Forscher fordern, Einflüsse der Evolution stärker zu berücksichtigen. Um in einer neuen Umgebung zu überleben, können sich Tiere und Pflanzen akklimatisieren oder anpassen.

Kiel. Die Frage, ob sich Meeresbewohner an die Versauerung und Erwärmung der Ozeane anpassen können, hat entscheidenden Einfluss auf die Zukunft der Meere und muss stärker bei Prognosen berücksichtigt werden. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlern aus Kanada, Australien, den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Schweden und Deutschland, an der das Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel beteiligt war.

Veränderte Lebensbedingungen, etwa durch die Aufnahme von menschengemachtem Kohlendioxid aus der Atmosphäre und der damit verbundenen Versauerung des Wassers gelten als ernsthafte Bedrohung für viele Meeresbewohner. Doch diese sind der Entwicklung nicht hilflos ausgeliefert. Um in einer neuen Umgebung zu überleben, können sich Tiere und Pflanzen akklimatisieren oder anpassen. Akklimatisierung bezeichnet Veränderungen etwa bei den Körperfunktionen oder im Verhalten, die nicht ins Erbgut eingehen. „Anpassung“ umfasst vererbbare genetische Modifikationen.

In Experimenten setzen Wissenschaftler neuerdings Organismen über mehrere Generationen hinweg Bedingungen aus, die für die Zukunft erwartet werden. So können sie mit Arten, die sich schnell vermehren (Beispiel: einzellige Algen) testen, ob evolutionäre Reaktionen stattfinden. Auf diese Weise zeigte sich bereits, dass kalkbildende Algen, deren Wachstum zunächst unter Ozeanversauerung leidet, ihre Funktionen via Evolution teilweise wiederherstellen können.

„Die Versauerung wird Meeresökosysteme definitiv verändern. Um die Entwicklung besser einschätzen zu können, müssen wir verstehen, wie sich Populationen im Laufe der Zeit an den Wandel anpassen“, erklärt Prof. Thorsten Reusch, Evolutionsbiologe am Geomar. Dieser Aspekt sei in der Erforschung des Wandels lange vernachlässigt worden.