Bei einem Spitzentreffen diskutierten Experten, wie sie Schüler gezielt an Naturwissenschaften, Informatik und Technik heranführen können.

Hamburg/Berlin. „Wir-müssen“-Sätze und „Wir-brauchen“-Forderungen gehören hierzulande zum Tagegeschäft – in der Politik, aber auch in der Wirtschaft und der Wissenschaft. Ob den Worten dann auch Taten folgen, steht auf einem anderen Blatt. Insofern war es zunächst nur als Absichtserklärung zu werten, dass 24 überregionale Organisationen im vergangenen Jahr feststellten, Deutschland brauche „eine starke Stimme“ für den Nachwuchs in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und sich deshalb zum Nationalen MINT-Forum zusammenschlossen, um „Synergien zu schaffen“.

Auf dem ersten Nationalen MINT-Gipfel präsentierte das Bündnis nun erste Ergebnisse – im Beisein von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und Mürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Dabei handelt es sich zwar immer noch um Vorläufiges, etwa zehn Thesen und Forderungen zur MINT-Lehramtsausbildung. Dennoch sehen einige Teilnehmer die Tagung als Signal, dass sich tatsächlich etwas zum Besseren wenden könnte. „Wir haben hier die einmalige Chance, dass es zum Schulterschluss aller Akteure kommt“, sagte Matthias Mayer, bei der Hamburger Körber-Stiftung verantwortlich für den Schwerpunkt „Lust auf MINT“.

Mayer ist überzeugt, dass eine gute Förderung in den MINT-Fächern nur lokal und regional organisiert werden kann. „In den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern ist es ganz wichtig, dass wir den jungen Leuten sagen, wozu das gut sein soll; wir brauchen Anschaulichkeit und Nähe zur Praxis. Beides ist nur zu bekommen, wenn Forschungsinstitute und Unternehmen in der Nähe sind“, sagte Mayer. So profitieren in Hamburg inzwischen 32 Schulen davon, dass Forscher von Hamburger Hochschulen und Fachleute städtischer Unternehmen in den Unterricht einbezogen werden. Organisiert wird dies von der Initiative Naturwissenschaft & Technik (NaT).

Mayer zufolge könnte dieses Modell womöglich als Blaupause für andere Städte und Regionen dienen. Wie er auf dem MINT-Gipfel in Berlin berichtete, hat die Körber-Stiftung nach einer längeren Recherche deutschlandweit 60 Regionen ausgemacht, welche „die Überzeugung eint, dass man gemeinsam etwas erreichen kann“. Auf eine Anfrage der Stiftung hätten 40 dieser Regionen reagiert. „Dabei engagieren sich ganz unterschiedliche Leute, vom Berufsschullehrer über den emeritierten Professor bis zum Firmenchef“, erzählte Mayer. Für sie will die Körber-Stiftung am 15. Oktober in Hamburg eine Tagung ausrichten, um Maßnahmen zu besprechen, wie sich der naturwissenschaftliche Nachwuchs besser fördern lässt. Dabei gehe es um die gesamte Bildungskette, von Kindergärten bis zu den Hochschulen, sagte Mayer.

Hamburg sollte allerdings keinesfalls so tun, als sei die MINT-Förderung in der Hansestadt durchweg vorbildlich. „Die Situation bei uns ist alles alles andere als rosig“, sagt Mayer. Er sehe „ambivalente Signale“. Mal werde betont, wie wichtig die Förderung der MINT-Fächer sei, dann würden Maßnahmen angekündigt, die für einen Abbau stünden. Mayer nannte in diesem Zusammenhang etwa die Ankündigung von Uni-Präsident Dieter Lenzen, dass entsprechend den Leitlinien der Wissenschaftsbehörde bis 2016 rund 50 von insgesamt 750 Professorenstellen wegfallen sollen – vorrangig in der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften und in den Wirtschaftswissenschaften.

Bedauerlich sei darüber hinaus, dass Schulsenator Ties Rabe (SPD) das Hamburger Zentralabitur in Deutsch, Mathe und Englisch ab 2014 auf die meisten anderen Fächer ausweiten wolle. Eine Vereinheitlichung werde nicht zu mehr Anschaulichkeit führen. Ties Rabe wies die Kritik zurück. „Dass das Zentralabitur zu einem schlechteren Unterricht führen wird, ist reine Spekulation“, sagte der Senator.

Mayers Kritik geht aber noch weiter. Er halte es für einen Rückschritt, dass die Schulbehörde die Vorgaben für das Fach Informatik geändert habe. Damit bezieht er sich auf den Umstand, dass Informatik an den Stadtteilschulen künftig nicht mehr als Pflichtfach, sondern nur noch als Wahlpflichtfach unterrichtet werden soll. Konkret heißt es in einer Vorlage zur Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung, Informatik sei 2011 für die Stadtteilschulen „im Pflichtbereich berücksichtigt“ worden, werde nun aber aus dem Pflichtbereich herausgenommen.

Ties Rabe sieht darin eine „missverständliche Formulierung“. Informatik sei an den Stadtteilschulen nie ein Pflichtfach gewesen; vielmehr sei die Informatik zusammen mit den Fächern Biologie, Chemie, Physik und Technik im Lernbereich Naturwissenschaften und Technik zusammengefasst gewesen. Informatik erstmals als eigenständiges Pflichtfach einzurichten, mache keinen Sinn, da die dafür benötigten Unterrichtsstunden dann anderen Fächern entzogen werden müssten. Deshalb solle Informatik künftig an den Stadtteilschulen wie schon an den Gymnasien ein Wahlpflichtfach sein.

Rabe meint, dass die neuen Lehrpläne das Fach sogar stärken könnten, wenn man es nicht in erster Linie als Unterricht in Programmierung verstehe, sondern auch Medienkompetenz dazuzähle. So sei in den neuen Lehrplänen etwa vorgesehen, dass schon in der Grundschule der Umgang mit E-Mails geübt werde. Zudem hätten die Schulen nun mehr Spielraum, über freie Stunden zu entscheiden. „Ich beobachte, dass Schulen beginnen, diesen Spielraum auch für die Informatik zu nutzen“, sagte Rabe.