Norddeutsches Projekt entwickelt mobile Demontagecontainer, um stillgelegte Maschinen überall auf der Welt sauber zu zerlegen

Hamburg. Die Luftfahrt nahm in den vergangenen Jahrzehnten eine steilen Aufstieg. Nach den Flugzeugherstellern könnte nun die Entsorgungsbranche davon profitieren, denn nach 20 bis 30 Jahren werden die alten Maschinen aus dem Verkehr gezogen. Etwa 450 Flieger treten jährlich ihre letzte Reise an und landen auf Flugzeugfriedhöfen, am Rande von Flugfeldern oder dürfen nach Inspektionen nicht mehr starten. Bestenfalls werden sie anschließend in die Zange genommen: Diese zerlegt das Wrack in Einzelteile, um sie für das Recycling vorzubereiten. Heute geschieht dies zumeist in den USA. Norddeutsche Techniker und Logistiker entwickelten im Projekt MORE-AERO eine mobile Einheit zum weltweiten Flugzeugrückbau, um Aluminiumschrott und andere Materialien zu gewinnen.

„Für ein optimales Recycling müssen drei Branchen zusammenarbeiten: Die Luftfahrt, die Recyclingindustrie und die Logistik. Alle drei Branchen sind in Hamburg vertreten, deshalb haben wir hier einen idealen Standort für unser Projekt“, sagt dessen Leiter Norbert Steinkemper von der Süderelbe AG in Harburg, die Wirtschaftsentwicklung betreibt. Seine Projektpartner sind die TU Clausthal, die technische und wirtschaftliche Potenziale für die stoffliche Materialverwertung erkundet, die Braunschweiger Keske Entsorgung GmbH und die Stute Logistics GmbH in Hamburg.

„Wir arbeiten daran, den optimalen Verwertungsweg für Flugzeuge zu finden“, sagt Steinkemper. Er spricht dabei vom Flugzeugkörper, vom Rumpf und den Flügeln, denn Triebwerke, Bordgenerator und -elektronik sowie das Fahrwerk sind gefragte Ersatzteile, die nach akribischer Aufarbeitung – und neu zertifiziert – wieder in den Einsatz kommen. Rumpf und Flügel bergen dagegen „nur“ Materialschätze, und diese sind nicht so leicht zu heben. Konservativ geschätzt werden in nächster Zeit jährlich weltweit um die 450 Altflugzeuge anfallen. Nach Berechnungen der TU Clausthal (mit jährlich 433 ausgemusterten Maschinen) kämen über einen Zeitraum von 15 Jahren rund 274.000 Tonnen Recyclingmetalle mit einem Wert von etwa 260 Millionen Euro zusammen.

Allein 210.980 Tonnen sind Aluminium. Doch das Leichtmetall ist in verschiedenen Legierungen und oftmals in Verbund mit anderen Metallen verbaut. Das erschwert das Recycling. Je besser die einzelnen Komponenten voneinander getrennt werden, desto hochwertiger wird das gewonnene Material. Das Ziel sei, Aluminium und andere Stoffe so rückzugewinnen, dass Flugzeuge aus recycelten Flugzeugen gebaut werden können, sagt Dr. Jürgen Glaser, Prokurist bei der Süderelbe AG. In den USA werde derzeit weniger aufwendig getrennt. Dort entstünde minderwertiges Aluminium, das sich zwar zur Produktion von Coladosen eigne, nicht aber zum Flugzeugbau, bei dem Sicherheit an erster Stelle stehe.

Das norddeutsche Verbundprojekt will das US-Recycling überflügeln. „Deutschland hat die beste Aufbereitungstechnologie für Industrieschrotte“, sagt Steinkemper. Und mit Keske sitze das landesweit einzige Unternehmen mit im Boot, das bereits Flugzeugkörper recycelt habe. Etwa 80 Prozent des Materials könnten nach dem Stand der Technik wiedergewonnen werden. Ob sich das Geschäftsmodell zur hochwertigen Verwertung lohne, hänge allerdings vom Aufkommen und vom Schrottwert der ausgeschlachteten Wracks ab. Es sei damit zu rechnen, das europäische Airlines ein Großteil ihrer ausgemusterten Maschinen weiterhin auf die Flugzeugfriedhöfe in den USA überführen.

