Ein neues Medikament schürt Hoffnung, die von Mücken übertragene Krankheit zu stoppen. Jedes Jahr sterben 660.000 Menschen an der Erkrankung. Bisher waren die Erfolge mau.

Tübingen. Ein Impfstoff gegen Malaria könnte 219 Millionen Erkrankungen und 660.000 Todesfälle verhindern – und das jedes Jahr. Seine Einführung hätte damit nicht nur einen massiven Einfluss auf die Gesundheit der Weltbevölkerung, sondern auch auf die Wirtschaft. Kein Wunder also, dass schon seit vielen Jahren intensiv an einer Impfung gegen Malaria geforscht wird.

Doch bisher waren die Erfolge mau: Der sogenannte RTS’S-Impfstoff war weder bei jedem Geimpften wirksam, noch hielt sein Schutz besonders lange an. Eine bessere Wirksamkeit verspricht der neue Impfstoff „PfSPZ“. Seine Besonderheit: Er enthält ganze Parasiten, die direkt in die Vene injiziert werden. Untersucht wurde diese ungewöhnliche Impf-Methode von einem US-Forscherteam um Robert Seder. Die Wissenschaftler des National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), ein Teil des National Institutes of Health in Bethesda, haben die Wirksamkeit von „PfSPZ“ an 57 Studienteilnehmern untersucht. In der aktuellen Ausgabe des US-Fachmagazins „Science“ haben sie nun die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlicht.

Die sperrige Bezeichnung des Impfstoffs verrät bereits viel über dessen Inhalt. PfSPZ steht für „Plasmodium falciparum sporozoites“. Dabei handelt es sich um eine bestimmte Entwicklungsform des Malariaerregers Plasmodium falciparum, die für die initiale Infektion des Menschen verantwortlich ist. Sporozoiten sind sichelförmige Einzeller, die im Speichel von Anopheles-Mücken, den Überträgern der Malaria, lauern können.

Das Immunsystem soll lernen, die gefährlichen Erreger sofort zu erkennen

Gelangen sie bei einem Biss des Insekts in das Blut des Menschen, wandern sie zur Leber, wachsen dort zu Mehrzellern heran und vermehren sich. So entstehen viele kleine Tochterparasiten, die zurück ins Blut gelangen, Blutzellen infizieren und sich wiederum weiter vermehren.

Der neue Impfstoff soll den verhängnisvollen Kreislauf nun an seinem Ursprung stoppen. Wenn das Immunsystem nämlich lernen könnte, die Sporozoiten von Beginn an zu erkennen und zu eliminieren, dann gäbe es keine Invasion der Leber, keine Infektion von Blutzellen und auch keine weitere Vermehrung des Parasiten. Malariamücken könnten dem Geimpften dann nichts mehr anhaben. Die bei der Blutmahlzeit injizierten Sporozoiten würden nicht mehr sehr weit kommen.

Nur wenig geholfen wäre den Risikopersonen natürlich mit dem unveränderten Erreger. Fitte Sporozoiten würden zwar das Immunsystem trainieren, aber gleichzeitig auch zur Erkrankung selbst führen. Da könnte man auch gleich auf eine Impfung verzichten und ungeschützt auf den Stich der Malariamücke warten. Ein sehr riskanter Weg, den die meisten Einwohner von Malaria-Risikogebieten zwangsweise gehen müssen. Mückenschutznetze sind hier meist rar, die medikamentöse Prophylaxe auf Dauer viel teuer und die Malaria-Mücke allgegenwärtig.

In Malaria-Risikogebieten hat deshalb die Mehrheit der Einwohner bereits eine Malaria durchgemacht und eine Teilimmunität gegen Plasmodien erworben. An Malaria können sie so zwar später immer noch erkranken, meist jedoch nicht mehr so schwer. Doch nicht jeder hat so viel Glück, die erste Malaria schadlos zu überstehen. Das Tropenfieber fordert gerade im Kleinkindesalter viele Todesopfer. Diese könnte man verhindern, wenn der Mensch eine Immunität erwerben könnte, ohne sich dabei dem Krankheitsrisiko aussetzen zu müssen. Genau das soll PfSPZ ermöglichen.

Der Impfstoff enthält keine vermehrungsfähigen Plasmodien – sondern ihre abgeschwächte, wehrlose Variante. „Die Plasmodien werden in dieser Studie durch Strahlung so geschwächt, dass sie nach Infektion der Leberzellen nicht mehr ins Blut gelangen und keine Krankheitswirkung mehr haben“, erklärt Peter Kremsner, Leiter des Instituts für Tropenmedizin der Universität Tübingen. Eine weitere Möglichkeit sei es, die Parasiten durch spezifische Medikamente abzuschwächen. Diese Methode soll in Folgeuntersuchungen getestet werden.

