Die aus Nordamerika eingeschleppte Wasserpest soll Energie, Dünger und Kosmetika liefern. Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig sieht die Pflanzen als interessante Rohstoffquelle.

Leipzig. Zarte Blätter und zerbrechliche Stängel, die sich in der Strömung wiegen – das Gewächs sieht harmlos aus. Doch die Wasserpest hat sich unbeliebt gemacht. Zwei Arten der aus Nordamerika stammenden Gattung Elodea haben sich in den Seen Mitteleuropas rasant ausgebreitet. Und wo die grünen Eindringlinge auftauchen, bilden sie dichte Unterwasserwälder. Das bringt nicht nur ökologische Probleme mit sich, sondern ärgert auch Urlauber. Denn ein Bad zwischen den Pflanzenmassen macht keinen Spaß, und Motorbootfahrer fluchen über die allgegenwärtigen Stängel, die sich um ihre Antriebsschrauben wickeln.

Gemeinden und Seenbetreiber sind daher dazu übergegangen, das lästige Grünzeug immer wieder abzumähen und als Biomüll auf die Deponie fahren zu lassen. Andreas Zehnsdorf vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und seine Kollegen wollen es dabei nicht belassen: Sie sehen die Pflanzen als interessante Rohstoffquelle.

Das Team sucht nach einer neuen Lösung für ein mehr als hundert Jahre altes Problem. Begonnen hat die grüne Invasion schon im 19. Jahrhundert, als die Kanadische Wasserpest Elodea canadensis nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts breitete sich die Art dann mit geradezu unheimlichem Tempo aus. Der Schriftsteller Hermann Löns schrieb 1912 von einem „grünen Gespenst“: „Es erhob sich überall ein erschreckliches Heulen und Zähneklappern, denn der Tag schien nicht mehr fern, da alle Binnengewässer Europas bis zum Rande mit dem Kraute gefüllt waren, sodass kein Schiff mehr fahren, kein Mensch mehr baden, keine Ente mehr gründeln und kein Fisch mehr schwimmen konnte.“

So weit ist es zwar nicht gekommen; die Massenbestände der Kanadischen Wasserpest treten in Deutschland heute nur noch selten auf. Doch das erste Gespenst hat einen Nachfolger: Seit den 1990er-Jahren ist die ebenfalls aus Nordamerika stammende Schmalblättrige Wasserpest Elodea nuttallii auf dem Vormarsch. Die Art kommt mittlerweile fast überall in Deutschland vor. Für den Sprung von einem Gewässer zum nächsten genügen ihr kleine Pflanzenstückchen, die an einem Boot oder im Gefieder eines Wasservogels haften.

So waren im Jahr 2002 bis zu zwei Drittel des 29 Quadratkilometer großen Steinhuder Meeres in Niedersachsen zugewachsen. Der 13 Quadratkilometer große Goitzsche-See bei Bitterfeld hat laut einer UFZ-Studie allein 2004 rund 26.000 Tonnen frisches Pflanzenmaterial produziert. Und im vergangenen Jahr eroberte die grüne Masseninvasion etliche Seen im Raum Nürnberg.

Für die Tierwelt solcher Gewässer kann das Vorteile haben. Denn in den dichten Wasserpest-Wäldern finden Insekten und Fische gute Kinderstuben, und der Tisch für Wasservögel ist reich gedeckt. Allerdings hat die Sache mehrere ökologische Haken. Zum einen verdrängen die Gewächse aus Übersee einheimische Wasserpflanzen wie Hornblatt, Tausendblatt und verschiedene Laichkräuter. Zum anderen haben sie das fatale Talent, Phosphor aus dem See-Sediment zu mobilisieren. Sie nutzen diesen Nährstoff für ihr Wachstum und setzen ihn frei, wenn sie im Herbst absterben. Auf diese Weise düngen sie nährstoffarme Seen, was zu einer schlechteren Wasserqualität und Sauerstoffmangel in der Tiefe führen kann.

