten die beiden bereits 1985 als Studenten; beim Abschluss ihrer Doktorarbeiten 1995 hatten sie zwei Töchter.

Wie man es schafft, als Paar so lange erfolgreich zu sein? „Es ist so ähnlich wie mit der Erziehung von Kindern“, erzählte Edvard Moser dem Abendblatt. „Man mag bei einigen Dingen unterschiedlicher Meinung sein, aber letztendlich findet man einen Weg.“ Die Begeisterung für ihre Forschung habe nicht abgenommen, im Gegenteil.

„Wir wussten, sie sind starke Kandidaten“,so die Körber-Stiftung

Begeisterung herrschte gestern auch bei der Hamburger Körber-Stiftung, die das Paar im Rathaus mit dem Körber-Preis auszeichnete. „Wir sind unglaublich glücklich darüber, dass die Mosers so schnell den Nobelpreis bekommen haben“, sagte Matthias Mayer, Leiter des Bereichs Wissenschaft. „Wir wussten, sie sind starke Kandidaten, aber dass es noch in diesem Jahr so weit sein würde, haben wir nicht erwartet.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Stiftung bei der Auswahl ihrer Preisträger den richtigen Riecher hatte. 2009 erhielt der russische Physiker Andre Geim den Körber-Preis für die Entdeckung des Materials Graphen. Nur ein Jahr später bekamen er und Konstantin Novoselov den Physik-Nobelpreis. Der Franzose Luc Montagnier, einer der Entdecker des Aids-Erregers HIV, erhielt 2008, zwölf Jahre nach Verleihung des Körber-Preises, den Medizin-Nobelpreis.