Lange überleben die wehrlosen Parasiten nicht. Ihre verbleibende Überlebenszeit genügt allerdings, um dem Immunsystem zu zeigen, wogegen es in der Zukunft kämpfen soll. Die Abwehrzellen merken sich die spezifischen Oberflächenstrukturen der Plasmodien, bauen dagegen spezifische Antikörper und bewahren diese auf, bis der Parasit wieder einen Schritt in den Körper wagt. Weit kommen die Plasmodien dann nicht: Das trainierte Immunsystem eliminiert den Eindringling, bevor er sich vermehren kann.

Das Immun-Training funktionierte mit PfSPZ sehr gut: Nach vier Immunisierungen erkrankte nur noch ein Drittel der 40 Probanden an Malaria. Und wer fünf Impfungen erhielt, erkrankte gar nicht mehr. Damit liefert PfSPZ deutlich bessere Ergebnisse als RTS’S: Der alte Impfstoff verhinderte zwei Wochen nach der Impfung gerade einmal die Hälfte der Erkrankungen. Und bereits nach fünf Monaten sank die Erfolgsquote auf ein gutes Fünftel. Damit war RTS’S bisher allenfalls ein Hoffnungsschimmer im Kampf gegen die Malaria, aber längst keine Lösung.

Die ist natürlich auch mit PfSPZ noch nicht gefunden. Schließlich stellt die aktuelle Studie gerade nur den ersten Abschnitt einer Reihe von Untersuchungen dar, die nun folgen werden. Eine dieser Folgeuntersuchungen ist in Tübingen geplant.

Zuerst müssen mögliche Impfreaktionen ausgeschlossen werden

Dabei geht es vor allem um die Verbesserung des Impfschemas, wie Kremsner erklärt: „Die bisherige Dosis ist sehr hoch und muss häufig verabreicht werden.“ Damit wäre der Impfstoff beispielsweise für reisemedizinische Zwecke relativ ungeeignet. „Kaum ein Urlauber wird sich kurz vor seiner Reise fünfmal impfen lassen können.“

Ebenso wenig würde sich ein Tourist unnötig einer Gefahr aussetzen wollen. Mögliche Impfreaktionen müssen bei neuen Impfstoffen zuallererst ausgeschlossen werden. Und das ist bei einem neuartigen Impfstoff besonders schwierig. Nicht nur die Harmlosigkeit der abgeschwächten Erreger musste nachgewiesen werden, auch die Harmlosigkeit der Verabreichungsform: Denn normalerweise werden Impfungen nicht direkt in die Blutbahn, sondern in oder unter die Haut gespritzt. Nur hat PfSPZ in dieser Form bei der Immunisierung kaum Erfolg.

Viele Details sind noch offen, dennoch gilt die Studie schon als wegweisend

In die Vene gespritzt war der Impferfolg dagegen wesentlich höher – wohl ohne dass man den höheren Schutz durch höhere Risiken für Nebenwirkungen bezahlt. Innerhalb der Studie wurden weder schwerwiegende Reaktionen noch Malaria-Erkrankungen infolge der Impfung beobachtet. Ob das so bleibt, werden Folgestudien zeigen.

Ebenso gilt es zu klären, inwieweit die Impfung auch vor anderen Plasmodienarten schützt. Insgesamt gibt es fünf Plasmodienarten, die Malaria verursachen. Sie unterscheiden sich in Teilen ihrer Struktur, sodass die Antikörper, die gegen eine Art gebaut worden sind, nicht zwangsweise gegen die anderen wirken müssen. Da sich viele Oberflächenstrukturen jedoch ähneln, könnten bestimmte Antikörper gegen alle Plasmodienarten wirksam sein. „Möglicherweise besteht ein Teilschutz, der muss in den Folgestudien aber zunächst noch bewiesen werden“, sagt Kremsner.

Auch wenn viele Einzelheiten noch geklärt werden müssen, sei die Studie aus Bethesda wegweisend. „Der Impfansatz ist ein echter Fortschritt. Er schafft Vertrauen für eine Behandlungsmethode, bei der zuvor noch sehr viel Skepsis herrschte“, sagt Kremsner. Vertrauen allein wird zwar wohl nicht reichen, um eine der schwersten und weitreichendsten Infektionskrankheiten weltweit zu besiegen. Aber nach jahrelanger Forschung mit nur mäßigen Ergebnissen erscheint der lang erhoffte Sieg jetzt nicht mehr ganz so fern.