Ab Januar müssen Schiffe, die die Nord- und Ostsee sowie die Flüsse zu den Seehäfen befahren, weniger Schwefel ausstoßen. Reeder müssen Treibstoff wechseln oder technisch umrüsten.

Hamburg. Wenn Seeschiffe Hamburg anlaufen, stehen sie unter besonderer Beobachtung: Zwei Messstationen auf der Insel Neuwerk und in Wedel registrieren den Schwefelgehalt ihrer Abgase. 2013 und 2014 als Versuchsballon gestartet, bekommt das Projekt Mesmart 2015 eine größere Bedeutung. Denn von Januar an müssen Schiffe, die die Nord- und Ostsee sowie die Flüsse zu den Seehäfen befahren, deutlich weniger Schwefel ausstoßen. Den Reedern bleiben drei Optionen: Sie können weiter schwefelreiches Schweröl als Kraftstoff nutzen, müssen dann aber das Abgas entschwefeln, sie können schwefelärmeres Öl verwenden oder auf alternative Antriebe umrüsten.

„Bislang ist der Schwefelgehalt des Kraftstoffes nur in den Häfen der EU auf 0,1 Prozent begrenzt“, sagt Jörg Kaufmann, Leiter der Schiffsabteilung im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH). Dabei gehe es um die Brennstoffe für die Dieselgeneratoren, die den Bordstrom erzeugen, wenn das Schiff am Kai liegt. „Ab 2015 muss auch der Treibstoff für den Hauptantrieb diesen Wert einhalten. Derzeit darf noch ein Prozent Schwefel im Treibstoff enthalten sein.“ Auch dieser Grenzwert ist deutlich niedriger als der weltweit gültige maximale Schwefelgehalt von 3,5 Prozent.

Den Schwefelgrenzwert und weitere Emissionsregeln legt die Internationale Schifffahrtsorganisation IMO (International Maritime Organization) global verbindlich fest. Sie räumt ihren 170 Mitgliedstaaten jedoch ein, Seegebiete auszuweisen, in denen strengere Vorschriften gelten sollen. Die Nord- und Ostseeanrainer machten davon Gebrauch, daher rührt das strengere Limit von einem Prozent. Schiffe, die deutsche Häfen anlaufen, haben heute deshalb häufig drei Treibstoffe an Bord, um die verschiedenen Grenzwerte (Schwefelgehalte von 3,5, 1,0 und 0,1 Prozent) einzuhalten.

Für Deutschland kontrolliert das BSH, ob die IMO-Regeln befolgt werden. Der neue Schwefelgrenzwert sei mit Schweröl nur noch einzuhalten, wenn das entstehende Abgas gereinigt werde, sagt Kaufmann. Dies könne mit sogenannten Scrubbern (Gaswäschern) geschehen. „Technisch ist eine Nachrüstung hinsichtlich der Größe und des Gewichts der Anlagen in den Schiffen machbar“, urteilt Kaufmann. Dabei gebe es zwei Ansätze, den trockenen und den nassen Scrubber. Der trockene arbeitet mit Kalkgranulat und produziert Gips – so wie man es von den Entschwefelungsanlagen von Kraftwerken kennt. Nachteile: Es wird eine große Menge Kalkgranulat gebraucht, und es entsteht eine ebenfalls große Menge Gips. Zudem hatten Versuchsanlagen den geforderten Reinigungsgrad nicht erreicht.

Ist es nicht besser, auf andere Kraftstoffe auszuweichen?

Bei den nassen Verfahren wird entweder mit einem geschlossenen System (mit Süßwasser) oder in einem offenen System (mit Seewasser) der Schwefel aus dem Abgas herausgewaschen. Übrig bleibt saures Wasser, das beim annähernd geschlossenen Kreislauf mit Natronlauge neutralisiert und erneut eingesetzt wird. In geringem Umfang fällt Abwasser an. Es muss an Bord gesammelt und im Hafen entsorgt werden. Bei den offenen Systemen wird das Seewasser zurück ins Meer geleitet, wobei aber der pH-Wert (Säuregehalt) des Abwassers begrenzt werden soll. Zudem fällt ein Schlamm an, der ebenfalls im Hafen entsorgt werden muss.

Spätestens mit Blick auf die beiden anderen wichtigen Luftschadstoffe der Schifffahrt, den Stickoxiden (NOx) und Rußpartikeln, ist der technische Ansatz, das Abgas zu reinigen, fragwürdig: „Sie können zusätzlich zum Scrubber einen Rußfilter einbauen, dazu einen SCR-Katalysator, der die Stickoxide beseitigt. Aber dann haben Sie hochkomplexe technische Anlagen. Da stellt sich die Frage, ob es nicht besser ist, auf andere Kraftstoffe auszuweichen.“

Dieseltreibstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,1 Prozent könnte das Schweröl ersetzen und damit den kommenden Schwefel-Anforderungen in Nord- und Ostsee genügen. Von 2020 an droht dem Schweröleinsatz ohnehin das Aus. Denn dann soll weltweit der Schwefelgehalt von 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt werden (heute liegt er in der Praxis durchschnittlich knapp unter drei Prozent). Derzeit streiten sich die Experten, ob sich Schweröl mit einem vertretbaren Aufwand auf diese Qualität entschwefeln lässt. Und im Vergleich zu dem Dieselkraftstoff von Lkw bleibt immer noch ein großer Rest: Er enthält nur 0,001 Prozent Schwefel.

