Krankenkassen drücken die Preise im Schnitt um 29 Prozent. Dennoch sind die neuen Medikamente immer noch deutlich teurer als herkömmliche Mittel

Berlin. Die neue Preisbremse für patentgeschützte Arzneimittel wirkt: Seitdem die Pharmahersteller die Preise von neuen Medikamenten nicht mehr selbst festlegen können, sondern mit den Krankenkassen aushandeln müssen, mussten sie Abschläge im Schnitt von 29 Prozent hinnehmen. Die Spannbreite der Preissenkungen gegenüber dem ursprünglichen Listenpreis reicht dabei von 13 bis 67 Prozent. Die neuen Medikamente sind aber auch nach der Preissenkung immer noch deutlich teurer als die herkömmlichen Arzneimittel: Im Mittel liegen sie um 92 Prozent über der Vergleichstherapie. Das zeigt eine Studie aus Fachkreisen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte vor zwei Jahren mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eine Preisbremse für patentgeschützte Medikamente eingeführt. Seitdem können Pharmahersteller den Preis für ein neues Medikament nur noch im ersten Jahr selbst bestimmen. Endgültig festgesetzt wird er nach einer Bewertung des Zusatznutzens dann in Verhandlungen mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nur dieser Erstattungsbetrag wird dann von den Kassen bezahlt. Mit der Neuregelung sollen sogenannte Scheininnovationen herausgefiltert werden. Dabei handelt es sich um Medikamente, die zwar neu sind, aber dem Patienten nicht mehr bringen als herkömmliche Medikamente oder Therapien. Der Zusatznutzen wird wissenschaftlich bewertet. Wesentliche Kriterien sind dabei die Verkürzung der Krankheitsdauer, die Verlängerung des Überlebens, die Verringerung von Nebenwirkungen oder eine Verbesserung der Lebensqualität.

Bis Mitte Oktober wurden 57 Medikamente durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen bewertet, bei 24 sind die Verhandlungen abgeschlossen, bei weiteren 27 steht das Ergebnis noch aus. In vier Verhandlungen konnte keine einvernehmliche Lösung gefunden werden. In diesen Fällen hat eine Schiedsstelle vermittelt. Zwei weitere Medikamente, bei denen kein Zusatznutzen festgestellt werden konnte, wurden direkt in die Preisgruppe vergleichbarer Medikamente einsortiert.

Vier Hersteller entschieden sich zum „Opt-out“ . Das heißt, sie nahmen keine Preisverhandlungen auf und zogen ihre Medikamente vom deutschen Markt zurück, nachdem sie den Zusatznutzen nicht belegen konnten. Dabei spielt auch die Sorge eine Rolle, ein niedriger Erstattungspreis in Deutschland könne auch zu Einbußen im Ausland führen. Viele Länder sehen Deutschland bei der Preisfestsetzung als Referenzmarkt. Sinken hierzulande die Preise, zieht das Ausland nach.

Wie hoch der ausgehandelte Rabatt ausfällt, daraus machen die meisten Unternehmen ein großes Geheimnis. Nach Angaben der GKV stimmte nur ein Hersteller zu, den neuen Preis zu veröffentlichen. Dabei kennen alle rund 21.000 Apotheken die Erstattungsbeträge. In einem kostenpflichtigen Informationssystem der Apothekerverbände und der Pharmaindustrie können zudem Fachkreise die Daten abrufen - eine allgemein zugängliche Quelle gibt es jedoch nicht.

Die höchsten Abschläge handelten die Kassen bei Medikamenten aus, für die kein Zusatznutzen festgestellt worden war. Der Gesetzgeber schreibt in diesem Fall vor, dass die Behandlung mit dem neuen Medikament nicht teurer sein darf als die Vergleichstherapie. Den höchsten Abschlag von 62 Prozent zum Ursprungspreis verzeichnet ein Medikament zur Verbesserung der Gehfähigkeit von Multiple-Sklerose-Kranken. Die alternative Therapie ist in diesem Fall kein Arzneimittel, sondern Krankengymnastik. Die niedrigsten Abschläge wurden bei HIV-Medikamenten und Krebsmitteln ausgehandelt. Sie lagen lediglich bei 18 bis 20 Prozent und damit nur geringfügig über dem gesetzlichen Rabatt von 16 Prozent. In einem Fall akzeptierte der GKV-Spitzenverband sogar den vorgeschlagenen Netto-Preis des Unternehmens.

Der GBA kann den Zusatznutzen unterschiedlich hoch bewerten: mit gering, beträchtlich oder erheblich. Die Kategorisierung spielt bei der Höhe des Rabattes aber nicht die ausschlaggebende Rolle. Es gibt Wirkstoffe, die einen beträchtlichen Zusatznutzen aufweisen, aber dennoch höhere Preisabschläge hinnehmen mussten, als Medikamente mit einem geringen Zusatznutzen.

In den Verhandlungen wird nicht nur der Ausmaß des Zusatznutzens berücksichtigt, sondern auch die Kosten der Vergleichstherapie und die Zahl der Patienten, die für das Medikament in Frage kommen. Ein weiteres Kriterium sind die Preise, die im Ausland für das Medikament gezahlt werden. Keine Rolle spielen die Kosten, die das Pharmaunternehmen in die Forschung und die Entwicklung des neuen Medikaments gesteckt hat.