Dagegen bleibt den Eigentümern von flugunfähigen Maschinen keine Wahl. Wird ein Flugzeug an einem Airport oder im Rahmen eines Wartungszyklus endgültig stillgelegt, drängt die Zeit. Denn jeder Tag, an dem das Altflugzeug am Rande eines Rollfeldes steht, kostet – oftmals mehrere Tausend Euro. Hier setzt MORE-AERO an. Steinkemper: „Wir haben eine Demontageeinheit entwickelt, die in zwei 20-Fuß-Standardcontainern Platz findet: Der Container ,Trockenlegung‘ enthält Equipment, mit dem Treibstoffreste und Betriebsmittel (etwa Hydrauliköl) aus dem Flieger entfernt werden. Sie fließen in zwei explosionssichere, seefeste Tanks oder werden bestenfalls am Ort entsorgt. Der Container ,Vorzerkleinerung‘ transportiert neben Werkzeug vor allem eine riesige Schrottschere, die vor Ort an einen 30-Tonnen-Bagger montiert wird.“

Die Schere beginnt ihr Zerstörungswerk, nachdem sämtliche Betriebsmittel entfernt sind. Zunächst kommen aus statischen Gründen jeweils die Flügelenden an die Reihe, dann die mittleren Flügelsegmente, bis das Wrack mit Stummelflügeln dasteht. Nun wird der Rumpf zerlegt. Je ferner der Standort, desto kleiner sollten die Teile werden, damit sie möglichst gut verdichtet sind und entsprechend weniger Platz einnehmen. Zudem wird geprüft, ob ein Teil der Wiederverwertung an Ort und Stelle möglich ist, anstatt sie um die halbe Welt zu schippern. Das gilt zum Beispiel für Kupfer, bestimmte Aluminiumbestandteile oder Altkunststoffe.

In Deutschland lautet die erste Adresse Fa. Keske in Braunschweig. Sie übernimmt vor allem den Rückbau der Flugzeuge sowie die Vorsortierung des Materials und überlässt die einzelnen Fraktionen dann spezialisierten Verwertern. Im Vordergrund steht die Metallrückgewinnung. „Wir separieren Kunststoffe und Restmaterial von den größeren Aluminium- und sonstigen Metallteilen“, sagt Torsten Busch, der bei der Firma Keske das Flugzeugrecycling betreibt.

Bis Herbst startet ein erster Testlauf für die Demontagecontainer in Leipzig

Mit Sieben lassen sich kleine Kunststoffteilchen entfernen, mit einer Ultraschalluntersuchung – der Spektralanalyse – zum Beispiel Chrom-Nickel-Stähle und Kobalt trennen. Letzteres ist allerdings sehr aufwendig, die einzelnen Prüfstücke müssten für die Messung per Hand platziert werden. Kommt sie zum Einsatz, so werden nur einzelne Stück vermessen und dann auf andere Teile derselben Bauelemente geschlossen.

„Wir haben einen Partner, der sich auf das Aluminium-Recycling spezialisiert hat“, sagt Torsten Busch. „Mithilfe einer mechanischen Aufbereitungsanlage können dort aus Metallmischfraktionen Granulate mit einer Reinheit von mehr als 90 Prozent gewonnen werden.“ Der Verwerter trennt nicht etwa die Legierungen in die einzelnen Metalle auf, sondern schmilzt den „Alumischschrott“ ein. Es entsteht ein rund 500 Kilogramm schwerer Block, dessen Zusammensetzung bekannt ist. Dieser könne problemlos in der Aluproduktion eingesetzt werden, so Busch. „Die Schmelzen nutzen je nach Anwendungsgebiet spezielle Rezepturen für unterschiedliche Legierungen, von denen sie vielleicht 20 Tonnen schmelzen. Da fallen die 500 Kilogramm kaum ins Gewicht.“

Bislang fehlen allerdings die Altflugzeuge, um Recycling in Norddeutschland betreiben zu können. Deshalb sollen die mobilen Demontagecontainer in einigen Jahren weltweit ausgemusterte Maschinen vor Ort zerkleinern und den Schrott nach Hamburg holen, ein erster Testlauf ist bis zum Herbst in Leipzig geplant.

Das Flugzeugrecycling lohne sich nur, wenn die in Deutschland gut ausgebaute Verwertungsinfrastruktur genutzt werde, betont Steinkemper. Auch hier gebe es in der Metropolregion Spezialisten, etwa für das Recycling von Titan in Norderstedt. Und das CFK-Valley in Stade betreibe die bundesweit einzige Recyclinganlage für Carbonfasern.

Auch dem Kompetenzzentrum Kabine, in dem Airbus und Lufthansa Technik mit der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) zusammenarbeiten, stellt sich die Recyclingfrage – Steinkemper: „Die Inneneinrichtung wird alle paar Jahre ausgetauscht, hier lohnt sich das recyclinggerechte Konstruieren und die anschließende Verwertung besonders.“ Aber das ist wieder ein neues Thema.