Das Dreibindengürteltier steht auf der jüngsten Roten Liste der gefährdeten Tiere und Pflanzen. Mehr als 22.000 Tier- und Pflanzenarten sind laut der jetzt aktualisierten Roten Liste bedroht.

Gland. Sie sind völlig verschieden, und sie leben Tausende Kilometer voneinander entfernt. Doch eines haben die als Maskottchen der Fußball-WM berühmt gewordenen Dreibindengürteltiere im Nordosten Brasiliens, die Lemuren (Feuchtnasenaffen) auf Madagaskar und die von Gourmets in Asien geschätzten Japanischen Aale gemeinsam: Sie könnten bald von der Erde verschwunden sein, wenn der Mensch sie nicht besser schützt. Damit sind sie freilich nicht allein. Mehr als 22.000 Tier- und Pflanzenarten sind laut der jetzt aktualisierten Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) in ihrer Existenz bedroht.

„Wir sind konfrontiert mit einer Krise des Aussterbens“, sagt die britische Naturforscherin Jane Smart. Sie leitet die Abteilung Artenvielfalt im IUCN-Hauptquartier im schweizerischen Gland, wo alle Informationen für die Rote Liste zusammenlaufen. Seit nunmehr 50 Jahren wird sie gepflegt, regelmäßig aktualisiert und erweitert.

Aus den ersten Aufstellungen gefährdeter Vögel und Säugetiere, die im Januar und April 1964 an einige Tausend Fachleute verschickt wurden, ist längst die umfangreichste Datensammlung zum Zustand der Tier- und Pflanzenarten und deren jeweiliger Bedeutung für das Leben auf der Erde insgesamt geworden. Smart nennt die Liste gern „das Barometer des Lebens“.

Die Liste umfasst neun Statusstufen. Weit unten steht „LC“ (Least Concern – nicht gefährdet). Mit „VU“ (Vulnerable – verletzlich) gekennzeichnete Arten – dazu gehört das WM-Maskottchen – sind laut Definition einem „hohen Risiko“ ausgesetzt, in naher Zukunft auszusterben. Im Deutschen wird diese Kategorie meist als „gefährdet“ bezeichnet.

Mit der nächsten Stufe EN (Endangered/stark gefährdet) gerät die Art in den roten Bereich; bei „CR“ (Critically Endangered/vom Aussterben bedroht) schrillen alle Alarmglocken: Hier besteht ein „extrem hohes Risiko“ des Aussterbens in unmittelbarer Zukunft. Die Stufe „EX“ ist die traurigste: Sie steht für „Extinct“ – ausgestorben.

Die Daten, die unzählige Helfer für die Bestandsaufnahme der einzelnen Arten sammeln, sind oft besorgniserregend. Zugleich aber böten sie eine Chance zum Überleben, sagt IUCN-Chefin Julia Marton-Lefèvre. Die Listung einer Art sei oftmals der „Startpunkt“ für entschlossene Naturschutzmaßnahmen – und ohne die Einstufung als gefährdete Art gebe es kaum Aktionen für ihren Erhalt. Darin liege die eigentliche Bedeutung der Roten Liste. „Wir müssen sie erheblich erweitern, um die Herausforderungen des Artenschutzes besser verstehen und Prioritäten setzen zu können.“

Tempo und Umfang des Artensterbens kann die Liste auch nach einem halben Jahrhundert Forschung nur annähernd widerspiegeln. Experten meinen, dass jedes Jahr einige Tausend Pflanzen- und Tierarten verschwinden. Die Hauptursachen benennt die Umweltstiftung WWF: Zerstörung von Lebensräumen, Wilderei und in wohl zunehmendem Maße der Klimawandel.

Der WWF sorgt sich um die Lemuren auf Madagaskar: 94 Prozent der Primaten seien in den drei höchsten Gefährdungskategorien gelistet, weil ihre Tropenwälder zerstört werden. Stark gefährdet seien auch die Bonobos, jene Affenspezies, die dem Menschen am nächsten steht.

Immerhin gebe es in der 50-jährigen Geschichte der Roten Liste auch einige Lichtblicke, so der WWF: Das Wisent und das Przewalski Wildpferd waren in freier Wildbahn ausgestorben. Aus den wenigen Tieren, die noch in Gefangenschaft lebten, wurden genügend Nachkommen gezüchtet, um in freier Natur neue, überlebensfähige Bestände aufzubauen.

Schätzungen zufolge gibt es auf Erden zwischen zehn und 100 Millionen Spezies – von kleinsten Pilzkulturen oder Insekten bis hin zu den riesigen Walen. Nur rund zwei Millionen wurden bislang beschrieben. Und lediglich knapp 74.000 Arten konnten bisher für die Roten Liste begutachtet werden.

Bis 2020 will die IUCN die Zahl der berücksichtigten Spezies auf 160.000 erhöhen. Das „Barometer des Lebens“ würde dann klarere Aussagen ermöglichen als heute. In Zeiten knapper Kassen ist das aber ungewiss. Fünf Millionen Dollar kostet die Pflege der Roten Liste pro Jahr. Dabei ist die IUCN weitgehend auf freiwillige staatliche Zuwendungen sowie private Spenden angewiesen. Doch ohne Rote Liste als Richtschnur ist internationaler Naturschutz kaum vorstellbar.

Während alle Arten ihre spezielle Funktion im Ökosystem haben, sind manche prominenter als andere – und daher besser als Werbeträger für den Naturschutz geeignet. Noch vor Nashorn, Elefant oder Panda gehört der besonders stark bedrohte Tiger dazu. Er sei ein „Wahrzeichen für das Naturerbe der Welt“, sagt Marton-Lefèvre.

Mit dem Dreibindengürteltier (auch Nördliches Kugelgürteltier) ist dank der Fußball-WM ein weiteres hinzugekommen. Um rund ein Drittel sind dessen Bestände zurückgegangen. Hauptgrund ist, dass die Lebensräume dieser Tiere in der bevölkerungsreichen Buschlandregion Caatinga im Nordosten Brasiliens um die Hälfte geschrumpft sind.

Die bewusste Entscheidung für das gefährdete Gürteltier als Glücksbringer mit dem Namen Fuleco zeigt, welchen Beitrag auch der Sport für den Naturschutz leisten kann. Fuleco leitet sich ab aus Futebol (portugiesisch für Fußball) und Ecologia (Ökologie).