Am 6. Oktober wäre der Norweger 100 Jahre alt geworden: Er überquerte mit einem Floß den Pazifik, obwohl er nicht schwimmen konnte. Die Fahrt mit der „Kon-Tiki“ machte ihn weltberühmt.

Oslo. „Was du da vor hast, ist Selbstmord.“ Diese Warnung musste sich Thor Heyerdahl viele Male anhören, wenn er von seinem Plan sprach, mit einem Floß aus Balsaholz von Peru zu den polynesischen Insel zu segeln. Die Mitglieder der National Geographic Society machten sich über den Norweger lustig: „14 Tage, und du gehst unter wie ein Stein. Du kannst ja nicht mal schwimmen.“ Tatsächlich konnte der 33-Jährige nicht sicher sein, dass sein Experiment gelingen würde. Doch er war so überzeugt davon, dass bereits die Indianer Südamerikas vor 1500 Jahren diese Strecke zurücklegten, dass er alle Warnungen in den Wind schlug. Die Reise wurde zu einem der populärsten Abenteuer der Nachkriegszeit. Am heutigen Montag wäre Heyerdahl 100 Jahre alt geworden.

Thor Heyerdahl war ein dickköpfiger Mensch, der durchzog, was er sich vorgenommen hatte. Auch, wenn er sein eigenes Leben dabei aufs Spiel setzte. Die Reise nach Polynesien, dieser Inselgruppe im pazifischen Ozean zwischen Australien und Südamerika, war nicht seine erste. Bereits 1937 reiste der studierte Zoologe mit seiner Frau Liv auf die Insel Fatu Hiva, wo er die Tier- und Pflanzenwelt studieren wollte. Aber das war nicht der einzige Grund: „Heyerdahl glaubte nicht mehr an die Zivilisation und hoffte, im Paradies zu seinen Werten zurückzufinden“, sagt Hafdan Tangen vom Osloer Kon-Tiki-Museum. „In gewisser Weise war er der erste norwegische Hippie.“

Auf dieser Insel machte der Norweger eine wichtige Entdeckung: Im Dickicht unter Palmen fand er Steinskulpturen, die denen der Inka ähnelten. Ein alter Mann erzählte ihm, dass seine Vorfahren, angeführt von dem Sonnengott Kon-Tiki, von Osten gekommen seien und die Insel besiedelt hätten. Das war etwas völlig Neues. Bislang waren Forscher davon ausgegangen, dass die Inseln von Asien aus besiedelt wurden, nicht von Südamerika aus. „Wind und Meeresströme sind der Schlüssel zum Rätsel allen Lebens auf den Polynesischen Inseln“, lautete Heyerdahls Fazit.

Zurück in Europa versuchte er, seine These zu veröffentlichen, doch keiner der anerkannten Wissenschaftler und Verleger wollte ihm glauben. Die Südamerikaner hätten doch vor 1500 Jahren gar keine Boote gehabt, so das Argument. „Aber sie hatten Balsaflöße“, entgegnete Heyerdahl. Und so kam es, dass er, nur um seine Theorie zu beweisen, mit einem Floß über den Pazifik segelte. 101 Tage war die „Kon-Tiki“ auf See. Von Haien begleitet, kämpfte die Mannschaft im Sturm ums Überleben und musste zusehen, wie sich das Balsaholz mit Wasser vollsog. Doch das Experiment gelang, und es machte Heyerdahl und seine Freunde weltberühmt.

Sein Buch wurde in 72 Sprachen übersetzt, mit seinem Film gewann er 1951 einen Oscar für den besten Dokumentarfilm. 500 Millionen Menschen sahen die Reise der „Kon-Tiki“ auf Leinwand. In Oslo entstand ein Museum, das bis heute 17 Millionen Besucher zählte. Während seines ganzen Lebens – Heyerdahl starb 2002 – wollten Filmgesellschaften seine Geschichte verfilmen, doch Heyerdahl weigerte sich. Er sah sich nicht als Abenteurer, sondern als Wissenschaftler. Erst der britische Produzent Jeremy Thomas konnte sein Vertrauen gewinnen. Trotzdem vergingen 16 Jahre, bis die Verfilmung der „Kon-Tiki“-Expedition 2013 ins Kino kam. Der Film war für den Oscar und den Golden Globe nominiert.

Opfer seines Erfolgs war seine Familie. Zwei Ehen gingen in die Brüche, seine Kinder wuchsen größtenteils ohne Vater auf. Sein Sohn Thor Heyerdahl jr. sagt heute: „Mein Vater war ein einsamer Mensch, trotz all der Aufmerksamkeit, die er bekam.“