Bremer Ingenieure entwickeln Gewächshäuser, die Astronauten auf langen Missionen frisches Gemüse liefern sollen

Bremen. Daniel Schubert ist eigentlich kein passionierter Gärtner. Dem Bremer Ingenieur vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) liegen eher technische Tüfteleien. Dennoch züchtet Schubert zusammen mit Kollegen zurzeit Salat. Allerdings nicht auf herkömmliche Weise, sondern im sterilen Labor. Unter pinkfarbenem Licht wachsen in einem Zeltschrank Dutzende kleine Salatköpfe auf mehreren Ebenen übereinander. Ziel der Forschung ist die Entwicklung ressourcenschonender Gewächshäuser für das Weltall.

„Jedes Kilo, das von der Erde in den Orbit gebracht wird, kostet bis zu 20.000 Euro“, sagt Schubert. „Wird das Kilo auf den Mars transportiert, sind wir schon fast im Millionenbereich.“ Für eine mögliche Mars-Mission, die zwei bis drei Jahre dauert, würden für die vier bis sechs Astronauten mehrere Tonnen an Spezialnahrung benötigt. Gewicht sparen ließe sich, wenn vorzugsweise Samen mitgenommen würden. „Die Astronauten könnten damit frische Nahrung produzieren“, sagt Schubert.

Bei ihrer Forschung verfolgen die Forscher die Maxime „weniger ist mehr“. Das fängt mit dem Licht an. Die Pflanzen bräuchten für ihr Wachstum mithilfe der Fotosynthese nur die blauen und roten Anteile des Lichtspektrums, sagt Schubert. Zusammen ergibt das ein pinkfarbenes Licht. „Den grünen Lichtanteil müssen wir nicht produzieren – dadurch sparen wir Energie“, erläutert der Ingenieur.

Sparen ist auch bei der Bewässerung angesagt. Um zu gedeihen, brauchen die Pflanzen kein Trinkwasser; Urin tut es auch, genauer: eine aus Urin gewonnene Nährstofflösung. Diese ihnen zugeführte Flüssigkeit scheiden die Pflanzen zum Teil über ihre Blätter wieder aus – in Form von Trinkwasser. Davon profitieren die Astronauten, für die weniger Wasser mitgenommen werden müsste. So könnte ein geschlossener Kreislauf entstehen, erläutert Schubert. Eine chemische Aufbereitung von Urin zu Trinkwasser finde bereits in der Internationalen Raumstation (ISS) statt; eine biologische Aufbereitung, wie sie in Bremen getestet werde, sei hingegen ein Novum, sagt Schubert.

Ein weiterer Vorteil des Gärtnerns: die psychologische Wirkung. „Wer drei Jahre in einer Blechdose verbringt, mit künstlichem Licht, vielen Kabeln und einem hohen Geräuschpegel, der möchte wenigstens etwas Grünes um sich haben“, sagt Schubert. Das wurde auch auf der ISS beobachtet: „Die Astronauten gehen in ihrer Freizeit gerne zu den Experimenten mit Pflanzen und tätscheln sie.“ Gutes, frisches Essen könnte künftig zusätzlich die Laune heben.

„Eden“ nennt sich das vom DLR federführend geleitete Projekt. Der Name ist Programm. „Wir schaffen den ersten Garten auf einem fremden Planeten“, sagt Ingenieur Schubert. Noch steckt die Forschung allerdings in den Kinderschuhen. Der erste bereits geerntete Salat schmeckte nicht besonders gut.

Dennoch haben sich die Forscher ein erstes Ziel gesteckt. 2016/17 soll ein Gewächshaus neun Monate lang in einer unwirtlichen Umgebung getestet werden: in der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Antarktis. Dort herrschen zumindest insofern Bedingungen, die mit einer Weltraummission vergleichbar sind, als dass eine kleine Gruppe auf engem Raum abhängig von Technik zurechtkommen und sich ernähren muss.

Bis dahin muss noch viel Vorarbeit geleistet werden. Gezüchtet werden soll alles, was leicht verderblich ist. „Wir wollen erst einmal den Salat beherrschen, dann kommen die Radieschen“, sagt Schubert. „Das Schwierigste sind Tomaten und Gurken.“

Bisher stehen die Gewächshäuser in einem Labor, gleich neben der Tiefgarage des DLR in Bremen. Wer den Raum betreten will, muss Schutzkleidung anziehen und wegen der UV-Strahlen der LED-Panels eine Schutzbrille tragen. Die Pflanzen wachsen in einem geschlossenen System extrem schnell. Sie werden bis zu 24 Stunden am Tag mit Licht verwöhnt. Erde ist nicht nötig. Die Pflanzen hängen in der Luft, die Wurzeln werden ständig mit einer Nährstofflösung besprüht. Was sie nicht sofort aufnehmen, wird aufgefangen und wiederverwendet.

Später könnten die Gewächshäuser zum Beispiel aufblasbar sein. Das meiste ist allerdings erst Theorie und muss sich in der Praxis noch bewähren. „Auf dem Mond oder Mars wäre es fatal, wenn sich herausstellen würde, dass es nicht funktioniert“, sagt Schubert.

Die neue Technik soll künftig nicht nur Astronauten zugute kommen, sondern auch den Menschen auf der Erde, so schreibt es die DLR-Satzung vor, sagt Schubert. Denkbar sei etwa der Einsatz in Gewächshochhäusern (vertical farming). Mit diesem Konzept wird die Idee verfolgt, Lebensmittel in Ballungsräumen anzubauen und so den zunehmenden Bedarf zu sichern.