Da liegt es nahe, die wuchernden Bestände abzumähen. Doch die bisher dazu eingesetzten Boote haben alle das gleiche Problem: Die abgeschnittenen Pflanzen treiben zunächst im Wasser und werden dann eingesammelt. „Bei einer Art, die aus winzigen Fragmenten neu heranwachsen kann, ist das natürlich nicht sehr effektiv“, sagt Andreas Zehnsdorf. Gemeinsam mit Experten der Technischen Universität Dresden und der Universität Duisburg-Essen entwickeln er und seine Kollegen daher ein Spezialboot zur Elodea-Bekämpfung. Es wird die Gewächse über dem Seegrund abschneiden und direkt an Bord holen. Von dort aus soll das Mähgut dann auf Transportboote verladen und zum Ufer geschafft werden. Das Mähwerk für diese Konstruktion wollen die Forscher in diesem Jahr fertigstellen, in zwei bis drei Jahren soll das Boot dann einsatzbereit sein.

„Mit den geernteten Pflanzen sollte man aber auch etwas Sinnvolles anfangen“, sagt Andreas Zehnsdorf. Er und seine Kollegen haben dazu schon mehrere Ideen getestet. Lässt sich aus Wasserpest vielleicht Energie gewinnen? Die Bakterien in Biogasanlagen können schließlich alle möglichen Pflanzenmaterialien zersetzen. Dabei liefern sie ein Gemisch aus Methan und anderen Gasen, das sich zur Strom- und Wärmegewinnung oder auch zum Antrieb von Fahrzeugen eignet. Im Labor haben die UFZ-Forscher untersucht, wie gut die Gasproduktion auf Elodea-Basis klappt.

Die Forscher haben sich auch mit einer Salbenmanufaktur zusammengetan

„Die Ergebnisse waren vielversprechend“, sagt Zehnsdorf. Aus einem Kilogramm getrockneter Wasserpest ließen sich im Durchschnitt 450 Liter Gas gewinnen. Das ist zwar weniger als etwa bei Maissilage, die durchschnittlich 650 Liter pro Kilogramm liefert. Doch in der Praxis soll die Wasserpest ohnehin mit anderem Pflanzenmaterial gemischt werden. Der Mix mit Maissilage hat sich im Labor schon bewährt; als Nächstes wollen die Forscher Stroh und andere Reststoffe testen. „Wenn wir nur fünf Prozent Elodea dazumischen, können wir schon eine Menge Material loswerden“, sagt Zehnsdorf. Eine Biogasanlage mittlerer Größe mit 500 Kilowatt Leistung würde dann an einem Tag sechs Tonnen Wasserpest verbrauchen – ohne dass ihre Gasausbeute nennenswert geringer ausfiele. „Vielleicht hat der Elodea-Zusatz sogar Vorteile“, meint der Forscher. Schließlich enthält die Pflanze beachtliche Mengen an Spurenelementen, die für den Stoffwechsel der gaserzeugenden Bakterien wichtig sind.

Die Inhaltsstoffe des grünen Eindringlings machen ihn aber auch für andere Anwendungen interessant. So lässt er sich möglicherweise in der ökologischen Landwirtschaft als Dünger einsetzen. Die Grundvoraussetzungen erfüllt das Material, zeigen die Untersuchungen der UFZ-Forscher: Es enthält reichlich Stickstoff, Phosphor und Kalium, dafür aber kaum Schwermetalle. Allerdings zersetzen sich die Pflanzen in ihrer ursprünglichen Form offenbar nur schlecht im Boden. „Fein zermahlen könnte das aber schon wieder viel besser aussehen“, sagt Zehnsdorf.

Weitergekommen sind sie auch mit der Idee, Naturkosmetik auf Elodea-Basis zu entwickeln. Die Wasserpflanze enthält etliche hautpflegende Substanzen wie das Blattgrün Chlorophyll und die Vitamine C und E. „Wenn Ingenieure Kosmetik herstellen wollten, ginge das allerdings schief“, sagt Zehnsdorf. Also haben sich die Forscher mit der Salbenmanufaktur Beti Lue in Leipzig zusammengetan. Dort hat die Chemikerin Friederike Fellmer das Rezept für eine Elodea-Creme ausgetüftelt, die noch in diesem Jahr bis zur Marktreife weiterentwickelt werden soll.

Grüne Gespenster können manchmal erstaunlich nützlich sein.