Microsoft hat seine neue Spielekonsole, die Xbox One, vorgestellt. Sie soll alle anderen Entertainment-Geräte und Medienzuspieler ersetzen. Die Meinungen sind gespalten – vor allem, was die Privatsphäre angeht.

Köln Wenn Microsoft etwas wirklich Wichtiges angeht, dann muss immer noch Gründer Bill Gates ran. Also durfte er in Seattle per Videobotschaft die Präsentation von Microsofts neuer Spielekonsole eröffnen: „Wir haben Gaming zum Leben erweckt – jetzt werden wir Entertainment für immer verändern“, verkündete er mit viel Pathos. Direkt danach zeigte Microsofts Entertainment-Chef Don Mattrick die Xbox One. Mit der neuen Konsole will der Konzern offenbar seinen Anspruch als Alleinunterhalter im Wohnzimmer der Nutzer zementieren. „Euer gesamtes Entertainment in einer Box“, fasst Mattrick das Prinzip der neuen Konsole zusammen. „Immer online, immer an“ soll die Konsole laut Xbox-Marketing-Chef Yusuf Mehdi sein. Sie reagiert dank Mikrofonen und der 3-D-Kamera Kinect auf Zurufe und auf Gesten der Nutzer.

Die Xbox One, so die Vorgabe an die Entwickler, soll alle anderen Entertainment-Geräte und Medienzuspieler ersetzen und den Fernseher zum bloßen Bildschirm degradieren – sie ist entscheidend für Microsofts selbst proklamierte Zukunft als Hersteller und Service-Anbieter für Konsumenten. „Natürlich ist die Xbox One wichtig für den viel zitierten ‚Kampf ums Wohnzimmer‘, den wir jedoch eher als Spaß und Relevanz im Wohnzimmer bezeichnen“, sagte Oliver Kaltner, Microsofts deutscher Manager für Endverbraucher-Produkte.

Um die Konkurrenz auszustechen, wage sich Microsoft an die Revolution der Fernsehbedienung, sagt Kaltner: „Die neue Konsole hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Lösungen: Sie lässt sich einfach bedienen – mit der Stimme oder der Gestik. Die Xbox One ist der bewusste Anfang vom Ende der Fernbedienung.“ Dank Gesten-Navigation soll die klassische Fernbedienung für das Home-Entertainment bei Xbox-One-Käufern künftig Staub ansetzen. Die Kinect-Kamera ist kein teures Zubehör mehr, sondern liegt jeder Xbox One serienmäßig bei.

Die Kinect wurde dafür technisch aufgerüstet: Mit 3-D-HD-Kameras nimmt sie die Umgebung in neuer Schärfe wahr, kann sogar den Herzschlag des Nutzers sehen und bemerkt sofort, wenn er etwa einen Controller in die Hand nimmt oder eine Geste in Richtung der Kamera zeigt. Diese kann per Gesichtserkennung mehrere Nutzer auseinanderhalten und deren Stimmung einschätzen – dank Infrarotsicht auch im Dunkeln. Mit ihren Mikrofonen nimmt sie Sprachkommandos auf, beobachtet die Nutzer unentwegt und hört zu. Ob das Konzept gut ankommt oder die Nutzer um ihre Privatsphäre fürchten lässt, bleibt abzuwarten. Ohne Verzögerung können die Nutzer zwischen Digitalfernsehen, Spielen und Medienbibliothek hin- und herschalten, mit Sprach- und Wisch-Kommandos durch das Interface navigieren. Mittels der Kinect-Sensorik kann die Xbox One zum Video-Konferenzgerät werden; der Kommunikationsdienst Skype ist bereits fest integriert. Kurz: Microsoft gibt sich alle Mühe, die komplette Produktpalette inklusve Streaming-Angeboten sowie exklusiven Spiel- und Multimediainhalten in ein System zu zwängen.

Die Xbox One ist damit der wohl prominenteste Teil der diesjährigen Offensive der Konsolen-Hersteller gegen die Konkurrenz der Tablets, Spiele-PCs und Wohnzimmer-Streamingboxen. Als Microsoft mit der ersten Xbox den Angriff auf Sony und Nintendo startete, war der US-Softwarekonzern ein absoluter Außenseiter. Jetzt ist er der Platzhirsch; die Xbox 360 von 2006 ging 77 Millionen Mal über die Ladentheke. Sony will dagegenhalten. Bereits im Februar stellte das Unternehmen eine Konsole der achten Entwicklungsgeneration vor. Sony hatte es so eilig, vor Microsoft zu präsentieren, dass die Vorstellung – anders als bei Microsoft – ohne ein fertiges Gerät auskommen musste. Die Japaner nannten nur den Namen – Playstation 4 – und die Eckdaten.

Die Hardware-Basis für Microsofts Xbox One kommt aus dem PC-Regal: Acht Gigabyte RAM sind Standard für schnelle Computer, dazu ein AMD-Chip ebenfalls auf PC-Basis. Die Festplatte mit 500 Gigabytes fällt eher bescheiden aus. Wo die vergangene Konsolen-Generation die PCs noch deutlich überflügelte, hinkt die achte Generation der Konsolen also voraussichtlich schon zum Start leicht hinterher. Der Wow-Faktor der neuen Xbox, der Hardcore-Spieler beim Verkaufsstart von Vorgängermodellen zum Kampieren vor den Läden lockte, fällt zweifelhaft gering aus – in ersten Twitter-Kommentaren äußerten sich Spieler enttäuscht über die Xbox One.

Um gegen die Konkurrenz eine Chance zu haben, reicht eine besonders elegante Fernbedienung per Geste also nicht. Deshalb veröffentlichen Microsoft und Partner Spiele-Titel mit hohem Suchtfaktor allein auf der neuen One. Insgesamt 15 exklusive Spiele-Titel sollen zum Marktstart der Konsole (weltweit noch in diesem Jahr) herauskommen. Der US-Spieleentwickler Electronic Arts macht den Anfang und legt gleich vier neue Ausgaben der Hits FIFA, Madden NFL, NBA Live und UFC vor, die allein für die One angepasst sind. Auch der Motorsportsimulator Forza wird für die Xbox One fortgesetzt. Microsoft will in den kommenden Tagen mit weiteren Präsentationen zur neuen Xbox nachlegen.