In Asien sterben jährlich Millionen Menschen durch Luftverschmutzung. Peking ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern für Menschen fast unbewohnbar. Jährlich weltweit 3,5 Millionen Todesfälle.

Peking/Berlin. Die Skyline ist im Dunst kaum mehr zu erkennen, Passanten versuchen sich mit Atemmasken zu schützen: Peking ist mit seinem wiederkehrenden Smog zum Symbol für Luftverschmutzung geworden. Die chinesische Hauptstadt sei „für Menschen nahezu unbewohnbar“, urteilten Wissenschaftler des Landes in einer kürzlich veröffentlichten Studie.

„In Asien ist es allgemein schlimm mit dem Smog, aber China ist Weltmeister in der Hinsicht“, sagt Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Die chinesische Umweltbehörde teilte vor einigen Tagen mit, dass im vergangenen Jahr nur drei von 74 Großstädten des Landes den ohnehin schwachen staatlichen Standard für gute Luft eingehalten hätten.

In den vergangenen Wochen wurde etliche Male der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Grenzwert für Feinstaub bis zu zweieinhalb Mikrometern Partikelgröße (PM 2,5) überschritten. Als Tageswert sind maximal 25 Mikrogramm je Kubikmeter vorgegeben – in Peking lag die zehn- bis zwanzigfache Menge in der Luft.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in den 1990er-Jahren habe in China auch die Luftverschmutzung enorm zugenommen, sagt Lelieveld. Eine bedeutende Ursache ist die Verbrennung von Kohle: China ist der größte Kohleproduzent und -verbraucher weltweit. In den vergangenen zehn Jahren sei das Plus bei der Luftverschmutzung in dem Land zwar nicht mehr so extrem gewesen, sagt Lelieveld. „Aber einen Zuwachs gibt es immer noch.“ Verheerende Smogphasen seien im Norden Chinas wohl auf viele Jahre zu erwarten.

Von Smog, zusammengesetzt aus Smoke (Rauch) und Fog (Nebel), sprechen Fachleute dann, wenn die Luftschadstoffe über besiedelten Gebieten stark erhöhte Konzentrationen erreichen. Windstille begünstigt das Phänomen, ebenso eine ungünstige Lage in einem Talkessel. Sommersmog entsteht durch chemische Reaktionen bestimmter Schadstoffe unter Einwirkung von Licht und Wärme und enthält viel Ozon.

Wintersmog hingegen geht oft auf eine bestimmte Wetterlage zurück: Eine wärmere Luftschicht schiebt sich über kalte Bodenluft, es bildet sich eine Grenzschicht, die den Abzug der Schadstoffe verhindert. Solche Lagen häufen sich vor allem im Winter bei stabilem, windstillem Wetter. In China lag Ende Februar der gesamte Nordosten unter einer solchen Smogdecke, 400 Millionen Menschen waren betroffen.

„Die Faktoren sind von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich”, sagt Barbara Hoffmann vom Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf. Quelle der Emissionen könne die Industrie sein, der Verkehr, der sogenannte Hausbrand von Kochstellen und Heizungen, die Landwirtschaft oder – vor allem in Trockengebieten – auch aufgewirbelter Staub und Erdkrustenmaterial. „In vielen Ländern ist es schwierig, überhaupt an gesicherte Daten ranzukommen“, erklärt die Wissenschaftlerin. In großen Städten spiele nahezu immer der Verkehr eine Rolle.

In China seien die Fahrzeuge zwar modern, ihre Zahl sei aber binnen kürzester Zeit enorm gestiegen, und es gebe viele Staus, sagt Jos Lelieveld. In Indien seien im Jahr 2003 viele alte Lastwagen und Krafträder aus dem Verkehr gezogen worden. „Das hat ein bisschen was gebracht, inzwischen ist der Effekt aber verpufft.“ Neben dem Verkehr spielten Industrie, Hausbrennstoffe und Müllverbrennung eine große Rolle. Die Luftverschmutzung sei in Delhi und anderen indischen Metropolen genauso verheerend wie in China.

Drei Viertel der Luftverschmutzung weltweit gingen auf asiatische Länder wie China, Indien, Bangladesch und Indonesien zurück, sagt Lelieveld. Zwei Drittel der globalen Emissionen entstammen demnach urbanen Quellen – manche Megastädte produzieren mehr Abgase als Länder wie Portugal. Mit dem Wachstum der Millionenmetropolen seien sowohl mehr als auch heftigere Smog-Episoden zu erwarten.