Der Einsatz von verflüssigtem Erdgas, LNG (liquefied natural gas), würde die Schifffahrt umwelttechnisch richtig voranbringen. Die SO2- und die Feinstaub-Emissionen werden nach BSH-Angaben „um nahezu 100 Prozent“, NOx um 90 und der CO2-Ausstoß um 20 Prozent reduziert. Die ersten größeren Schiffe werden derzeit auf Gasbetrieb umgerüstet, sagt Kaufmann und nennt als Beispiel das finnische Fährschiff „Viking Grace“. Seit Januar 2013 fährt es im Liniendienst zwischen Turku (Finnland) und der schwedischen Hauptstadt Stockholm.

Die „Viking Grace“ wird in Stockholm von einem speziellen Bunkerschiff, der „Seagas“, mit dem auf minus 162 Grad heruntergekühlten verflüssigten Erdgas betankt. Das Schiff gehört der AGA, einem Tochterunternehmen der Firma Linde. Sie ist auch Anteilseignerin der Bomin Linde LNG GmbH mit Sitz in Hamburg. Das Unternehmen will in deutschen Häfen eine LNG-Infrastruktur aufbauen und startet damit in Hamburg und Bremerhaven. „In Hamburg wird ein LNG-Terminal im Kattwykhafen entstehen“, sagt Yannick Pinger, Sprecher von Bomin Linde LNG. „Ende nächsten Jahres wird das Terminal betriebsbereit sein.“ Es könne dann, zunächst vorwiegend mit Tankwagen, erste Schiffe mit Gasantrieb versorgen.

Der Einsatz der Windkraft steckt noch in den Kinderschuhen

Gasantriebe – neben dem LNG gibt es noch andere Varianten wie Ethan, Propan, Butan – hält Jörg Kaufmann derzeit für die wahrscheinlichste Variante jenseits von Diesel und Schweröl: „Wenn mehr Reedereien sich für einen Gasantrieb entscheiden, dann kann die Infrastruktur sehr schnell hinterherkommen.“

Der Einsatz der Windkraft als Schiffsantrieb steckt dagegen noch in den Kinderschuhen, zumindest in seiner modernen Form. Zwei bereits umgesetzte Konzepte nutzen den Wind nur für einen zusätzlichen Anschub, der den Treibstoffverbrauch senkt. Die Hamburger Firma Skysails verkauft Lenkdrachen, und die Hamburger Reederei Auerbach setzt das „E-Ship 1“ ein, um hauptsächlich Komponenten für Windkraftanlagen zu transportieren.

Auf dem vom Auricher Windrotorenhersteller Enercon erbauten „E-Ship 1“ drehen sich vier sogenannte Flettnerrotoren, große Zylinder, die an ihrer Vorderseite Unter- und Überdruck erzeugen, der das Schiff vorwärts treibt. Durch die Technik lassen sich nach Angaben der Reederei je nach Wetter und Fahrtgebiet 25 bis 30 Prozent Dieselkraftstoff einsparen.

Welchen Weg die Reeder auch einschlagen, von Januar an gilt auf der Nord- und Ostsee das strengere Schwefellimit. Damit schlägt die Stunde des Projekts Mesmart: „Wir können in Wedel und Neuwerk Abgasfahnen messen, die bis zu zehn Kilometer entfernt sind“, erläutert Kaufmann das Messprojekt, das Wissenschaftler der Universität Bremen betreiben.

Die Abgase werden auf zwei unterschiedlichen Wegen erfasst. Zum einen analysieren Sensoren die vorbeiströmenden Luftmassen, zum anderen wird in der Atmosphäre gestreutes Sonnenlicht genutzt, um die Zusammensetzung der Abgasfahne zu bestimmen: Anhand der Wellenlängen des gestreuten Lichts lassen sich verschiedene Substanzen, darunter auch Schwefeldioxid, detektieren. „Die Instrumente liefern auch von Flugzeugen und Schiffen aus verlässliche Ergebnisse“, sagt Kaufmann. „Anhand des Schiffsidentifikationssystems AIS können wir dann die Abgaswerte einzelnen Schiffen zuordnen.“

In Zukunft sollen die Messergebnisse in eine EU-weite Datenbank einfließen. Nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten an dem Überwachungssystem wird es möglich sein, Schiffe, die beim Betrieb schwefelreichen Treibstoff einsetzen und die Abgase nicht reinigen, zu identifizieren. Mit dieser Information können dann Beamte der Wasserschutzpolizei an Bord gehen und anhand von Bordbüchern und Treibstoffproben nach gerichtsfesten Beweisen suchen, um den Schwefelsünder dingfest zu machen.