Eine große Erhebung zeigt: Drei Viertel der Bundesbürger fühlen sich in guter bis sehr guter Verfassung

Berlin. Zunächst die positive Nachricht: Dem Deutschen geht es gar nicht so schlecht, auch wenn er in der Regel gern über seine Gebrechen jammert. Tatsächlich ist die große Mehrheit aber recht zufrieden mit ihrer Gesundheit. Knapp 77 Prozent aller deutschen Männer und 73 Prozent aller deutschen Frauen bewerten den eigenen Gesundheitszustand als gut oder gar sehr gut. Und sogar bei den über 70-Jährigen ist noch jeder Zweite damit zufrieden.

Das hat selbst Anke-Christine Saß vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin gefreut. „Dieses Ergebnis ist eine besonders positive Botschaft. Denn die eigene Einschätzung korreliert stark mit weiteren wichtigen Gesundheitsparametern, wie beispielsweise der Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen und der verbleibenden Lebenszeit bei älteren Menschen“, sagt Saß. Die Epidemiologin weiß das bestens, schließlich hat sie sich in den letzten Jahren intensiv mit all diesen Parametern auseinandergesetzt. Sie sind Teil der aktuellen „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ (DEGS), die das RKI nun herausgegeben hat.

8000 Deutsche zwischen 18 und 79 Jahren wurden befragt und untersucht

Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) haben dessen Wissenschaftler drei Jahre lang, von 2008 bis 2011, mehr als 8000 Deutsche im Alter von 18 bis 79 Jahren befragt und untersucht – allerdings nicht allein, um ihre gesundheitliche Zufriedenheit zu ergründen. Die DEGS ist die neue Gesundheits-Enzyklopädie der Deutschen. Ihr erster Band, DEGS1, bildet so ziemlich alles ab, was hierzulande mit Medizin, Gesundheit und Wohlbefinden zu tun hat – zum Beispiel Häufigkeiten von Volkskrankheiten, Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, Sozialstatus und Gesundheitsverhalten, um nur einige Punkte zu nennen. Dieses umfassende Gesundheitsmonitoring soll künftig in weiteren Bänden fortgesetzt werden. Das Ziel: DEGS soll Politikern und Ärzten das notwendige Wissen zur Hand zu geben, das sie für ihr Handeln und ihre Entscheidungen benötigen.

Handlungsbedarf könnte zum Beispiel in einem bisher nur wenig beachteten Bereich bestehen: In DEGS1 ist zum ersten Mal zu lesen, welche Bedeutung körperliche und psychische Gewalt bundesweit hat. Laut der Erhebung litt innerhalb des letzten Jahres etwa jeder zwanzigste Deutsche unter körperlicher Gewalt und gar jeder fünfte Deutsche unter psychischer. Bis zu drei Viertel von ihnen fühlen sich dadurch in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigt.

Doch auch längst bekannte Gesundheitskiller setzen weiter dem Wohlbefinden zu. Mehr als jeder zehnte Bundesbürger fühlt sich stark gestresst, Frauen dabei deutlich häufiger als Männer. Der dauerhafte Stress geht dabei häufig mit weiteren gesundheitlichen Folgen einher: Depression, Burn-out-Syndrom und Schlafstörungen. All diese psychischen Erkrankungen gibt es natürlich auch ohne Stress – und das gar nicht einmal so selten. Etwa acht Prozent der Studienteilnehmer litten unter depressiven Beschwerden, ein Drittel klagte über schwere Ein- und Durchschlafstörungen und bei immerhin 1,5 Prozent wurde im letzten Jahr ein Burn-out diagnostiziert. Psychische Beschwerden sind keine Seltenheit, deshalb enthält auch die DEGS ein eigenes Zusatzmodul zur psychischen Gesundheit, das in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität in Dresden durchgeführt wird.

