Noch gibt es etliche Hürden zu überwinden, wie geringe Reichweiten und wenige Ladestationen. Hamburger Forscher an Projekt mit China beteiligt

Hamburg/Berlin. 150 bis 200 Kilometer Reichweite – mehr schaffen die meisten Modelle bisher nicht. Trotzdem scheint die Zeit reif zu sein für Elektroautos. Volkswagen bringt gerade mit dem e-Golf den zweiten vollelektrischen Wagen auf den Markt. BMW liefert die ersten Exemplare seines Sportwagens i8 und damit das zweite E-Modell aus; der kompakte i3 ist bereits sehr gefragt. Kürzlich stellten Daimler und die chinesische Partner BYD ihr gemeinsam entwickeltes Elektroauto Denza vor. Und in den USA ist der Tesla Model S ein Renner, von dem der Hersteller in diesem Jahr 35.000 Stück verkaufen will.

Insgesamt fahren hierzulande derzeit laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) 12.000 Elektroautos und 85.500 Fahrzeuge mit Hybridantrieb – gerade einmal 0,22 Prozent des deutschen Pkw-Bestandes. Das Ziel der Bundesregierung: Eine Million E-Fahrzeuge bis 2020. Der derzeitige Pkw-Bestand: 43,9 Millionen.

Doch die Nachfrage steigt. In diesem Jahr rechnen Hersteller und Experten mit deutlich höheren Verkaufszahlen als 2013.

Der wichtigste limitierende Faktor für den Durchbruch sind nach wie vor die Batterien. Bis sie eine Reichweite ermöglichen, die mit der von herkömmlichen Autos vergleichbar ist, dürfte es noch einige Jahre dauern. Aber nachdem die Batterietechnik in Deutschland jahrzehntelang als ausgereizt galt, boomen hierzulande wieder Forschung und Entwicklung elektrischer Speicher. Seit den 1990er-Jahren hatten zunächst Japaner, Koreaner und Chinesen die Lithium-Ionen-Technologie weiterentwickelt und sie mit Erfolg zunächst in Camcordern, Laptops und Handys untergebracht.

Dann wurde deutlich, dass sich dieser Batterietyp auch für Elektroautos eignen könnte. Die deutsche Industrie reagierte 2007 mit der Bildung eines Konsortiums von BASF, Bosch, Evonik, LiTec und Volkswagen. Dieses verkündete die Absicht, 360 Millionen Euro für die Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Technologie zu investieren. Zur Innovationsallianz LIB 2015 (Lithium-Ionen-Batterie 2015) sagte das Bundesministerium für Bildung und Forschung zusätzlich 60 Millionen Euro an Fördergeld zu.

Von Bundesmitteln profitieren auch Forscher in Hamburg. Seit mehreren Jahren tüftelt ein Team um den Chemiker Michael Fröba von der Universität Hamburg an stärkeren Lithium-Ionen-Batterien und zwei neuen Akkutypen: der Lithium-Schwefel-Batterie, die vermutlich bis zu dreimal mehr Energie speichern könnte als Lithium-Ionen-Modelle, und der Lithium-Luft-Batterie, die theoretisch bis zu 15-mal leistungsfähiger sein könnte.

Nun kommen für die Wissenschaftler weitere Aufgaben hinzu: Mit 925.000 Euro fördert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) das neue deutsch-chinesische Verbundprojekt SINGER (Sino-German Electromobility Research). Ziel sei der fachliche Austausch sowie die gemeinsame Erprobung von Elektrofahrzeugen durch Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Behörden der chinesischen Stadt Shenzhen und der Stadt Hamburg, teilte die Universität Hamburg mit.

Von dem Fördergeld werden 403.000 Euro an die Hamburger Forscher gehen, die in den kommenden drei Jahren zwei von 14 Arbeitspaketen verantworten sollen. Koordiniert wird SINGER von der hySOLUTIONS GmbH, einer Tochter der Hamburger Hochbahn AG und Projektleitstelle für Elektromobilität in Hamburg. Mit an Bord bei dem Projekt sind auch die HafenCity Universität, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften, die Flughafen Hamburg GmbH sowie die Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein AG.

