Der Energiekonzern Statoil will von 2020 an Erdgas und Öl in der arktischen See fördern – mit Produktionsanlagen, die Tausende Meter unter der Oberfläche stehen

Houston. Fabriken, die Tausende Meter unter dem Meer Rohstoffe fördern, das klingt nach Science-Fiction. Der norwegische Energiekonzern Statoil plant aber genau das: eine Produktionsanlage auf dem Grund der Tiefsee, die von 2020 an Erdgas und Öl aus Quellen im arktischen Meer fördern soll. Pläne für die weltweit erste autarke Unterwasserfabrik hat der Konzern jetzt auf einer Fachkonferenz in Houston (Texas) vorgestellt.

In gut 3000 Meter Tiefe pumpen Förderanlagen Öl oder Gas aus den Quellen und verdichten es für den Transport an die Oberfläche. Per Pipeline werden die Rohstoffe dann an Land gebracht. Stromversorgungseinheiten, Transformatoren, Frequenzumrichter und Schaltanlagen stehen ebenfalls in der Tiefe. Die Fabrik ist mit einer Pipeline und einem Strom- und Datenkabel mit der Oberfläche verbunden. Ferngesteuerte Tauchfahrzeuge installieren Bau- und Maschinenteile der Unterwasseranlage und halten sie instand.

„Es ist die einzige Möglichkeit, Zugang zu neuen Feldern zu erhalten“, sagt Margareth Øvrum, Vorstand für Technologie und neue Energien bei Statoil. In der rauen Umgebung der arktischen See wären klassische Bohrinseln zu riskant. Stürme und Eisberge sind eine kaum zu kalkulierende Gefahr. Deshalb werden sämtliche Förder- und Produktionsanlagen auf den Meeresgrund verlegt. Dort entstehen fußballfeldgroße Maschinenparks. Weil kein Mensch in die eisige Finsternis vordringen kann, muss der Betrieb vollautomatisch ablaufen. Eine gewaltige technische Herausforderung, die Experten mit dem Vorstoß des Menschen in den Weltraum vergleichen. Das weiß auch die Managerin. „Wir werden schrittweise vorgehen“, sagt sie.

Die Erprobungsphase für das Pionierprojekt läuft bereits. Kritisch ist vor allem die Versorgung mit Elektrizität in der Tiefsee. Die Komponenten müssen über viele Jahre sicher und zuverlässig hohem Wasserdruck standhalten. Derzeit laufen Tests in einem Forschungslabor im norwegischen Trondheim. Dort unterhält der deutsche Technologiekonzern Siemens Tiefseekammern, in denen die extremen Verhältnisse simuliert werden. Dort müssen die Anlagenteile monatelang bis zu 460 Bar standhalten, das entspricht dem Druck in 4600 Meter Wassertiefe. Die Bauteile werden in ölgefüllten Rohren in den Druckbehälter eingebracht. Denn auch später entstehende komplette Anlagen werden mit Öl gefüllt. Das Öl gleicht den hohen Druck aus und hat bessere Eigenschaften für Kühlung und elektrische Isolierung. Spezielle Tests simulieren das Altern der Bauteile, die 20 Jahre und länger halten müssen.

Einen ersten Tiefseetransformator hat Siemens in Trondheim bereits montiert. Bis Jahresende soll der Bau einer tiefseetauglichen Schaltanlage abgeschlossen und Ende 2014 ein Frequenzumrichter fertig sein. Allein dieses Bauteil wird rund 100 Tonnen wiegen. Mit einem vormontierten System aus Pumpen und Gasverdichtern wird es mit Spezialschiffen ins arktische Meer transportiert und dann auf den Meeresgrund montiert. Andere Energiegiganten, darunter BP, Exxon, Shell und Total haben ebenfalls Pläne für Produktionsanlagen unter dem Meer ausgearbeitet. Auch Japan will bislang unerreichbare Energieschätze vor seiner Küste heben. Nach neuen Schätzungen lagert in japanischen Gewässern genügend Gashydrat, um das Land 100 Jahre mit Erdgas zu versorgen. Allerdings kommt der Energieträger nur in großen Meerestiefen vor. Um das fragile, leicht entzündliche Gas-Eis-Gemisch fördern zu können, hat die Japan Oil, Gas and Metals National Corporation mit der Erprobung neuer Techniken begonnen. Sie will 2019 mit dem Abbau unter Wasser beginnen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sich die Tiefseeförderung von Erdöl und Erdgas bis 2035 verdoppeln wird.