Wenn zu wenig Vitamin D im Körper zirkuliert, kann dies zu Knochenbrüchen führen. Wie genau es dazu kommt, haben Hamburger Forscher herausgefunden.

Hamburg. Die Sonne zeigt sich gerade oft in Hamburg. Wer jetzt im Freien das schöne Wetter genießt, kann sicher sein, dass seine Haut reichlich Vitamin D produziert, jenen Stoff, der die Aufnahme von Kalzium ermöglicht und so die Festigkeit unserer Knochen fördert. Im Winter aber steht die Sonne in unseren Breiten so tief am Himmel, dass der Weg durch die Atmosphäre für die kurzwellige UVB-Strahlung zu lang ist – als Folge produziert unsere Haut kaum Vitamin D. Das ist wohl ein Grund, warum mehr als die Hälfte der Deutschen zu wenig Vitamin D im Blut hat, wie das Robert-Koch-Institut in Studien festgestellt hat. Denn allein durch Vitamin-D-reiche Lebensmittel wie Fettfisch und Eier lässt sich der Bedarf nicht decken.

Schon lange ist bekannt, dass ein Mangel des „Sonnenvitamins“ die Knochen brüchig machen und eine Erkrankung des Skeletts (Osteoporose) begünstigen kann. Unklar war bisher aber, warum genau Knochen letztendlich brechen können. „Denn mindestens 30 Prozent aller Brüche, die einer Osteoporose zugeschrieben werden, passieren bei Patienten, die eine ausreichende Knochendichte haben“, sagt Prof. Michael Amling, Direktor des Instituts für Osteologie und Biomechanik des Uniklinikums Hamburg. Eppendorf (UKE).

Neue Erkenntnisse präsentiert nun ein internationales Forscherteam um seinen UKE-Kollegen Björn Busse im Fachjournal „Science Translational Medicine“. Demnach kann ein Vitamin-D-Mangel dazu führen, dass der innere Teil der Knochen nicht mehr erneuert wird, immer weiter altert und dadurch spröde wird. Dadurch werden die Knochen anfälliger für Brüche. Zu diesem Ergebnis kam Björn Busse bei Studien in Berkeley (USA). Dort hatte der Bio-Ingenieur unter anderem mit einem Mikrocomputertomografen 30 Knochenproben untersucht, wobei er 15Proben danach ausgewählt hatte, dass ein Vitamin-D-Mangel vorlag.

Unsere Knochen bestehen aus mineralischem, anorganischen Material und einem Geflecht aus Collagen. Der mineralische Anteil verleiht den Knochen ihre Festigkeit; das Collagen macht sie biegsam und flexibel – wie einen Baumast. Normalerweise erneuern sich unsere Knochen alle sieben Jahre. Dabei bauen sogenannte Osteoklasten alten Knochen ab; gleichzeitig bauen Osteoblasten neuen Knochen auf. In den neuen Knochen wird Kalzium eingelagert, er wird mineralisiert – vorausgesetzt, es wurde im Darm genügend Kalzium aufgenommen, weil genügend Vitamin D dies möglich gemacht hatte.

Fehlt es an Vitamin D, sinkt der Kalziumspiegel kurzzeitig, aber dann reagiert der Körper so: Die Knochen geben Kalzium frei, damit das Herz und die Muskeln keinen Mangel erleiden. Für unser Skelett hat dies zur Folge, dass nicht mehr genügend Kalzium in neuen Knochen eingelagert wird. Solchen nicht-mineralisierten Knochen können die Osteoklasten aber nicht abbauen.

Was letztendlich dabei herauskommen kann, untersuchte Björn Busse in Berkeley anhand der 30 Knochenproben, die von verstorbenen Hamburgern stammen. Diese Menschen, die eingewilligt hatten, ihren Körper für wissenschaftliche Studien zur Verfügung zu stellen, waren 48 Stunden nach ihrem Tod obduziert worden, so dass der Vitamin-D-Spiegel in ihrem Blut noch gemessen werden konnte. Busse und Amling zufolge lagen keine Erkrankungen vor, die sich auf die Knochen auswirken konnten. So war es den Forschern möglich, Proben von gesunden Menschen mit und ohne Vitamin-D-Mangel zu vergleichen.

Die Analyse zeigte: Bei den Menschen mit Vitamin-D-Mangel war das neu angelegte Gewebe an der Oberfläche des Knochens nicht mehr mineralisiert worden – so, wie es zu erwarten war. Im Inneren hatte die Mineralisation jedoch zugenommen. Dies geschehe zwar im Sieben-Jahres-Zyklus immer durch bestimmte Prozesse im Knochen, erläutert Michael Amling. Nur werde das Knocheninnere normalerweise eben immer wieder erneuert. Dazu müssen die ab- und aufbauenden Knochenzellen das Innere allerdings erreichen können – und dies gelingt ihnen nur, wenn die äußere Schicht mineralisiert ist. Weil dies bei einem Vitamin D-Mangel nicht geschieht, nimmt die Mineralisation im Inneren immer weiter zu – der Knochen wird fester, verliert aber an Biegesteifigkeit. „Das erklärt, warum ein Knochen brechen kann, obwohl Messungen der Knochendichte vielleicht zeigen, dass es gar nicht so gravierend ist“, sagt Michael Amling. Tatsächlich zeigte sich bei Vergleichstests, die Björn Busse mit den Proben durchführte, dass die Knochen von Menschen mit Vitamin-D-Mangel schneller brachen.

Ob Studien wie diese Konsequenzen für den Konsum von Vitamin D haben sollten, ist umstritten. Michael Amling plädiert dafür, Vitamin-D-Präparate einzunehmen, mindestens 20 Mikrogramm pro Tag (entspricht 800 internationalen Einheiten). Dies sei nur ratsam, wenn ein Mangel nachgewiesen worden sei oder sich der Vitamin-D-Spiegel weder durch die Ernährung noch durch die Sonne erhöhen lasse, sagen das Bundesinstitut für Risikobewertung, das Max-Rubner-Institut und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) – obwohl die Einrichtungen feststellen, dass ein großer Anteil der Bevölkerung „nicht ausreichend versorgt ist“.

Und der Sommer? Sollten wir nicht gerade jetzt möglichst viel Sonne tanken? „Die Dosis macht’s“, sagt Jörg Reichrath, Professor für Dermatologie an der Universität des Saarlandes und Mitglied der Arbeitsgruppe Vitamin D der DGE. „Ein regelmäßiges, aber nicht zu intensives Sonnenbad ist gesund. Einen Sonnenbrand sollte man unbedingt vermeiden.“ Dadurch erhöhe sich das Hautkrebsrisiko. Was „intensiv“ bedeute, hänge unter anderem vom Hauttyp und der Stärke des Sonnenlichts ab, sagt Reichrath. „Als Faustregel gilt: Man sollte drei bis fünf Mal pro Woche in die Sonne gehen – aber nur halb so lange, wie es dauern würde, bis man eine Hautrötung bekäme.“ Wer sich länger sonnen wolle, sollte Sonnencreme benutzen oder sich entsprechend kleiden.