Von Ärzten wird sie vor allem empfohlen, um Parodontitis zu verhindern. Aber eventuell könnte auch eine Anleitung zum richtigen Putzen reichen

Hamburg. Wer Zähne und Zahnfleisch gesund erhalten will, muss sich täglich Zeit für eine ausführliche Zahnpflege nehmen, auf seine Ernährung achten und, so der Rat der Zahnärzte, regelmäßig eine professionelle Zahnreinigung (PZR) beim Zahnarzt durchführen lassen.

Ob die PZR wirklich von Nutzen ist, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Für Wirbel unter den Zahnärzten sorgte der IGel-Monitor des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, als er im Oktober 2012 den Nutzen dieser Maßnahme bei Erwachsenen ohne Parodontitis als „unklar“ bewertete, weil er nicht ausreichend durch Studien belegt sei. Die Gutachter fanden nur eine Studie, die nach ihrer Ansicht zur Bewertung herangezogen werden konnte. „Diese Studie zeigte, dass offenbar sogar allein eine jährliche Anleitung zur richtigen Zahnpflege ohne professionelle Zahnreinigung dazu führt, dass das Gebiss besser gepflegt wird und weniger Zahnfleischentzündungen auftreten. Der Effekt einer alleinigen PZR wurde nicht untersucht und lässt sich daher nicht abschließend beurteilen“, schrieben die Gutachter des IGel-Monitors. Sie beziehen sich damit auf eine skandinavische Studie von Per Hugoson mit 400 Probanden.

„Auch wenn man bedenkt, dass die Laufzeit der Studie mit drei Jahren relativ kurz ist, ist damit eindeutig nachgewiesen worden, dass nur die Information und Motivation des Patienten zur täglichen Pflege schon einen unglaublichen Effekt hat und eine größere Wirkung als die alleinige Reinigung durch den Zahnarzt. Diese ist zwar wichtig, aber bringt als alleinige Maßnahme relativ wenig“, sagt dazu Prof. Ursula Platzer, Direktorin der Poliklinik für Zahnerhaltung und präventive Zahnheilkunde am Uniklinikum Eppendorf.

Für sie ist aber auch noch eine weitere Studie ausschlaggebend, die vom MDS wegen methodischer Mängel nicht berücksichtigt wurde. „Das ist die klassische Studie von Per Axelsson von der Universität Göteborg. Er hat 30 Jahre lang Erwachsene kontinuierlich betreut und dabei die Wirkung der Kombination von guter häuslicher Zahnpflege und regelmäßiger PZR untersucht. 2004 hat er dann die Ergebnisse vorlegen können. Diese Ergebnisse zeigen sehr klar, dass die Gruppe, die die PZR und eine intensive Betreuung bekommen hat, einen dramatischen Vorteil gegenüber den Gruppen hat, die nicht so intensiv betreut wurden. Was man dieser Studie immer vorwirft, sind methodische Mängel, allerdings war die Vorgehensweise damals Stand der Wissenschaft. Und man kann nicht Wissenschaftlern, die 30 Jahre vorher angefangen haben, vorwerfen, dass sie gegen eine Methodik verstoßen, die wir heute für wissenschaftlich notwendig erachten. Auch unser Konzept ist immer eine Kombination von PZR, Information und Motivation“, sagt Platzer.

Was gehört alles zu einer PZR? „Aus wissenschaftlicher Sicht gehört zu einer sinnvollen und effektiven professionellen Zahnreinigung die Reinigung von allen zugänglichen Zahnflächen und oberflächlichen Zahnfleischtaschen. Zwingend dazu gehört auch eine Information des Patienten über ein individuelles Mundhygienekonzept, das für seine Zähne sinnvoll ist. Er muss darüber aufgeklärt werden, welche Hilfsmittel, also Zahnpasta, Zahnbürste, die Zahnseide oder Zwischenraumbürsten, für ihn am besten geeignet sind, und wie er sie anwendet“, sagt Platzer. Das sei aber nur Erfolg versprechend, wenn man es regelmäßig wiederhole.

Der Zahnarzt sieht wesentlich mehr als sein Patient. Wer zu Hause im Badezimmer seine Zähne reinigt, schafft es nicht, dabei alle Nischen und Ecken in der Mundhöhle zu säubern. „Bei der normalen Anatomie ist es schon schwierig, denn jeder Backenzahn hat fünf Flächen, die Frontzähne haben vier Flächen und alle muss man reinigen. Die Plaque sitzt überall, besonders auch zwischen den Zähnen. Und schief stehende Zähne sind noch schwieriger zu säubern“, sagt Platzer.

Fluoride können erste Schäden auf der Zahnoberfläche reparieren

Bei der Prävention geht es darum, zwei Erkrankungen zu vermeiden, Karies und Zahnfleischerkrankungen. Die Kariesprophylaxe besteht aus zwei Bausteinen. Das eine ist die Entfernung von Plaque durch die tägliche Zahnpflege und damit die Verhinderung der Ansammlung von Bakterien auf den Zahnoberflächen. Damit lässt sich vermeiden, dass Bakterien auf der Zahnoberfläche den Zucker in der Mundhöhle zu Säure verstoffwechseln und damit die Zähne demineralisieren. „Außerdem können wir über Fluoride erste Demineralisationserscheinungen an den Zähnen reparieren, wenn Calcium und Phosphat aus der Zahnoberfläche herausgelöst sind. Diese Reparaturmechanismen sind nur möglich, wenn ständig eine gewisse Konzentration von Fluoriden im Mund zur Verfügung steht. Deswegen ist es für die tägliche Zahnpflege wichtig, dass die Zahnpasta Fluoride enthält“, sagt die Zahnmedizinerin.

