Bei vielen Kindern werden Fehlsichtigkeiten nicht erkannt. Untersuchungen an Hamburger Schulen sollen auf Probleme hinweisen.

Hamburg. An der Katharinenschule in der HafenCity mussten viele Schüler dem Unterricht am Mittwoch zeitweise fernbleiben. Allerdings nicht, weil ein Lehrer sie rausgeworfen hätte – vielmehr sollte die „Pause“ ihrer Gesundheit dienen. Und so ließen sich die meisten der 275 Grundschüler am Morgen in die Augen schauen, mit dem Einverständnis ihrer Eltern.

Die Messungen gehören zur großen Sehtestaktion von Optiker Bode und dem Hamburger Abendblatt, die in dieser Woche an fünf Hamburger Grundschulen durchgeführt wird. Für die Teilnahme an den kostenlosen Tests mussten sich die Schulen bewerben. Unter dem Motto „Für Kinder mit mehr Durchblick“ geht es darum, eine nicht ausreichende oder nicht ausreichend behandelte Sehschwäche zu erkennen – und den Eltern zu empfehlen, diese bei einem Augenarzt untersuchen zu lassen.

Die Tests bei bisher 475 Kindern der Klassen eins bis vier, die als nicht repräsentativ für Kinder in diesem Alter gelten können, ergaben erhebliche Unterschiede: In der dritten Klasse einer Schule etwa erhielten 22 Prozent der Kinder von den Augenoptikern die Empfehlung, sich beim Augenarzt untersuchen zu lassen; in der vierten Klasse einer anderen Schule empfahlen die Optiker dies 77 Prozent der Kinder.

Vorgeschrieben sind Untersuchungen durch einen Augenarzt nicht. Es gibt nur eine Art Minimalempfehlung des Berufsverbandes der Augenärzte (BVA) und der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), nämlich, dass Kinderärzte bei der Vorsorgeuntersuchung U7 (21. bis 24. Lebensmonat) auch das Sehvermögen testen sollten. Für ältere Kinder gibt es solche offiziellen Empfehlungen nicht. Studien zufolge blieben bei mindestens einem Viertel der Kleinkinder Sehfehler unerkannt, schreibt die DOG.

Infolge dessen könne eine bleibende Sehschwäche entstehen, sagt Dr. Georg Eckert, Sprecher des BVA. Wenn etwa ein Dreijähriger mit einem Auge deutlich schlechter sehe und dies nicht behandelt werde, sei dies in etwa so, als werde ein noch wachsendes Bein mehrere Jahre lang in einen Gips gelegt. „Es wird sich später wohl nicht mehr optimal bewegen lassen.“ Bei einer Behandlung in der Zeit zwischen dem 24. und 36. Lebensmonat ließen sich Sehschwächen meist noch rückgängig machen. So würde man in dem geschilderten Fall das „starke“ Auge des Kindes eine Zeit lang für einige Stunden pro Tag abdecken, um das schwächere Auge zu trainieren. In der restlichen Zeit würde das Kind dann eine Brille tragen, bei der ein Glas die Sehschwäche korrigiere.

Allerdings könnten nur Augenärzte Sehschwächen bei Kleinkindern eindeutig feststellen, etwa mit der Cycloplegie, einer Untersuchung, bei der durch spezielle Augentropfen das Scharfstellen der Augenlinse zeitweise verhindert wird. Einfache Sehtests reichten in der Regel nicht aus, um zu überprüfen, ob das Kind eine Brille benötige, sagt Eckert. Latentes Schielen lasse sich mit einer Skiaskopie erkennen. Bei dieser Untersuchung schicke der Arzt einen Lichtstrahl durch die Pupille, der Hinweise auf mögliche Brechungsfehler liefere. Die Untersuchung von Netzhaut und Sehnerv schließlich zeige, ob krankhafte Veränderungen vorliegen. Eine Untersuchung beim Augenarzt zwischen dem 24. und 36. Lebensmonat erhöhe die Wahrscheinlichkeit, dass Sehprobleme entdeckt würden.

Bei Kindern im Grundschulalter ließen sich Sehschwächen zwar in der Regel nicht mehr rückgängig machen. Trotzdem sei es natürlich gut, wenn Probleme in diesem Alter und damit immer noch recht früh entdeckt würden, sagt Eckert. Denn eine Brille verhindere dann, dass die geistige Entwicklung des Kindes beeinträchtigt werde, etwa, weil es Bücher und Schrift an der Tafel schlechter lesen könne und die Konzentration schwerer falle. Habe das Kind hingegen im wahrsten Wortsinn keinen Durchblick mehr, werde es frustriert und verliere womöglich auch sozial den Anschluss, sagt Eckert.

Auf eine unerkannte Sehschwäche hindeuten könnten etwa häufiges Blinzeln, Augen- und Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit, Gleichgewichtsprobleme, Lesen mit geringem Abstand zum Buch und Schwierigkeiten, etwas mit den Augen zu fixieren. Hinweise liefern könne auch ein einfacher Test, sagt Georg Eckert: „Wenn das Kind aufgefordert wird, für einige Minuten ein Auge zuzuhalten und es dann quengelt, deutet das darauf hin, dass etwas nicht stimmt. Dann sollte man zu einem Augenarzt gehen.“

Allerdings sei nicht bei jeder Sehschwäche eine Brille nötig, sagt Eckert: „Bei einer leichten Weitsichtigkeit etwa kann der Augenmuskel bei Kindern die Sehschwäche unter Umständen ausgleichen – vorausgesetzt, dass beide Augen die gleiche Sehstärke haben.“