Mindestens ebenso wichtig waren bei der Erhebung allerdings auch die klassischen Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und krankhaftes Übergewicht. Ergebnisse vorheriger Studien konnten dabei oft bestätigt werden. Der Anteil der Diabetes-Patienten nimmt beispielsweise weiter zu. Innerhalb von nur zehn Jahren ist die Zahl der betroffenen Erwachsenen um 38 Prozent angestiegen. Etwa ein Drittel davon ist aber nicht auf veränderte Lebensgewohnheiten, sondern vielmehr auf die zunehmende Alterung der Bevölkerung zurückzuführen. Denn auch zunehmendes Alter erhöht das Erkrankungsrisiko.

Ganz hilflos ist man diesem Risiko allerdings auch mit steigendem Alter nicht ausgeliefert. Denn der eigene Lebensstil kann die Erkrankungswahrscheinlichkeit ebenso wieder senken. Regelmäßiger Sport und gesunde Ernährung schützen nicht nur vor Diabetes, sondern auch vor weiteren schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebsgeschwüren.

Genau das scheinen nun auch zunehmend mehr Deutsche zu erkennen – und gleichsam umzusetzen. Denn entgegen der allgemeinen Vermutung nehmen weder Übergewicht noch körperliche Trägheit drastisch zu. Auch dieses erstaunliche Ergebnis konnte die DEGS zeigen. „Die Bereitschaft zur sportlichen Ertüchtigung ist deutlich gestiegen“, sagt Saß. Etwa jeder Dritte habe bei der Befragung angegeben, stark auf eine ausreichende Bewegung zu achten. Tatsächlich ausreichend ist der Sport am Ende aber trotzdem nicht, zumindest wenn man nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO geht. „Die WHO-Richtwerte werden leider von vielen noch immer nicht erreicht“, sagt Saß, „gerade einmal ein Fünftel der Deutschen kommt auf die empfohlenen zwei Stunden Sport pro Woche.“

Ähnlich überraschend waren die Ergebnisse zum Übergewicht. Der Anteil Übergewichtiger hat innerhalb der letzten zehn Jahre nämlich nicht zugenommen, sondern blieb auf – zugegebenermaßen hohem – Niveau stehen. Doch Übergewicht ist nicht gleich Übergewicht. Wer einen Body-Mass-Index über 30 hat ist laut Definition nicht nur übergewichtig, sondern adipös – und hat damit ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie bösartige Geschwüre.

Bei jungen Männern wächst der Anteil von Adipösen besonders stark

Genau hier steigt die Tendenz. Von den Frauen sind derzeit etwa 53 Prozent übergewichtig und knapp 24 Prozent adipös. Bei den Männern sind die Zahlen ähnlich: Etwa 67 Prozent von ihnen leiden unter Übergewicht und mehr als 23 Prozent sind adipös. Dabei gibt es jedoch eine Besonderheit: Junge Männer sind die Bevölkerungsgruppe, bei denen der Anteil von Adipösen besonders stark wächst. Bereits mehr als jeder Fünfte im Alter von 30 bis 39 Jahren hat demnach einen Body-Mass-Index über 30. Ob sich diese Entwicklung fortsetzt, könnte das RKI in ein paar Jahren zeigen. Denn schon jetzt sind weitere DEGS-Erhebungen geplant.

Gezieltere Gesundheitsprogramme, die sich stärker nach den Bedürfnissen der Deutschen ausrichten, so lautet zumindest eins der Ziele des Auftraggebers BMG. Dabei werden sie sich wohl insbesondere einer Bevölkerungsgruppe zuwenden müssen: Personen mit niedrigem Sozialstatus. Denn bei ihnen fielen die Ergebnisse weniger gut aus. Sie leiden nicht nur häufiger an Diabetes, Depressionen und Adipositas, sondern schätzen darüber hinaus – oder möglicherweiser deswegen – ihren Gesundheitszustand schlechter ein. Die DEGS konnte damit auch eins erneut bestätigen: Der Sozialstatus ist in Sachen Gesundheit noch immer einer der wichtigsten Einflussfaktoren.