Für die Prävention von Zahnfleischerkrankungen ist die PZR besonders wichtig. Die Parodontitis entsteht durch Plaque: Auf dem Zahnschmelz lagert sich zuerst eine dünne Schicht von Proteinen ab. In diese können sich dann Bakterien einlagern. Nach und nach baut sich das zu einer zähen Belagsmasse auf. „Zahnstein ist nichts anderes als mineralisierte Plaque. Er bildet sich vor allem hinter den unteren Frontzähnen und an den vorletzten und vorvorletzten oberen Backenzähnen, weil dort die Speicheldrüsen münden und deswegen an diesen Stellen besonders viele Mineralstoffe ankommen“, sagt Platzer.

Das Zahnfleisch entzündet sich, weil Bakterien das Zahnfleisch durch ihre Stoffwechselprodukte angreifen, es kommt zur Parodontitis mit rotem, geschwollenem Zahnfleisch und Zahnfleischtaschen. „Eine Parodontitis haben heutzutage laut der IV. Deutschen Mundgesundheitsstudie 80 Prozent aller Erwachsenen“, sagt Platzer. Gefährlich ist die Parodontitis nicht nur für die Zähne. „Denn diese Entzündungsvorgänge und die Bakterien gelangen über den Blutkreislauf auch an andere Stellen des Körpers. So hat man deutliche Indizien dafür gefunden, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Zahnfleischerkrankungen und den Gefäßerkrankungen Herzinfarkt und Schlaganfall gibt. Bei jedem Menschen, der Gefäßprobleme hat, müsste ein Zahnstatus gemacht werden und insbesondere auf Zahnfleischentzündungen geachtet werden“, sagt Platzer.

Einige gesetzliche Krankenkassen zahlen Zuschüsse zur PZR

Wenn man eine PZR machen lässt, sollte man darauf achten, ob beim Vorgespräch Fragen zu Ernährungsgewohnheiten, zur täglichen Zahnpflege und den Hilfsmitteln gestellt werden, rät Platzer. Dann müsse der Zahnarzt einen genauen Zahnstatus erheben, ob sein Patient schon Zahnersatz, viele Füllungen, ein hohes Kariesrisiko, Plaque und Zahnfleischbluten habe. „Dann kann man die PZR durchführen. Das heißt, alle Flächen reinigen und polieren, weil sich Proteine und Bakterien auf glatten Flächen schlechter festsetzen als auf rauen, und anschließend fluoridieren.“ Darauf folgt die Aufklärung des Patienten und das Üben der Anwendung der Zwischenraumbürsten. Nach zwei Wochen sollte der Zahnarzt die Zähne noch einmal kontrollieren.

Zur Beratung im Rahmen der PZR gehören auch Ernährungstipps. „Die Menschen müssen wissen, in welchen Produkten Zucker enthalten ist. Auch Säuren in Salatsaucen, Rotwein und Obst greifen den Zahnschmelz an und hinterlassen eine löchrige Schmelzoberfläche. Wenn man anschließend gleich die Zähne putzt, wird diese löchrige Oberfläche noch zusätzlich verletzt. Deswegen sollte man die Zähne frühestens eine Stunde nach dem Verzehr säurehaltiger Nahrungsmittel putzen“, sagt Platzer.

Die Kosten für die professionelle Zahnreinigung werden nach Auskunft der Hamburger Zahnärztekammer pro Patient individuell nach der Gebührenordnung für Zahnärzte berechnet. Sie liegen in Hamburg, je nach Schwierigkeitsgrad der Behandlung und erforderlichem Aufwand, zwischen 100 und 150 Euro. Die PZR ist keine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen und muss daher von gesetzlich Versicherten selbst bezahlt werden. Einige Krankenkassen zahlen aber einen Zuschuss.

So bietet die Techniker Krankenkasse die PZR im Rahmen eines Parodontitispräventionsprogramms an. Die Kosten der darin enthaltenen Untersuchungen und Therapiemaßnahmen muss der Patient zu 50 Prozent selbst zahlen. Das bedeutet zum Beispiel, dass für die PZR, die zweimal (bei Schwangeren dreimal) jährlich durchgeführt wird, ein Zuschuss von jeweils bis zu 47 Euro gezahlt wird, je nach Zahl der zu behandelnden Zähne. Dieses Angebot können alle TK-Versicherten ab dem Alter von 18 Jahren in Anspruch nehmen und müssen sich dafür bei einer der fünf teilnehmenden Hamburger Zahnarztpraxen einschreiben. Die Barmer Ersatzkasse zahlt einmal jährlich einen Zuschuss von 20 Euro zur PZR. „Wir haben eine Vereinbarung mit Partner-Zahnärzten, die Versicherte zu besonderen Konditionen behandeln, und dort wird der Zuschuss von den Kosten abgezogen“, sagt Richard Baldauf, Regionalgeschäftsführer der Barmer GEK in Hamburg. Auskünfte zu Adressen der teilnehmenden Zahnärzte geben die Barmer-Geschäftsstellen.