Umweltbehörde, Handelskammer und Naturschutzbund starten Projekt für ökologisch gestaltete Firmengelände

Hamburg. Bisher tummelt sie sich in Wäldern und auf Wiesen, in Mooren und auf Heideflächen, in Parkanlagen und Kleingärten. Jetzt hält die Natur auch Einzug in Hamburgs Betriebe. „Um die Biodiversität in Hamburg zu fördern, kommen nicht nur Naturschutzgebiete, öffentliche Grünanlagen und Gärten infrage. Auch für betriebliche Zwecke nicht oder nicht dauerhaft genutzte Unternehmensflächen haben ökologische Potenziale. Soweit bestimmte Unternehmensflächen absehbar dauerhaft nicht für betriebliche Zwecke benötigt werden, können sie einen wertvollen Beitrag für den Erhalt von Tieren und Pflanzen in der Stadt leisten.“ So steht es in der Vereinbarung („Memorandum of Understanding“) für das Projekt UnternehmensNatur, die die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), die Handelskammer Hamburg und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in Hamburg am Montag unterzeichnet haben. Es ist ein deutschlandweit bisher einzigartiges Unterfangen, dass die drei Partner damit angehen – für Weitblick im Umgang mit immer knapper werdenden Naturflächen in der Hansestadt, wie es heißt.

Was mit Gesprächen im Rahmen des Umwelthauptstadt-Jahres 2011 begann, findet damit eine Umsetzung, von der sich die Beteiligten viel versprechen. „Für die Stadtnatur braucht man möglichst viele Verbündete. Da ist auch bei Unternehmen viel zu machen. Wir wollen zeigen, dass Naturschutz und betriebliche Belange kombinierbar sind“, sagt Alexander Porschke, erster Vorsitzender des Nabu Hamburg. Gemeinsam könne man etwas bewegen, ist sich Prof. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, sicher: „Ich freue mich über die Zusammenarbeit mit dem Nabu. Ein vertrauensvoller Umgang aller Beteiligten ist erforderlich, damit Betriebe diesen Schritt gehen. Denn wir reden hier nicht über für den Naturschutz ausgewiesen Flächen, sondern um Firmeneigentum. Betriebliche Belange müssen gewahrt bleiben.“

Darum geht es konkret bei dem Projekt: Betriebsgelände sollen zum Beispiel durch weniger Versiegelung, das Anlegen von Biotopen oder das Begrünen von Fassaden und Dächern ökologisch aufgewertet werden. Ob das Anbringen von Nisthilfen für Vögel und Fledermäuse, das Aussähen von Wildwiesen oder das Aufstellen von Insektenhotels – die Maßnahmen müssen nicht immer platz- oder finanziell aufwendig sein. Und: „Soweit Unternehmensflächen nur vorübergehend nicht gebraucht werden, soll nach Möglichkeiten gesucht werden, diese temporär naturnah zu nutzen, bis die betrieblichen Erfordernisse anderes verlangen“, heißt es in dem Memorandum.

Hier kommt auch die BSU ins Spiel. Sie schließt mit den teilnehmenden Unternehmen eine Kooperationsvereinbarung und berät diese außerdem bei Bedarf zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere zu Fragen des Biotop-, Arten- und Baumschutzes. „Zehn Prozent der Gesamtgewerbefläche in Hamburg hat Potenzial für Biodiversität“, sagt Hans Gabányi, Leiter des Amtes für Natur- und Ressourcenschutz in der BSU. „Wir geben Firmen Hinweise, was zu erwarten ist, wenn sie bestimmte Maßnahmen umsetzen wollen.“ Etwa, welche Tier- und Pflanzenarten sich ansiedeln und wo die Unternehmen mit Naturschutzaspekten in Berührung kommen könnten, wenn sie die Flächen irgendwann doch nutzen wollen. Gabányi ist hoffnungsvoll, mit vielen Firmen ins Gespräch zu kommen: „Es gibt nicht nur Gräben zwischen Wirtschaft und Naturschutz.“