Um die Leistungsfähigkeit und Haltbarkeit von Lithium-Ionen-Batterien zu verbessern, soll das Team um Fröba zusammen mit den chinesischen Kollegen vor allem Standards erarbeiten. „Lithium-Ionen-Batterien bestehen aus etlichen Komponenten. Bisher läuft es bei der Entwicklung so, dass jeder Hersteller für sich ausprobiert, was funktionieren könnte – ohne dass bisher jemand wirklich systematisch durchgegangen wäre, ob etwa der Einsatz bestimmter Stoffe wirklich Sinn macht“, erläutert Fröba. „Es gibt bisher keine Standards, welche Materialien am besten geeignet sind, welches Mischungsverhältnis optimal ist, um das Maximum aus einer Batterie herauszukitzeln. Das wollen wir ändern.“

Technische Fortschritte seien aber nur ein Teil der Zusammenarbeit zwischen Hamburg und Shenzhen, sagt Fröba. „Wir wollen Elektromobilität auch als Entwicklungsinstrument betrachten. Wie müssen neue Stadtteile geplant werden, wie viele Ladestationen sind nötig und wo? Das Projekt hat einen umfassenden Ansatz.“

Von den Ergebnissen soll nicht nur das aufstrebende China, sondern natürlich auch Deutschland profitieren. Mit bundesweit etwa 4400 Ladestationen ist die öffentliche Infrastruktur für Elektrofahrzeuge bisher noch dürftig. Ein Konsortium, an dem auch BMW beteiligt ist, will zumindest die Strecke München–Leipzig–Berlin für E-Autos erschließen: Noch in der ersten Jahreshälfte 2014 soll die „Schnellladeachse“ entlang der A 9 eröffnet werden.

„Wir kommen nicht umhin, in Deutschland eine Ladeinfrastruktur zu entwickeln“, sagt Eckhard Fahlbusch vom Bundesverband eMobilität. „Die Autoindustrie muss Farbe bekennen: Will sie die neue Technologie, oder soll sie ein Feigenblatt bleiben?“ Fahlbusch wie auch BMW-Sprecher Wieland Brúch plädieren für gemeinsame Anstrengungen von Industrie und Staat oder auch der EU. Immerhin hat sich der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments Ende 2013 dafür ausgesprochen, bis 2020 in Europa 450.000 Ladestationen für Elektrofahrzeuge zu bauen, davon 86.000 in Deutschland.

Und es existieren schon Normen für die Ladeanschlüsse: Zahlreiche Autoproduzenten und öffentliche Institutionen haben sich auf das „Combined Charging System“ geeinigt, wie es nun in der internationalen Richtlinie ISO 61851-23 festgelegt ist. An einer Schnellladesäule mit Gleichstrom kann man damit bei den meisten Elektrofahrzeugen eine fast leere Batterie innerhalb einer halben Stunde auf 80 Prozent ihrer Kapazität aufladen.

Fahlbusch fordert, die Bundesregierung solle Kaufanreize für Elektrofahrzeuge schaffen, wie sie in Ländern wie Frankreich, China, Japan und den USA bereits existieren. „Der Staat muss der Technologie zum Marktdurchbruch verhelfen. Mit der Massenproduktion werden die Herstellungskosten sinken, wie wir es bei der Digitalkamera, bei den Flachbildschirmen und bei den Solarzellen erlebt haben.“

„Jeder, der es elektrisch probiert, ist begeistert – trotz des fehlenden Motorgeräusches oder gerade deswegen“, sagt Fahlbusch. Gerade jüngere Deutsche seien für Elektroautos zu gewinnen: „Jedes Jahr werden mehr als eine Million Fahrschüler für ihre Teilnahme am Straßenverkehr ausgebildet. Hier finden wir einen idealen Multiplikator, um die Elektromobilität in die Köpfe und Herzen der zukünftigen Autofahrer zu transportieren.“ Er fordert die deutschen Autoproduzenten auf, die bundesweit 13.000 Fahrschulen mit E-Fahrzeugen zu versorgen.

Fahlbusch sieht die Elektromobilität im Gesamtzusammenhang der Energiewende. Schließlich sei ein E-Antrieb unter Umweltaspekten nur dann sinnvoll, wenn der Strom dafür aus erneuerbaren Energien komme. Versuchsfahrten in den Jahren 1992-95 auf Rügen seien auch daran gescheitert, dass der Strom für die Autos nicht aus erneuerbaren Energien gestammt habe, sagt Gerhard Hörpel vom Batterieforschungszentrum MEET der Universität Münster. Deshalb sei auch die Umweltverträglichkeit zweifelhaft gewesen. Die Stromerzeugung hat sich seitdem zugunsten der Erneuerbaren verändert. Ein Grund mehr, weshalb die Zeit reif sein könnte für das Elektroauto.