Zur Uno-Konferenz in Polen legen Wissenschaftler Studien vor, die den ungebrochenen Trend zu mehr Treibhausgasen verdeutlichen

Hamburg. Am heutigen Montag beginnt der 19. Klimagipfel der Vereinten Nationen. Vertreter der 195 Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention versammeln sich in Warschau mit der Aufgabe, den Weg für ein neues globales Abkommen zu ebnen, der in zwei Jahren beschlossen werden soll. Zwei große Institutionen legten zum Konferenzstart Berichte vor, die die Delegierten aufrütteln sollen: Die Dachorganisation der nationalen Wetterdienste (World Meteorological Organization, WMO) meldete neue Rekordwerte der drei wichtigsten Treibhausgase in der Atmosphäre, und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (Unep) wies darauf hin, dass nach derzeitigem Trend im Jahr 2020 weltweit rund 15 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) zu viel ausgestoßen werden, um die globale Erwärmung auf die international anvisierten zwei Grad zu begrenzen.

Im Jahr 2010 (jüngste verfügbare Zahl) lag der globale Ausstoß von Treibhausgasen (alle umgerechnet auf das wichtigste Gas CO2) bei 50 Milliarden Tonnen (Gigatonnen, Gt). Hielte dieser Trend an, so würden die Emissionen bis zum Jahr 2020 auf 59 Gt CO2 anwachsen und das Ziel von 44 Gt weit verfehlen. Selbst wenn alle Reduktionsziele, zu denen sich viele Nationen im Klimaprozess freiwillig verpflichtet haben, eingehalten werden, bliebe eine „Emissionslücke“ von acht bis zwölf Gt CO2, rechnet der Unep-Bericht vor. Wenn diese Lücke nicht bald geschlossen oder zumindest verkleinert werde, so werde es immer schwieriger und kostspieliger werden, das Zwei-Grad-Ziel doch noch zu erreichen, heißt es in der Studie.

44 Forschergruppen aus 17 Ländern haben am Unep-Bericht mitgearbeitet, darunter Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Sie hatten bereits im September Berechnungen präsentiert, nach denen eine verzögerte Klimapolitik die kurzfristigen Kosten zur Senkung des Treibhausgasausstoßes verdreifachen könnte: „Wenn erst nach 2030 gehandelt wird, könnte das globale Wirtschaftswachstum sich im ersten Jahrzehnt nach Einführung einer umfassenden Klimapolitik bis zu sieben Prozent verringern – verglichen mit zwei Prozent, falls eine Klimavereinbarung bereits 2015 getroffen wird.“ Viele Beobachter erwarten jedoch von der Warschauer Konferenz keine großen Fortschritte, auch weil das Gastgeberland Polen nach wie vor massiv auf Kohle setzt. Ungeachtet dessen betont der Unep-Bericht, dass es noch möglich ist, die Emissionslücke (eigentlich Emissions-Vermeidungs-Lücke) zu füllen, und baut eine Brücke über die Lücke. Diese steht auf mehreren Pfeilern. Zu ihnen gehören verstärkte internationale Kooperationen zum effizienteren Energieeinsatz, zur Nutzung von erneuerbaren Energien und der Kürzung von Subventionen für fossile Energieträger (Kohle, Öl, Gas) sowie klimaschonende Methoden in der Landwirtschaft.

In vielen Ländern gebe es bereits wegweisende Strategien, die anderen als Beispiele dienen könnten, betont der Unep-Bericht. Etwa für mehr Energieeffizienz von Gebäuden: Baugesetze können höhere Standards vorschreiben und den Verkauf von Bauteilen oder -stoffen verbieten, die einen vorgegebenen Mindestwert an Energieeffizienz nicht erreichen (in Deutschland ist beides teilweise eingeführt). In der Landwirtschaft könnten Verfahren gefördert werden, die nicht in die Bodenstruktur eingreifen, etwa Einsaat unterhalb der Mulchschicht aus Pflanzenresten der vorherigen Kultur. Durch den Verzicht auf eine tiefgründige Bearbeitung entweicht weniger CO2 aus den Böden, und es fallen keine Emission durch Landmaschinen an.

Wenn alle Einsparpotenziale genutzt würden, so könnte nach Berechnungen der Unep der globale Treibhausgasausstoß bis 2020 um 14 bis 20 Gt sinken. Doch davon ist die Weltgemeinschaft noch weit entfernt. Allein der Energiesektor stößt derzeit rund 32 Gt CO2 aus, wobei mehr als neun Gt aus chinesischen Schloten und Auspufftöpfen strömen. Das Kohlendioxid trägt nach Angaben der WMO mit 64 Prozent zum vom Menschen verursachten (anthropogenen) Treibhauseffekt bei, gefolgt von Methan (18 Prozent) und Lachgas (sechs Prozent). Die fehlenden 18 Prozent gehen auf das Konto weiterer Klimagase, etwa der Chemikalie Schwefelhexafluorid und der als Ozonkiller bekannten Gruppe der FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe). Für die drei wichtigsten Treibhausgase meldete die WMO jetzt neue Rekordgehalte der Atmosphäre: Im Jahresdurchschnitt 2012 betrug die CO2-Konzentration 393 ppm (parts per million, also 393 CO2-Moleküle auf eine Million Luftteilchen). Damit stieg sie auf 141 Prozent des (geschätzten) vorindustriellen Niveaus. Noch größer ist der Anstieg beim Methan; sein Gehalt ist heute 2,6-mal höher als zu vorindustrieller Zeit anno 1750. Beim Lachgas lag der Zuwachs bei 120 Prozent. Insgesamt verstärkte sich der anthropogene Treibhauseffekt seit 1990 um 32 Prozent, so das WMO-Bulletin.

In Warschau nimmt die Weltgemeinschaft nun einen neuen Anlauf, um dem Ziel einer Trendwende im globalen Treibhausgasausstoß einen Schritt näher zu kommen. Die Umwelt- und Entwicklungsverbände Brot für die Welt, Germanwatch, Greenpeace, BUND und WWF forderten die deutschen Vertreter auf, sich in Polen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass das bestehende Reduktionsziel von minus 20 Prozent bis 2020 auf minus 30 Prozent erhöht wird. Das widerspricht der Position des Gastgeberlandes. Der polnische Umweltminister Marcin Korolec hat bereits angekündigt, seinen Einfluss als Konferenzpräsident nutzen zu wollen, um die Verpflichtung zu höheren Reduktionszielen zu verhindern.