Die Insekten übertragen Chikungunya-Erreger, der sich in vielen Regionen ausbreitet. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu großen Epidemien. Einen Impfstoff gibt es bislang nicht.

Berlin. Der tropische Regenwald ist voller Geheimnisse. Hier existieren aber auch viele Erreger von exotischen Krankheiten, die bisher in unseren Breitengraden kaum bekannt sind. Dazu gehört auch das Chikungunya-Fieber. Bislang kam die Virusinfektion ausschließlich in Afrika, Asien, auf dem indischen Subkontinent und auf einigen Inseln im Indischen Ozean und im Pazifik vor. Doch seit Ende vergangenen Jahres breitet sich die Infektion auch in der Karibik aus. Im Dezember 2013 wurde auf verschiedenen Karibikinseln, unter anderem auf Martinique, Guadeloupe, den Jungferninseln, Dominica, St. Martin und Saint-Barthélemy von Infektionen berichtet – die ersten bekannten Übertragungen in der Neuen Welt. Mittlerweile geht die Zahl der Infizierten in der Karibik in die Tausende.

Das Virus wurde erstmals 1953 in Tansania nachgewiesen

Übertragen wird das Fieber unter anderem von der winzigen Stechmücke Aedes albopictus. Die Asiatische Tigermücke ist nur fünf Millimeter groß, aber sie kann mit ihrem Stich selbst dicke Kleidung durchdringen: Dann saugt sie sich bei ihren Opfern mit Blut voll – und injiziert ihnen dabei das Virus. „Bei Chikungunya-Fieber handelt es um eine fieberhafte Erkrankung, für die starke Muskel- und Gelenkschmerzen charakteristisch sind“, sagt Susanne Glasmacher, Biologin und Sprecherin des Robert-Koch-Instituts in Berlin. „Nach einer Inkubationszeit von drei bis sieben Tagen kommt es zu schnell ansteigendem, hohem Fieber.“ Die Schmerzen in den Muskeln und Gelenken sind so stark, dass sich der Patient oft kaum noch aufrecht halten kann. Weitere Symptome sind Lymphknotenschwellungen, Hautrötungen, Kopfschmerzen, Schleimhautblutungen in Nase oder Mund sowie Magen- und Darmbeschwerden.

Erstmals wurde das Chikungunya-Virus 1953 in Tansania nachgewiesen. Seinen Namen verdankt das Fieber dem Bantu-Volk der Makonde, in dessen Sprache Chikungunya so viel bedeutet wie „gebeugter Mann“. Im Kongo nennen es die Einheimischen „buka-buka“, kaputt-kaputt. Von Tansania breitete sich das Virus in den vergangenen Jahrzehnten schubweise auf weite Teile Afrikas, Südostasiens und die Inseln im Indischen Ozean aus. In den vergangenen Jahren kam es dort immer wieder zu großen Epidemien, 2005 zum Beispiel auf La Réunion, Mauritius, den Seychellen und Madagaskar. 2006 erkrankten im Süden Indiens sogar mehr als eine Millionen Menschen.

Bereits in den 70er-Jahren unternahmen Wissenschaftler erste Versuche, einen Impfstoff zu finden. Im Jahr 2000 wurde vom Institut für Infektionskrankheiten der US Army im Rahmen der US-Biowaffenforschung der Lebendimpfstoff TSI-GSD 218 entwickelt. Doch weil das Risiko, chronisches Rheuma bei den Patienten zu verursachen, zu groß war, wurde die Arbeit daran wieder eingestellt. Zwar forschten seitdem immer wieder Wissenschaftler an einem Mittel. Bislang gibt es jedoch noch keinen wirksamen Schutz gegen die Krankheit. „Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis es einen zugelassenen Impfstoff geben wird, denn ein solcher muss viele Voraussetzungen erfüllen, sagt Susan Knoll vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) in Berlin. Idealerweise müsse der Impfstoff die drei bislang bekannten Varianten des Virus bekämpfen können. Weil das Fieber bislang vor allem in Entwicklungsländern auftritt, muss er zudem günstig in der Herstellung sein.

