In Nordrhein-Westfalen sollen Dutzende Tiere verendet sein

Aachen/Düsseldorf. Eine für Pferde tödlich verlaufende Muskelkrankheit verbreitet bei Tierfreunden zunehmend Sorge. Betroffen sind Tiere, die auf der Weide gehalten werden und plötzlich mit Vergiftungserscheinungen verenden. In Nordrhein-Westfalen wurden solche Fälle zuletzt etwa aus dem Raum Aachen bekannt. Auch Pferde in der belgischen Provinz Lüttich und aus einem Gestüt in Hürtgenwald im Kreis Düren sollen der mysteriösen Krankheit zum Opfer gefallen sein.

Der Name der Krankheit lautet „atypische Weidemyopathie“ – wobei der Begriff Myopathie für Muskelerkrankung steht. Tiermediziner gehen mittlerweile davon aus, dass das pflanzliche Gift Hypoglycin A die Ursache der Erkrankungen ist. Hypoglycin A ist unter anderem in den Samen des Berg-Ahorn enthalten. Das würde erklären, weshalb nur Weidetiere betroffen sind – und das vor allem im Herbst, wenn die Samen zu Boden fallen.

„Eine Vergiftung beginnt meist mit Schwitzen, Koordinationsstörungen, Koliken und Muskelzittern“, erklärt der Tierarzt Johannes Hörmeyer vom Veterinäramt der Städteregion Aachen. Er empfiehlt Pferdebesitzern, zu überprüfen, ob Ahornbäume auf der Weide und in deren Umgebung stehen.

Die Expertin Jessika Cavalleri von der Klinik für Pferde der Tierärztlichen Hochschule Hannover sagt: „Es handelt sich um eine sehr gefährliche Erkrankung, die meistens tödlich verläuft.“ Sie trete offensichtlich in Wellenbewegungen auf – in den Jahren 2005 und 2009 seien besonders viele Fälle bekannt geworden. Möglicherweise liege das an den Wetterbedingungen in den jeweiligen Jahre oder an schwankenden Toxinbelastungen der Bäume, vermutet Cavalleri.

Laut Medienberichten sind in den vergangenen Wochen allein in Nordrhein-Westfalen Dutzende Pferde an der atypischen Weidemyopathie verendet sein. Die Fachtierärztin für Pferde Prof. Heidrun Gehlen von der Freien Universität Berlin spricht von einer regional auffälligen Häufung in Nordrhein-Westfalen. Aber weil die Krankheit nicht meldepflichtig ist, können weder Wissenschaftler noch Behörden wie das Landesumweltamt genaue Zahlen nennen. Und wenn über steigende Fallzahlen berichtet wird, kann das auch daran liegen, dass die atypische Weidemyopathie mittlerweile eher erkannt wird als noch vor einigen Jahren.

Die Universität im belgischen Lüttich, die mit der Forscherin Dominique Votion zu den führenden Einrichtungen bei diesem Thema gehört, hat bis Mitte November zwölf Fälle in Deutschland registriert. Vermutlich gebe es aber viel mehr, bisher nicht gemeldete Fälle, sagen die Pferdeexpertin Cavalleri und ihre Kollegin Katja Roscher, Tierärztin an der Klinik für Pferde der Universität Gießen. Sie kann Pferdehalter nur in einem Punkt beruhigen: „Es gibt zumindest keinerlei Hinweise darauf, dass die Erkrankung auf andere Pferde übertragen werden kann.“