Hamburger Forscher analysieren Holzproben und schließen anhand der eingebauten Kohlenstoffatome auf frühere Wachstumsbedingungen.

Stellen Sie sich vor: Ein Förster lässt einen alten Baum fällen und betrachtet den Querschnitt des Stammes eingehend. Nach kurzer Zeit verkündet er, dass hier im Jahr 1632 die Wolken besonders dicht am Himmel standen. Ein Märchen? Ja, sicher. Doch mit technischer Unterstützung können wir heute tatsächlich aus den Jahresringen die jeweilige Wolkenbedeckung herauslesen. Wie das?

Mein Ziel ist es, das Klima der vergangenen 2000 Jahre zu verstehen, denn dies liefert wertvolle Hinweise für die Zukunft. Ein großes Fragezeichen ist zum Beispiel, wie sich die Wolken verhalten: Wird die globale Erwärmung im Schnitt eher eine dickere oder eine dünnere Wolkendecke erzeugen? Nicht unwichtig, denn eine dünnere Schicht ließe mehr Sonnenstrahlung durch – die Erde könnte sich zusätzlich aufheizen. Eine dickere Schicht dagegen könnte die Erwärmung sogar leicht abbremsen.

Am KlimaCampus haben meine Kollegen und ich deshalb an einer neuen Methode geforscht, die uns über die Wolkendecke der Vergangenheit Auskunft gibt. Wir kennen zum Beispiel Klimaphasen wie die „Kleine Eiszeit“ vor etwa 300 Jahren. Interessant ist für uns, ob die Wolken damals eher dicht hingen oder der Himmel oft blau war.

Hier kommen uns die Bäume zu Hilfe – denn sie sind gewissermaßen Feinschmecker, nicht jede „Nahrung“ ist ihnen gleich recht. Wenn sie bei der Fotosynthese Kohlenstoff-, also C-Atome einbauen, finden sie in der Umgebungsluft dafür zwei stabile Formen vor, sogenannte 12C- und 13C-Atome. Doch Sorte 12C „schmeckt“ einfach besser. Und so bevorzugt ein Baum normalerweise diese Atome, wandelt sie in Biomasse um und wächst heran.

Unter starker Sonneneinstrahlung liegt der Fall jedoch anders: Jetzt hat die Pflanze die Chance, maximal Fotosynthese zu betreiben und dadurch besonders kräftig zu wachsen. Allerdings werden unter solchem Extremwachstum die beliebten Atome knapp. Der Baum greift notgedrungen auch auf die 13C-Atome zurück – und diesen Effekt nutzen wir aus!

Ganz konkret haben wir die Methode für Skandinavien untersucht. Hier wurden von rund 50 Bäumen verschiedener Standorte Proben genommen und anhand der Jahresringe das Alter des jeweiligen Holzspans bestimmt. Mit einem sogenannten Massenspektrometer wird anschließend der Anteil von 13C-Atomen ermittelt. Findet man viele, war die Sonneneinstrahlung hoch, die Wolkendecke also dünn – ein genauer Indikator für die jeweiligen Jahre.

Fazit: Die „Kleine Eiszeit“ brachte den Skandinaviern im Sommer häufig blauen Himmel. Unsere Studie zeigt, dass die Wolkendecke über die gesamte Kaltperiode von etwa 300 Jahren im Mittel dünner war. Im Umkehrschluss könnte das für diese Region bedeuten: Steigende Temperaturen erzeugen eine dickere Wolkendecke – dies wiederum könnte die zukünftige Erderwärmung lokal abschwächen.

Doch eine neue Methode muss sich erst beweisen. Deshalb freut es uns, dass unsere nachfolgende Studie in den Pyrenäen ähnliche Ergebnisse zeigt. So haben wir mit den pflanzlichen Zeitzeugen jetzt ein wertvolles Werkzeug, um den Zusammenhang von Sonne, der Wolkendichte und dem lokalen Klima zu ermitteln.