Frühere Blüte, längere Sommer: Neue Internetplattform zeigt Daten zum Klimawandel

Hamburg. Gefühlt ist seit Wochen Frühling. Fulminante 20 Grad registrierten die Meteorologen schon am 9. März. So früh war es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch nie so warm in Hamburg. Auch die Natur ist längst aus dem Winterschlaf erwacht. Die Forsythien an den Landungsbrücken blühten gut zwei Wochen früher auf als im Schnitt der letzten knapp 50 Jahre. Das Frühjahr 2014 ist ein echter Frühstarter – und liegt damit im Trend: Norddeutschland hat sich innerhalb von 60 Jahren messbar erwärmt. Das ergeben Analysen zur Klimaerwärmung, die das Helmholtz-Zentrum in Geesthacht gemeinsam mit dem Deutschen Wetterdienst jetzt vorgelegt hat. „Zwischen 1951 und 2010 beträgt die Erwärmung im Jahresdurchschnitt etwa 1,2 Grad Celsius“, sagt die Leiterin des Norddeutschen Klimabüros am Helmholtz-Zentrum, Insa Meinke.

Erstmals belegten damit konkrete Messungen das Wissen um den Klimawandel im Norden. Die Forscher gehen aber noch einen Schritt weiter: Auf der Internetplattform Norddeutscher Klimamonitor (www.norddeutscher-klimamonitor.de) machen sie die Ergebnisse für alle zugänglich. Präsentiert werden Daten zu Temperatur, Niederschlag, Wind, Bewölkung oder Sonnenscheindauer in allen norddeutschen Bundesländern. „Man kann sehen, wie sich die Wetterfacetten in den vergangenen gut 50 Jahren entwickelt haben“, sagt Wolfgang Riecke, der das Klimabüro des Deutschen Wetterdienstes leitet. So dauert der Sommer in der Metropolregion Hamburg heute im Schnitt zwei Wochen länger als in den 1950er-Jahren. Es gibt 23 Frosttage weniger und fünf Tage mehr mit Starkregen (mindestens zehn Millimeter). Auch das Frostende hat sich verlagert und liegt durchschnittlich 13 Tage früher. Der Klimamonitor zeigt auch: Arkona auf Rügen ist der sonnigste Ort im Norden, während es auf dem Brocken am meisten regnet.

„Die Klimaerwärmung hat viele Facetten“, sagt Wissenschaftlerin Insa Meinke. „Während sich der Urlauber über zusätzliche Sommertage freut, denkt man in Städten über Hitzewarnsysteme, Notfallpläne für Krankenhäuser und Kaltluftschneisen in der Stadtplanung nach.“ In Hamburg etwa gibt es heute durchschnittlich vier Hitzetage mehr als noch Anfang der 1960er-Jahre.

Die Klimaveränderungen haben Folgen für Natur und Mensch. „Die durchschnittliche Obstblüte hat sich seit Mitte der 1970er-Jahre um 20 Tage nach vorn verlagert“, sagt Roland Weber von der Obstbauversuchsanstalt in Jork. Dadurch verstärke sich die Gefährdung durch Spätfröste; die Apfelbauern setzten deshalb verstärkt Frostschutzberegnung ein. Zugleich gibt es längere und wärmere Vegetationsperioden, die den Anbau anderer Sorten möglich machen. Allergiker müssen mit zusätzlichen Belastungen rechnen: Der Pollenflug beginne sehr viel zeitiger, sagt Insa Meinke. Bei der Haselnuss beispielsweise sind es drei Wochen früher als in den 1950er-Jahren.

Und der Trend wird sich fortsetzen. Im Norddeutschen Klimamonitor finden sich auch die Berechnungen bis zum Jahr 2100. In der Metropolregion Hamburg etwa prognostizieren die Wissenschaftler bei einer linearen Fortschreibung eine Zunahme der Sonnentage um 17 Tage. Ein Eisvergnügen auf der Alster dagegen wird immer unwahrscheinlicher: Die Zahl der Tage, an denen es friert, sinkt um 23,4 Tage.

„Wir erkennen, dass das Tempo der bisherigen Erwärmung der Temperaturentwicklung entspricht, die wir bis Ende des Jahrhunderts aufgrund unserer Treibhausgas-Emissionen im Norden zu erwarten haben“, sagte Insa Meinke. „Auf der anderen Seite müssen wir aber auch sehen, dass menschliche Treibhausgas-Emissionen nicht jede Entwicklung des komplexen Klimageschehens, wie zum Beispiel den Niederschlag, erklären können.“