Der Sternenhimmel über Hamburg im Mai

Hamburg. Die Zeit der hellen Nächte ist angebrochen. Von Mitte Mai bis Anfang August wird es bei uns in Norddeutschland selbst um Mitternacht nicht ganz dunkel, denn die Abenddämmerung geht nahtlos über in die Morgendämmerung. Nur die helleren Gestirne können sich gut gegen das Dämmerlicht durchsetzen – besonders die Planeten – und es sind sogar vier Planeten, die abends für uns leuchten. Am auffälligsten ist Jupiter, der bereits kurz nach Sonnenuntergang halbhoch im Westen als heller Lichtpunkt sichtbar wird. Der Riesenplanet wandert im Tierkreissternbild Zwillinge. Mit Kastor und Pollux, den beiden hellsten Sternen in diesem Sternbild, bildet er ein lang gestrecktes Dreieck, das sich durch die Bewegung des Planeten im Laufe des Monats deformiert. Jupiter leuchtet bis Mitternacht am Himmel, bevor er zum Nordwesthorizont sinkt und untergeht.

Unterhalb von Jupiter gibt der sonnennächste Planet Merkur seine beste Vorstellung am Abendhimmel in diesem Jahr. Ab Monatsmitte lohnt es, nach ihm zu suchen – eine Dreiviertelstunde nach Sonnenuntergang steht er nur etwa eine Handbreit (bei ausgestrecktem Arm) über dem Nordosthorizont und geht bereits zwei Stunden nach der Sonne unter.

Unübersehbar wie Jupiter leuchtet halbhoch im Süden der rötliche Planet Mars. Im vergangenen Monat war er in Erdnähe, doch nun entfernt sich unsere Welt rasch, und Mars verliert bis zum Monatsende bereits an Helligkeit. Er bleibt aber weiter recht auffällig. Seine rückläufige Bewegung im Sternbild Jungfrau, die ihn westwärts immer weiter vom hellen Stern Spica, hin zu Gamma Virginia geführt hat, verlangsamt sich bis zum Stillstand am 21. Mai.

Im Südosten ist in der Abenddämmerung ist der vierte im Bunde aufgegangen: der Ringplanet Saturn. Er kommt am 10. Mai in Opposition zur Sonne und steht ihr damit im Sternbild Waage am Himmel genau gegenüber. Saturn ist die ganze Nacht zu sehen: Er passiert kurz nach 1 Uhr die Himmelsmitte im Süden und geht bei Sonnenaufgang im Südwesten unter. Seine Ringe sind nur im Fernrohr ab etwa 30-facher Vergrößerung zu erkennen. Auch sein größter Mond Titan ist dabei als kleines, ihn umkreisendes „Sternchen“ zu sehen. Wie Jupiter hat auch der etwas kleinere Riesenplanet Saturn Dutzende Monde.

„Rechts“ von Jupiter und den Zwillingen funkelt im Nordwesten der Stern Capella im Fuhrmann, während hoch über unseren Köpfen der Große Wagen mit seinen sieben Sternen nun bereits zu Beginn der Nacht durch den Zenit „fährt“. Folgen wir dem Schwung seiner Deichselsterne, so gelangen wir zunächst zum gelb-orangen Stern Arktur (Alpha Bootis), dem hellsten Fixstern am Frühlingshimmel, und weiter, im Südosten, zum bläulichen Hauptstern der Jungfrau, der Spica. Artur und Spica, die hellsten Sterne des Frühlingshimmels, bilden mit Denebola, dem Schwanzstern des Löwen, das sogenannte Frühlingsdreieck.

Zwischen der Deichsel des Großen Wagens und der Spica in der Jungfrau blicken wir senkrecht zur Milchstraßenebene vorbei an wenigen Sternen aus unserem Sternsystem hinaus in die Dunkelheit des Alls. Der „galaktische Nordpol“ liegt dabei im Sternbild Haar der Berenike, das von einer Familie von lichtschwachen Sternen zwischen Arktur und Denebola markiert wird.

Benannt ist das Sternbild nach der ägyptischen Königin Berenike, Gattin von Ptolemäus Euergetes, der um das Jahr 250 vor Christus regierte. Sie opferte ihre Haarpracht im Tempel der Venus, um ein Versprechen einzulösen, das sie für den Sieg des Königs im Krieg mit den Babyloniern gegeben hatte. Doch die Haarpracht wurde danach gestohlen, und der Astronom Conon überzeugte die Königin, dass der Dieb Zeus persönlich gewesen sei, der ihre Locken nun an den Himmel versetzen wolle. So arm an hellen Sternen uns die Himmelsgegend rund um das Haar der Berenike vorkommt – für uns Astronomen ist sie eine der interessantesten Himmelsregionen überhaupt. Weitgehend unbehindert vom Staub unserer Milchstraße können wir in die Tiefe des Alls blicken und eine Unzahl winziger und nebelig erscheinender Lichtflecken entdecken – ferne Galaxien, viele Millionen Lichtjahre entfernte Geschwister unserer eigenen Milchstraße.

Hoch im Osten zeigen sich schon die Sommersternbilder: Das ausgedehnte Sternbild Herkules folgt dem Bärenhüter und die nördlichsten Sterne des Sommerdreiecks: Die helle Wega in der Leier und Deneb im Schwan steigen im Nordosten herauf. In der zweiten Nachthälfte ist bereits das vollständige Sommerdreieck zu sehen. Zwischen Arktur im Süden und der bläulich-weißen Wega im Osten stoßen wir auf den halbkreisförmigen Sternenbogen der Nördlichen Krone und Richtung Wega auf das trapezförmige Herzstück des Herkules.

Die hellen Mainächte enden mit dem Erscheinen des Morgensterns, des Planeten Venus. Er taucht allerdings erst in der Dämmerung im Osten auf und schafft es nicht, hoch genug aufzusteigen, bevor die Sonne aufgeht. Am besten gelingt es vielleicht noch am 25. oder 26. Mai, Venus zu finden, denn dann zeigt sich neben Venus die abnehmende Mondsichel.

Das für den 24. Mai vorhergesagte Feuerwerk von Sternschnuppen, verursacht durch den Kometen 209P/Linear, ist wohl nur in Nordamerika zu sehen, denn bei uns ist dann bereits heller Tag. Mehr Wünsche haben wir wohl bei anderen Sternschnuppen frei, die uns der Komet Halley alljährlich um den 6. Mai beschert. Die in unserer Erdatmosphäre verglühenden Staubteilchen hinterlassen Leuchtspuren, die oft einige Sekunden nachleuchten. Zwar bietet sich uns kein großes Feuerwerk. Aber mit etwa 20 Sternschnuppen pro Stunde kann man in den Morgenstunden vor Beginn der Dämmerung doch rechnen.

Diese Monatssternkarte ist auch erhältlich im Planetarium Hamburg oder kann im Internet zusammen mit dem dazugehörenden Sternen-Podcast heruntergeladen werden unter: www.abendblatt.de/sterne