Der Medizin-Nobelpreis geht an drei Forscher in den USA. Sie haben entdeckt, wie die Bausteine unseres Körpers ihren Stofftransport steuern.

Stockholm/Hamburg. Der Hamburger Hafen würde in einem großen Chaos versinken, wenn nicht ein ausgefeiltes System dafür sorgen würde, dass die richtige Ladung zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. So ähnlich verhält es sich in der menschlichen Zelle. Was für den Hafen die Lastfahrzeuge sind, sind für die Zelle sogenannte Vesikel, winzige Bläschen, die Substanzen hin und her transportieren, aus der Zelle heraus oder in sie hinein. Auch im Mikrokosmos der Zelle herrscht ein reger Transportverkehr, der reguliert werden muss, weil es sonst zu schweren Krankheiten kommen würde. Für die Entdeckung, wie die Arbeit der Vesikel gesteuert wird, erhalten drei Wissenschaftler in den USA den diesjährigen Nobelpreis für Medizin und Physiologie. Das teilte das Karolinska Institut am Montag in Stockholm mit. Die feierliche Preisverleihung findet am 10. Dezember in Stockholm statt.

Die mit acht Millionen schwedischen Kronen (925.000 Euro) dotierte Auszeichnung geht zu gleichen Teilen an den gebürtigen Deutschen Thomas Südhof, 57, und die US-Amerikaner Randy W. Schekman, 64, und James E. Rothman, 62.

Der Biochemiker Thomas Südhof stammt aus Göttingen und ging nach seinem Studium in die USA. Heute arbeitet er als Professor für Zellphysiologie an der Stanford Universität. Als er den Anruf des Nobel-Komitees erhielt, verschlug es ihm fast die Sprache. Seine ersten Worte: „Ist das ihr Ernst?“ Pause, und dann: „Oh, mein Gott.“ Als er den Hörer abnahm, vermutete er eigentlich den Rückruf eines Freundes, den er zur Hilfe gerufen hatte. Denn zu der Zeit befand er sich gerade auf dem Weg zu einer Fachkonferenz in Südspanien und hatte sich „in der Mitte Spaniens ein wenig verfahren“.

Bei seinen Forschungen untersuchte Südhof, wie die Kommunikation der Nervenzellen untereinander funktioniert. Dafür sind die sogenannten Neurotransmitter notwendig, Botenstoffe, die in kleinen Bläschen, den Vesikeln, aus der Nervenzelle freigesetzt werden. Südhof fand in seinen Forschungen heraus, wie durch Signale zwischen den Zellen der richtige Zeitpunkt festgelegt wird. Dahinter steckt eine Maschinerie, die auf den Einfluss von Calcium-Ionen reagiert und benachbarte Eiweiße so steuert, dass sie schnell Vesikel an die Außenmembran der Nervenzellen bindet, aus denen dann die Botenstoffe freigesetzt werden. Südhofs Entdeckungen erklären, wie die Zellen exakt den richtigen Zeitpunkt finden und die Vesikel sozusagen auf Kommando ihre Botenstoffe freisetzen.

Der Zellbiologe Prof. Randy W. Schekman arbeitet an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Vom Medizin-Nobelpreis ist er völlig überrascht worden. „Ich war gerade aus Deutschland zurückgekommen und hatte meiner Frau stolz die Warburg-Medaille gezeigt, die ich gerade in Frankfurt bekommen hatte“, sagte Schekman. Trotz des Nobelpreises will er weiterarbeiten wie zuvor. „Ich konnte gestern noch gut in meinem Büro arbeiten und ich kann es morgen hoffentlich auch noch. Die Arbeit macht uns allen enorm Spaß und ich möchte keine Sekunde im Labor missen.“ Allerdings werde dieser Montag „wissenschaftlich vielleicht nicht ganz effizient“: „Ich habe meinen Labormanager angewiesen, ein paar Flaschen Champagner zu kaufen“, sagte der Wissenschaftler.

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