WHO stellt Notfallplan vor: Ende der Epidemie nicht in Sicht. Forscher weisen Veränderungen des Virenerbguts nach

Hamburg/Genf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet in Westafrika mit einem langen Kampf gegen die Ebola-Epidemie und vielen Opfern. Die Zahl der Infizierten könne in den kommenden sechs bis neun Monaten auf mehr als 20.000 steigen, erklärte die WHO bei der Vorstellung eines Notfallplans am Donnerstag. Dieser sieht unter anderem den Einsatz von mehr als 13.000 Fachkräften in jenen Regionen vor, die am schlimmsten von dem Virus betroffen sind. 750 davon sollen internationale Spezialisten sein. Die Gesamtkosten schätzt die WHO auf mehr als 370 Millionen Euro innerhalb der kommenden sechs Monate.

„Es handelt sich nicht um eine westafrikanische Angelegenheit, sondern um eine Frage der globalen Gesundheitssicherheit“, sagte WHO-Vizegeneraldirektor Bruce Aylward. Da der Ausbruch in Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria alles bisher Gesehene überschreite, sei eine neue Strategie zur Bekämpfung nötig. Ziel des Notfallplans ist es, dass die Infektionen in den besonders betroffenen Gebieten binnen drei Monaten nicht mehr ansteigen. Zudem soll die Übertragung des Virus in Haupt- und Hafenstädte gestoppt werden. Ein vollständiges Ende der Epidemie ist der WHO zufolge auch bei vollständiger Umsetzung des Plans erst in sechs bis neun Monaten zu erwarten.

Der Schlüssel zur erfolgreichen Bekämpfung von Ebola liegt Aylward zufolge in der Arbeit mit Bewohnern betroffener Regionen. Diese müssten umfassend aufgeklärt werden. „Reise- und Handelsbeschränkungen werden Ebola hingegen nicht besiegen, sondern behindern vielmehr den Kampf gegen das Virus.“ Aylward äußerte die Hoffnung, dass binnen zwei Wochen wieder Flüge in betroffene Regionen möglich werden könnten. Wegen zahlreicher Restriktionen sei es derzeit schwierig, Personal und Material zu transportieren.

Bis zum 26. August stieg die Zahl der bestätigten und Verdachtsfälle in Westafrika nach WHO-Angaben auf 3069, 1552 von ihnen starben. Tatsächlich könne die Zahl zwei- bis viermal so hoch liegen, warnte die Organisation.

Der seit Mittwoch auf einer Isolierstation des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) behandelte, an Ebola erkrankte WHO-Mitarbeiter hat die erste Nacht gut überstanden. Mehr Informationen wurden mit Verweis auf die ärztliche Schweigepflicht vom UKE nicht herausgegeben.

Währenddessen könnten klinische Tests an Menschen für eine Impfung gegen Ebola nächste Woche starten. Das teilte das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline am Donnerstag mit. Die zuständige Arzneimittelbehörde erteilte für die Phase 1 der Tests mit dem experimentellen Stoff eine Zusage. In Phase1 wird die Sicherheit eines Medikaments oder Impfstoffs an Menschen getestet und untersucht, ob das Mittel genauso wirksam ist wie zuvor in Tierversuchen erprobt. Der Impfstoff werde an gesunden Studienteilnehmern in den USA, England, Mali und Gambia getestet. Die Tests sollen bis Ende des Jahres abgeschlossen sein.

Für die Entwicklung weiterer Impfstoffe sowie von Tests und Therapien gegen Ebola könnte eine andere Studie von Nutzen sein: Ein internationales Team hat das Erbgut von 99 Ebola-Viren der derzeitigen Epidemie entziffert. Die in Westafrika grassierende Variante unterscheide sich an mehr als 300 Stellen von den Erregern früherer Ausbrüche, berichten die Forscher im Fachjournal „Science“. Zudem fanden sie mehr als 50 Mutationen, die während der Epidemie auftraten. Die Wissenschaftler um Pardis Sabeti von der Harvard University in Cambridge stellen ihre Daten öffentlich zur Verfügung.

Die untersuchten Erreger stammen von 78 Patienten, die von Ende Mai bis Mitte Juni in Sierra Leone registriert wurden. „Es ist das erste Mal, dass die Veränderungen von Ebola-Viren während eines Ausbruchs untersucht wurden. Man sieht, wie sich der Erreger dabei entwickelt hat“, sagt Prof. Bernhard Fleischer, stellvertretender Vorsitzender des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) in Hamburg. „Die Mutationsrate ist doppelt so hoch wie in der Natur. Möglicherweise führt das Immunsystem der Menschen dazu, dass sich mutierte Viren durchsetzen, die sich besser vermehren können.“ Ob die Mutationen zu einem anderen Verhalten der Viren führen, dass sie beispielsweise infektiöser oder gefährlicher werden, müsse noch untersucht werden.

„Es wird sicher noch viele Monate dauern, bis man weiß, was diese Mutationen bedeuten“, sagte Fleischer, der das Nationale Referenzzentrum für tropische Infektionserreger am BNI leitet. Ein Team des BNI hatte bereits im April das Erbgut von drei Ebola-Viren von Patienten aus Guinea veröffentlicht, wo der aktuelle Ausbruch begann.

Der erste Patient habe sich vermutlich bei einem Tier infiziert, berichten die Forscher in „Science“. Danach seien die Erreger wohl nur noch von Mensch zu Mensch übertragen worden. Der derzeitige Virenstamm hat sich wahrscheinlich innerhalb des vergangenen Jahrzehnts aus einer im mittleren Afrika vorkommenden Version entwickelt. Von Guinea nach Sierra Leone sei er durch Teilnehmer einer Beerdigung gekommen, schreiben sie mit Verweis auf Studien des Gesundheitsministeriums von Sierra Leone.

Währenddessen hat Nigeria das erste Ebola-Todesopfer außerhalb der Metropole Lagos gemeldet, einen Arzt aus Port Harcourt.