An Tropenkrankheiten leiden bisher hauptsächlich Menschen in Asien, Afrika und Südamerika. Hamburger Forscher fürchten Epidemien auch in Deutschland

Hamburg. Afrika. Viele unterschiedliche Assoziationen sind mit dem sogenannten schwarzen Kontinent verbunden: Wiege der Menschheit, Heimat endloser Tierwanderungen, Ziel von Safari-Urlauben aus aller Welt. Auf der anderen Seite stehen Dürre- und Hungerkatastrophen, Militärdiktaturen und Korruption, die Beschneidung von Mädchen. Nicht zu vergessen die tropischen Krankheiten, allen voran Malaria, Dengue-, Lassa- und Ebolafieber. In Hamburg forscht hierzu das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) an Überträgern wie Mücken oder Zecken und möglichen Impfungen und Behandlungsformen. Eine besondere Kooperation soll jetzt die Arbeit speziell vor Ort in Afrika unterstützen (siehe Beistück). Im Interview erklärt Prof. Rolf Horstmann, Mediziner und Vorstandsvorsitzender des BNI, die aktuellen Forschungsschwerpunkte.

Hamburger Abendblatt:

Steigende Temperaturen lassen exotische Mückenarten nach Deutschland kommen, die Überträger von tropischen Krankheiten sein können. Müssen wir in Deutschland bald Malaria und Denguefieber fürchten?

Prof. Rolf Horstmann:

Ja, die Gefahr besteht durchaus. In den 30 Jahren, in denen ich mit Tropenmedizin befasst bin, ist es das erste Mal, dass wir nicht nur durch einzelne Menschen importierte Krankheiten fürchten müssen. Sondern eine importierte Epidemie. Das ist, zumindest für die heutigen Generationen, neu. Historisch betrachtet darf man allerdings nicht vergessen, dass es noch vor rund einhundert Jahren zum Beispiel Gelbfieber in Spanien gab. Und Malaria bei uns.

Hat sich Ihre Arbeit durch diesen Trend verändert?

Horstmann:

Wir hatten immer schon zwei Schwerpunkte. Zum einen die Bekämpfung der Erkrankungen vor Ort in den Tropen. Und zum anderen eine Leibwächterfunktion, also das Bemühen, Deutschland vor tropischen Erkrankungen zu schützen. Dieser Aspekt hat in den letzten Jahren zugenommen.

Was kann man da genau tun?

Horstmann:

Wir arbeiten zum Beispiel an einer Mückenlandkarte für Deutschland. Gefangene Tiere werden bestimmt und untersucht, um zu sehen, welche potenziellen neuen Überträger schon hier sind. Und ob und welche Viren sie in sich tragen. Gerade haben unsere Forscher erstmals in Deutschland Larven des Hundehautwurms in drei verschiedenen Stechmückenarten nachgewiesen. Der Parasit war bislang bei uns nicht heimisch.

Die Übertragung welcher Krankheiten fürchten Sie besonders?

Horstmann:

Über viele Jahre war in den tropischen Ländern Malaria die wichtigste Erkrankung. Das ist sie auch heute noch in weiten Teilen Afrikas. Doch in letzter Zeit ist das Denguefieber dabei, der Malaria den Rang abzulaufen. Vormals war es nur in Asien verbreitet; seit den 1980er-Jahren hat es sich mit Macht vor allem in Südamerika ausgebreitet. In Afrika ist es bis jetzt nicht so verheerend – warum, wissen wir nicht ganz genau. Vielleicht gibt es da auch eine Vermischung der Diagnosen.

Was verstehen Sie darunter?

Horstmann:

In Afrika werden Kinder mit Fieber in der Regel rein aufgrund des klinischen Bildes gegen Malaria behandelt, da wird oft nicht weiter diagnostiziert. So könnte möglicherweise Dengue übersehen werden. Man weiß, dass zehn Prozent der Kinder, bei denen man klinisch eine schwere Malaria diagnostiziert, an einer schweren bakteriellen Infektion leiden, die wegen der Fehldiagnose als Malaria behandelt wird, was natürlich nicht wirkt und eine hohe Sterblichkeit zur Folge hat. Demgegenüber würde Dengue unerkannt bleiben, weil es meist von selbst abheilt und nicht weiter auffällt.

Obwohl beides, Malaria und Denguefieber, von Mücken übertragen wird, muss man sich unterschiedlich davor schützen.

Horstmann:

Richtig. Während Malaria von dämmerungs- und nachtaktiven Mückenarten übertragen wird, sind die Dengue-Überträger tagaktiv. Da helfen Netze über den Betten nichts. Und während es gute Malaria-Prophylaxe gibt, wird an einer Impfung gegen Denguefieber derzeit noch gearbeitet.

Auch die Bekämpfung der verschiedenen Mückenarten ist nicht identisch.

Horstmann:

Mücken, die Malaria übertragen, brauchen zum Brüten saubere stehende Gewässer. Dengue-Mücken reicht dafür schon Wasser in einer Pfütze oder in einem Blumentopf aus. Das macht es weitaus schwieriger, wenn es darum geht, Brutplätze auszurotten.

In Ghana betreibt das BNI seit fast 20 Jahren ein Forschungs- und Ausbildungszentrum, das Kumasi Centre for Collaborative Research. Werden dort deutsche Studenten in punkto Tropenkrankheiten vor Ort weitergebildet?

Horstmann:

Nein, unsere ghanaischen Kollegen erwarten von uns, dass wir in erster Linie junge, afrikanische Wissenschaftler ausbilden. Projekte werden dort immer gemeinsam von je einem ghanaischen und einem ausländischen Forscher geleitet. Hauptsächlich wurde dort bisher an Malaria gearbeitet, jedoch auch etwa an Tuberkulose.

Und das CyLab, das sie für den Einsatz in Afrika geordert haben, ist solch eine Forschungsstation in klein und mobil?

Horstmann:

Nicht ganz. Es ist ein Kleinbus, der einen Container mit einer Laboreinrichtung Huckepack nimmt. Dieses mobile Labor soll dazu dienen, bei Ausbrüchen von Erkrankungen vor Ort unterstützend tätig werden zu können.