Eine neue Studie hat jetzt berechnet, dass jedes Grad an globaler Erwärmung den Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als zwei Meter erhöhen wird.

Potsdam/Hamburg. Heute ausgestoßene Treibhausgase werden den Meeresspiegel noch auf Jahrhunderte steigen lassen, darauf weisen Wissenschaftler weltweit bereits seit Längerem hin. Eine neue Studie hat jetzt berechnet, dass jedes Grad an globaler Erwärmung den Meeresspiegel wahrscheinlich um mehr als zwei Meter erhöhen wird. Und dass dabei die Veränderungen der grönländischen und antarktischen Eisschilde in den nächsten 2000 Jahren zu den dominierenden Faktoren werden, während heute die Wärmeausdehnung des Meeres und das Abschmelzen von Gebirgsgletschern die wichtigsten Ursachen sind, so die in der Fachzeitschrift „PNAS“ veröffentlichte Studie.

„CO2, einmal durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt, verbleibt entsetzlich lange in der Atmosphäre“, sagt Anders Levermann, Leitautor der Studie und Forschungsbereichsleiter am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Folglich bleibt die Erwärmung, die es verursacht, ebenfalls bestehen.“ Die Meere und Eisschichten reagieren nur langsam, einfach aufgrund ihrer enormen Masse, weshalb der beobachtete Meeresspiegelanstieg derzeit in Millimetern pro Jahr gemessen wird. Ein anderes PIK-Team hatte hierzu im vergangenen November mit Satellitenmessungen gezeigt, dass der Meeresspiegel derzeit um 3,2 Millimeter pro Jahr steige. „Das Problem ist: Einmal aus dem Gleichgewicht gebracht, ist der Anstieg nicht mehr aufzuhalten – es sei denn, die Temperatur fällt“, sagt Levermann.

Die neuen Abschätzungen kombinierten physikalisches Verständnis mit Klimaarchivdaten, wie der Professor für die Dynamik des Klimasystems sagt. So haben die Forscher nach eigenen Angaben erstmals Belege aus der frühen Erdklimageschichte mit umfassenden Computersimulationen ergänzt, unter Verwendung physikalischer Modelle aller vier Hauptquellen des langfristigen Meeresspiegelanstiegs. „Dieses sind die Ausdehnung der Ozeane durch Erwärmung, das Abschmelzen von Gebirgsgletschern sowie die Veränderung der Eisschilde in Grönland und der Antarktis“, so Levermann. Auch wenn die Ergebnisse keine Überraschung seien, läge in der Zusammenführung vieler Daten das Besondere der Studie, sagt Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg: „Viele Klimamodellen können nur die Wassererwärmung darstellen. Die Eisschilde sind bei diesen Modellen der Unsicherheitsfaktor. Die Kombination ist sehr überzeugend.“

Das internationale Team nutzte Daten aus Sedimenten vom Meeresgrund und vergangener Uferlinien von verschiedenen Küsten weltweit. „Die antarktischen Computersimulationen konnten die letzten fünf Millionen Jahre der Eisgeschichte simulieren und die anderen zwei Eismodelle wurden direkt mit Beobachtungsdaten kalibriert – diese Kombination hat die Wissenschaftler davon überzeugt, dass diese Modelle die zukünftige Entwicklung eines langfristigen Meeresspiegelanstieg korrekt abbilden“, sagt Peter Clark, Paläoklimatologe der Oregon State University (USA) und Mitautor der Studie.

Im 20. Jahrhundert stieg der Meeresspiegel um rund 0,2 Meter, und selbst die stärksten Zukunftsszenarien prognostizierten deutlich weniger als zwei Meter noch in diesem Jahrhundert. „Technisch wäre auch gar nicht mehr möglich, wenn man berechnet, wie schnell man Eis eliminieren kann – und dabei sogar die Erwärmung unbeachtet lässt“, sagt Levermann.

Während die Simulation rasanter Eisverluste von Grönland und der Antarktis immer noch eine große Herausforderung darstelle, seien die Modelle in der Lage, Eisverluste auf langen Zeitskalen gut zu erfassen – hier mittelten sich kurzfristige schnelle Schwankungen heraus, erklärt Levermann: „So beobachten wir seit etwa zehn Jahren eine Vervierfachung der Eisschmelze des Jakobshavn-Gletschers an der Westküste Grönlands, die durch eine Meeresströmungsänderung bedingt sein könnte und nichts mit der globalen Erwärmung zu tun hat.“

Wenn die weltweite Durchschnittstemperatur um vier Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steige, was in einem sogenannten Business-as-usual-Szenario in weniger als einem Jahrhundert passieren könnte, werde der antarktische Eisschild in den nächsten zwei Jahrtausenden etwa 50 Prozent zum Meeresspiegelanstieg beitragen, Grönland zusätzliche 25 Prozent, so die Ergebnisse der Studie. Die Wärmeausdehnung des Meerwassers, gegenwärtig der größte Anteil am Meeresspiegelanstieg, werde nur noch 20 Prozent beitragen und der Anteil von Berggletschern werde sich auf weniger als fünf Prozent beschränken, da viele von ihnen bis dahin auf ein Minimum geschrumpft sein werden.

„Es wird eine Anpassung geben müssen“, sagt Levermann. „Fortwährender Meeresspiegelanstieg ist etwas, das wir nicht vermeiden können, wenn die globalen Temperaturen nicht zurückgehen. Gemessen in Legislaturperioden mag er zwar langsam sein, aber unausweichlich und somit wichtig für alles, was wir in Küstennähe bauen.“ So müssten etwa viele Länder über höhere Deiche nachdenken oder auch, wo dies nicht möglich sei, über Aufschüttungen tiefer gelegener Gebiete.