Beim Umwelt-Symposium in Hamburg diskutierten 450 Teilnehmer über ein globales Management der Ozeane und viele Einzelprobleme.

Hamburg. Meere sind das gemeinsame Erbe der Menschheit, ihr Schutz und ihre Nutzung ist ein globales Anliegen und sollte nicht den Interessen einzelner Wirtschaftszweige oder Staaten unterliegen. Das sagte Dr.Inge Paulini, Präsidentin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu Globalen Umweltveränderungen (WBGU), auf dem 23. Meeresumwelt-Symposium, das das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am Dienstag und Mittwoch in Hamburg ausrichtet. Der WBGU hatte am 5. Juni das Gutachten „Welt im Wandel – Menschheitserbe Meer“ vorgelegt. Darin empfehlen die Experten, eine Welt-Ozean-Organisation (WOO) zu gründen, die in Konfliktfällen zwischen Schutz und Nutzung aktiv wird.

Derzeit beherrsche das Almende-Prinzip den Umgang mit den Meeren, so Paulini: „Eine riesige Menge Nutzer greift auf ein Gut zurück, das derzeit praktisch uneingeschränkt nutzbar ist. Die mangelnde Regulation der verschiedenen Nutzungsformen, die noch dazu meist einzeln betrachtet werden, ist eines der größten Probleme im Meeresschutz.“ Zudem fehlten Sanktionsmöglichkeiten, etwa bei Verunreinigungen durch die Nutzung.

Die WBGU-Präsidentin befürwortete zudem einen wissenschaftlichen Prozess, der das weltweite Wissen zur Meeresumwelt bündelt und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Vorbild könne der Weltklimarat IPCC sein, so Paulini. Ein Anfang sei gemacht: „Von 2014 an wollen die Vereinten Nationen regelmäßig Berichte zum Stand der Meere vorlegen.“ Die große Bedeutung eines guten Kenntnisstands betonte auch die Präsidentin des gastgebenden BSH, Monika Breuch-Moritz. Nur wer wisse, wie die Meere funktionieren und wie sie auf menschliche Einflüsse reagieren, könne sie nachhaltig nutzen.

„Wir wissen sehr viel, um handeln zu können“, sagte Fritz Holzwarth, Leiter des Bereichs Wasserwirtschaft im Bundesumweltministerium. Dort, wo die Auswirkungen von bestimmten Nutzungen noch unklar seien, müsse das Vorsorgeprinzip angewendet werden, „damit wir nicht am Ende einen Reparaturbetrieb haben“. Zudem „müssen wir aufhören, das Meer zu filetieren in einzelne Bereiche wie Küstenschutz, Fischerei, Öl- und Gasgewinnung, Tiefsee und so weiter“.

Neben Fragen zum Meeresmanagement diskutieren die rund 450 Symposiumsteilnehmer über konkrete Umweltprobleme. Dazu gehörten neben „Klassikern“ wie Überdüngung oder Fischerei auch neuere Themen wie die Vermüllung der Ozeane, die Einleitung von Arzneimittelrückständen über die Flüsse, die günstigeren Lebensbedingungen für krankheitserregenden Keime durch den Klimawandel und das große Thema der Windenergiegewinnung im Meer.

Die Offshore-Windenergie biete enorme Chancen, ihre Leistungsfähigkeit sei noch höher als erwartet, sagte BSH-Präsidentin Breuch-Moritz. „Durch den stetigen Wind auf See liefert sie zuverlässig Strom, ohne Zukauf von Rohstoffen oder gefährliche Abfallstoffe. Aber sie emittiert auch Schall. Inwieweit dies eine Gefahr für die Meeresumwelt darstellt, muss weiter untersucht werden.“

Forscher der Büsumer Außenstelle der Tierärztlichen Hochschule Hannover erforschen dazu das Hörvermögen von Schweinswalen und Robben. Einige Tiere statten sie mit Fahrtenschreibern aus, die auch die Schallbelastung aufzeichnen. An acht Orten in der Ostsee nahmen im Sommer 2012 autonome Rekorder mindestens zwei Monate lang die Unterwassergeräusche auf, verursacht durch Wind, Wellen und Regen, durch Baumaßnahmen und Schifffahrt. In diesem Sommer sollen die Rekorder den Lärmpegel in der Nordsee erfassen.

Ebenfalls strittig ist die Wirkung der riesigen Windräder mit einer Nabenhöhe von rund 100 Metern und Rotordurchmessern um die 120 Meter auf die Vogelwelt. Ommo Hüppop vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven beschrieb den aktuellen Kenntnisstand: Millionen Zugvögel überqueren auf ihren Wegen zwischen Brut- und Überwinterungsgebieten die Nord- und Ostsee. Der stärkste Flugverkehr herrscht in den Monaten März bis Mai und August bis Oktober in niedrigen Höhen bis 200 Meter. „Zumindest tagsüber wirken die Küsten als deutliche Leitlinien“, so Hüppop.

Beobachtungen an der Forschungsplattform FINO1 nördlich der Insel Borkum haben ein erhöhtes Kollisionsrisiko mit der nachts hell beleuchteten Plattform ergeben, berichtete Hüppop. Sie ziehe „insbesondere bei einer Wetterverschlechterung (Gegenwind, Nebel, Niederschlag nach zunächst guten Zugbedingungen) viele desorientierte Vögel an, die wegen der Wetterbedingungen auf der Suche nach einem Rastplatz sind und daher niedrig fliegen“. Neben diesen Einzelaspekten bleibe die offene Frage, wie sich die Windparks auf ganze Bestände auswirken, betonte der Ornithologe.

Über die Wirkungen von Arzneimitteln auf Fische berichtete Dr. Gerd Maack vom Umweltbundesamt. Generell haben die Wirkstoffe in der Umwelt ähnliche oder die gleichen Effekte wie bei Menschen. So bekämpfen Antibiotika nicht nur Krankheitserreger im menschlichen Körper, sondern auch nützliche Bakterien in Kläranlagen. Und vom Wirkstoff Ethynylestradiol, Hauptbestandteil vieler Verhütungsmittel, ist bekannt, dass er auch die Reproduktion von Fischen unterbindet.

Eine ganz aktuelle Meeresbelastung sind die Schadstoffe, die mit dem Elbe-Hochwasser in die Nordsee gespült werden. BSH-Präsidentin Breuch-Moritz sieht jedoch keine dramatischen Auswirkungen: „Kurzfristig werden die Schadstoffgehalte vor allem im Küstenbereich deutlich ansteigen. Aber seewärts werden sie dann schnell verdünnt.“