„Die Forschung an einem Impfstoff ist nicht nur zeitaufwendig, die Entwicklung muss sich auch für die Industrie lohnen“, sagt Jonas Schmidt-Chanasit, Arbeitsgruppenleiter für Arboviren am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Viren veränderten sich ständig. Träten Variationen eines Virus auf, dann sei die jahrelange Arbeit an einem Impfstoff schnell verloren. Dennoch könnte bald Bewegung in die Forschung kommen, glaubt Schmidt-Chanasit. In der Karibik ist die Zahl der Fälle begrenzt. Gelange das Virus aber zum Beispiel nach Brasilien, dann seien auf einen Schlag Millionen Menschen davon betroffen. „Dort gibt es auch eine große Industrie, die ein Interesse daran hat, einen Impfstoff zu finden“, sagt der Forscher. Allerdings arbeiten brasilianische Wissenschaftler bereits seit Jahren daran, einen Impfstoff gegen Dengue-Fieber zu finden – bislang ohne den großen Durchbruch.

Längst beschäftigt das Fieber nicht nur die Wissenschaft, sondern auch Ärzte in Deutschland. So wie den Münchner Tropenmediziner Nikolaus Frühwein. In seiner Praxis in der Münchner Innenstadt hat er bereits mehrere Fälle behandelt, die von Reisenden eingeschleppt wurden. „Chikungunya ist nicht so gefährlich wie Dengue-Fieber, aber extrem unangenehm, weil es so schmerzhaft ist“, sagt Frühwein. „Weil es noch keinen Impfstoff gibt, können wir die Krankheit derzeit nur symptomatisch durch die Gabe schmerzstillender und fiebersenkender Mittel behandeln.“

2007 gab es in Italien einen Ausbruch mit mehr als 200 Erkrankungen

Zwar gibt es auch eine hämorrhagische Form des Fiebers, bei der es beim Infizierten zu lebensbedrohlichen Blutungen kommen kann. „Todesfälle sind bei Chikungunya bislang jedoch sehr selten“, beruhigt Jonas Schmidt-Chanasit. Bei den meisten Patienten klinge die Krankheit nach ein bis zwei Wochen von selbst wieder ab und es blieben keine Schäden zurück. Fünf bis zehn Prozent der Infizierten aber leiden als Folge der Erkrankung monatelang, in seltenen Fällen sogar jahrelang unter Gelenkbeschwerden. Immerhin: Wer sich einmal mit Chikungunya-Fieber infiziert hat und die Krankheit überstanden hat, der ist ein Leben lang dagegen immun und steckt sich kein zweites Mal an.

Als Vorbeugung rät Tropenmediziner Frühwein Reisenden in die betroffenen Gebiete, Mückenstiche durch gegen Insekten imprägnierte Kleidung und Moskitonetze sowie durch den Einsatz von Repellents zu vermeiden.

Möglicherweise könnten sich schon bald auch Menschen hierzulande mit Chikungunya infizieren. In einigen Regionen in Italien, Frankreich, Spanien, Kroatien und Griechenland hat die Asiatische Tigermücke bereits eine neue Heimat gefunden. Im Herbst 2007 kam es in Italien in der Provinz Ravenna zu einem Ausbruch des Fiebers mit mehr als 200 registrierten Fällen.

Dass der Erreger den Weg über die Alpen schafft und sich auch hier ausbreitet, ist nur eine Frage der Zeit. 2007 wurden in Baden-Württemberg erstmals Eier einer Tigermücke entdeckt. 2011 und 2012 konnten in Baden-Württemberg und Bayern sogar lebende Exemplare gefangen werden, meist in der Nähe von Autobahnraststätten. Vermutlich wurden sie über den Warenverkehr als blinde Passagiere nach Deutschland importiert. Die Asiatische Tigermücke findet in Süddeutschland also schon jetzt ideale Brutbedingungen vor.