Aussehen der Toten aus Doppelgrab von Oberkassel rekonstruiert – ab September in Bonn zu sehen

Bonn. Die Arbeiter in dem Steinbruch wollten eigentlich Schutt wegschaffen, als sie auf fossile Knochen stießen. Ihr Fund am 12. Februar 1914 im heutigen Bonner Stadtteil Oberkassel erwies sich später als wissenschaftliche Sensation: Noch heute gelten die Skelette aus dem sogenannten Doppelgrab von Oberkassel mit einem vermuteten Alter von etwa 15.000 Jahren als die ältesten bekannten Überreste moderner Menschen in Deutschland.

Hundert Jahre nach der Entdeckung will das Landesmuseum in Bonn seinen Besuchern eine besondere Attraktion bieten: In einer Jubiläumsausstellung mit dem Schwerpunkt Eiszeitkunst wird das Haus ab September Gesichtsrekonstruktionen der beiden Menschen aus dem Doppelgrab zeigen. Die Modelle entstanden durch moderne Hilfsmittel der Gerichtsmedizin – unter anderem wurden die Knochen mit Computertomografen gescannt, um auf diese Weise einen dreidimensionalen Datensatz zu erhalten. „Die Gesichtsrekonstruktionen sind nahezu fertig“, sagt die stellvertretende Leiterin des Forschungsprojekts Oberkassel, Liane Giemsch.

Die fossilen Überreste stammen von einer Frau und einem Mann; außerdem fanden die Arbeiter die Skelettreste eines Hundes und drei Grabbeigaben: eine kleine Figur, die offenbar einen Elch darstellt, einen 20 Zentimeter langen Knochenstab mit einem Tierköpfchen und den Penisknochen eines Braunbären.

Seit etwa fünf Jahren untersucht ein Forscherteam die Überreste aus der Späteiszeit mit modernsten Methoden. „Das Alter der Frau wird auf Anfang 20 geschätzt, der Mann dürfte zwischen 40 und 45 Jahren alt gewesen sein“, sagt Liane Giemsch. Im Zuge ihrer Untersuchungen haben die Forscher unter anderem Neues über die Ernährungsgewohnheiten der beiden Urmenschen herausgefunden: Neben Fleisch haben diese demnach offenbar auch Fisch gegessen.

Durch genetische Untersuchungen fanden die Wissenschaftler zudem erste Antworten auf die Frage, ob die beiden Toten Verwandte waren. „Wir wissen, dass beide nicht so eng miteinander verwandt waren, wie Geschwister es sind“, berichtet Giemsch. „Aber wir können derzeit nicht ausschließen, dass es sich um Vater und Tochter gehandelt haben könnte.“

Auch die Skelettreste des mit den beiden Menschen bestatteten Hundes verhalfen Forschern zu neuen Erkenntnissen – immerhin zählt das Hundeskelett zu den fünf ältesten Überresten prähistorischer Hunde, die bisher entdeckt wurden. So fand etwa im vergangenen Jahr ein internationales Forscherteam durch eine Serie von Erbgutanalysen (darunter die DNA-Sequenz des Hundes von Oberkassel) heraus, dass Hunde offenbar in Europa zu Begleitern des Menschen wurden.