Einem an seinem Institut mitentwickelten Modell zufolge verursacht die Luftverschmutzung jährlich weltweit 3,5 Millionen Todesfälle. „Mit 1,5 Millionen entfällt fast die Hälfte auf China.“ In Indien seien es derzeit jährlich 750.000 Tote durch Schlaganfall, Herzleiden oder chronische Lungenkrankheiten. „Jeder dieser Menschen verliert im Schnitt 20 Jahre seines Lebens.“

Solche Gesamtrechnungen seien allerdings mit hohen Unsicherheiten behaftet, sagt Barbara Hoffmann. „Es gibt von Jahr zu Jahr erhebliche Schwankungen, und insbesondere bei den Langzeitwirkungen müsste man eigentlich die gesamte Belastung von Kindheit an kennen.“ Besonders empfindlich reagierten unter anderem Asthmatiker, die bei hohen Smogwerten mehr Anfälle bekämen. Auch bei vorbelasteten Kindern mit Asthma sei das so. „Ob Kinder bei hoher Luftverschmutzung auch eher Asthma entwickeln, ist noch umstritten“, sagt die Umweltepidemiologin.

Die in Peking präsenten Atemmasken seien bei Smog kaum eine Hilfe, sagt der Biophysiker Wolfgang Kreyling, wissenschaftlicher Berater am Helmholtz Zentrum München. „Sie müssten sehr dicht an der Haut anliegen, damit nicht durch Ritzen doch Feinstaub einströmen kann.“ Gerade sehr kleine Partikel stünden im Verdacht, schädlich zu wirken. Ein klarer Langzeitnachweis fehle allerdings noch – ebenso wie für die möglichen Wechselwirkungen der vielen verschiedenen Gase und Substanzen im Smog.

Noch in den 1970ern erreichte die Luftbelastung in europäischen Ballungsräumen nach Angaben des Umweltbundesamtes durchaus ähnliche Niveaus wie nun in Asien. Inzwischen gibt es tagelangen dichten Smog in Mitteleuropa zwar nicht mehr – ein Thema ist die Luftverschmutzung aber weiter: Für Deutschland hat das Umweltbundesamt (UBA) 47.000 vorzeitige Todesfälle durch schlechte Luft allein im vergangenen Jahr errechnet. Mehr als die Hälfte der verkehrsnahen Stationen überschritten demnach den zulässigen EU-Grenzwert des Jahresmittelwertes von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft.

„Auch beim Feinstaub gab es anhaltende Grenzwertüberschreitungen“, berichtete das UBA im Februar. Der WHO-Leitwert bei Feinstaub bis zehn Mikrometer (PM 10) von 20 Mikrogramm je Kubikmeter im Jahresmittel sei an gut der Hälfte der Messstationen überschritten worden. Für den besonders gefährlichen Feinstaub PM 2,5 empfiehlt die WHO einen Grenzwert von zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel. In den USA liegt er bei zwölf Mikrogramm – in der Europäischen Union noch immer bei 25 Mikrogramm je Kubikmeter. „In Zeiten der Wirtschaftskrise sind die europäischen Länder nicht so erpicht darauf, die Luftqualitätsregelungen strenger zu machen, auch wenn es vom Gesundheitsaspekt her sinnvoll wäre“, sagt Hoffmann. „In den Innenstädten ist der Ruß der Dieselfahrzeuge immer noch ein großes Problem. Da bräuchten wir noch einen weiteren Grenzwert.” Kritisch zu sehen sei auch der Schadstoffausstoß der Schifffahrt, sagt Hoffmann.

Neu sei in Deutschland die Problematik der Kaminöfen, die mit steigenden Energiepreisen immer mehr Absatz fänden. In einigen Orten würden bei bestimmten Wetterlagen im Winter nun Grenzwerte überschritten. „Beim Betrieb eines Kaminofens kann man viele Fehler machen. Wir sind dabei, uns da ein neues Problem zu schaffen.“

Lelieveld hält einen weiteren Aspekt für unterschätzt: Ammoniak aus der Nutztierhaltung. Er werde bei der Düngung von Feldern freigesetzt und zähle mit Umwandlungsprodukten wie Ammonium zu den wichtigsten Luftschadstoffen.

Die Luft in Europa mag klarer sein – davon, sauber und gesund zu sein, ist aber auch sie noch weit entfernt.