Ein Unternehmen, das sich am Pilotprojekt der UnternehmensNatur beteiligt, ist die Daimler AG mit ihrem Mercedes-Benz-Werk Hamburg. Auf 331.000 Quadratmetern Werksgeländefläche sind etwas mehr als 2500 Mitarbeiter damit beschäftigt, Achsen und Achsenkomponenten, Lenksäulen, Komponenten der Abgastechnologie und Leichtbaustrukturteile zu entwickeln und zu produzieren. „Wir nehmen hier schon eine große Fläche für uns ein“, sagt Stephan Göb, stellvertretender Werksleiter und Umweltmanagementbeauftragter des Standortes. Da müsse man schon darüber nachdenken, wie das Gelände zu gestalten sei. In dem Unternehmen sei Umweltmanagement fest verankert, eine messbare Größe. Deshalb seien sie auch bereits im Jahr 2003 Gründungsmitglied der UmweltPartnerschaft geworden, einer Hamburger Institution des Hamburger Senats, der Handelskammer, der Handwerkskammer, des Industrieverbands und des Unternehmensverbands Hafen Hamburg zur Förderung des freiwilligen Umweltschutzes in der Wirtschaft.

Jetzt werden im Zuge der Initiative UnternehmensNatur verschiedene Bereiche auf dem Gelände umgestaltet, sagt Göb. So sollen etwa auf den Grünflächen im Eingangsbereich eines Gebäudes keine Bodendecker mehr wachsen, sondern naturnahe, heimische Pflanzen, die Insekten und Vögeln Nahrung bieten. Auf der Fläche an der Gründervilla des ehemaligen Geländes der Tempowerke wird ein Naturteich angelegt, der Pflanzen und Tieren Raum schafft – und gleichzeitig den Mitarbeitern in den Pausen einen Erholungsort bietet. „Es geht uns auch um das Wohlfühlen der Belegschaft“, sagt Göb. „Wirtschaftlichkeit allein macht eine gute Firma nicht aus.“

Schließlich wird die Bepflanzung auf dem gesamten Werksgelände unter die Lupe genommen und das Anlegen von Trockenmauern und Wildwiesen umgesetzt, auch auf einer Parkplatzanlage außerhalb des Werks. Dafür wolle das Unternehmen schon eine „beträchtliche Geldsumme“ in die Hand nehmen, so Göb. Es ist seiner Ansicht nach sehr wichtig, sich kontinuierlich und nachhaltig mit Umweltthemen auseinanderzusetzen. „Aus diesem Grund hinterlegen wir bis 2019 eine Liste mit Projekten, die wir zum Thema UnternehmensNatur umsetzen werden.“

Auch wenn sich, wie Hans Gabányi sagt, Hamburger Firmen eine Teilnahme an der UnternehmensNatur als Maßnahme der Umweltpartnerschaft anerkennen lassen können, handelt es sich in erster Linie um ein freiwilliges Engagement. Katharina Schmidt, Nabu-Referentin für Stadtnatur, sieht neben den ökologischen Aspekten dabei noch weitere Pluspunkte für die Teilnehmer: „In die Planung und Umgestaltung der Flächen können Mitarbeiter eingebunden werden. Das ist eine tolle Teambuilding-Maßnahme. Pflanzungen vorzunehmen, Nistkästen aufzuhängen oder Insektenhotels herzustellen geht alles auch ohne große Vorbildung.“ Der Nabu berate die Unternehmen gerne bezüglich einer naturnahen Umgestaltung des Geländes und biete Erstbegehungen an.

Bereits in der Vergangenheit hatte der Nabu in Hamburg etwa mit den Unternehmen Hermes und Globetrotter eng zusammengearbeitet. „Unternehmen sind die fünfte Säule unseres Stadtnatur-Konzeptes, neben privaten Gärten, öffentlichem Grün, Gewässern und Gebäuden“, so Katharina Schmidt.

Vorerst ist das Projekt UnternehmensNatur auf eine Laufzeit von zwei Jahren angelegt. Je nach Interesse bei den Hamburger Firmen werde über eine Fortführung nachgedacht, hieß es.