Forscher entwickeln Plattenkonstruktion, die in Bodennähe Turbulenzen von Flugzeugen reduzieren. Sogenannte Wirbelschleppen sind gefährlich, wenn kleine oder mittlere Flugzeuge hinter großen Fliegern starten oder landen.

München/Hamburg. Acht Meter breite, gut vier Meter hohe Kunststoffplatten, formiert in vier oder fünf Reihen im Vorfeld von Start- und Landebahnen, können landenden Flugzeugen mehr Sicherheit bringen und gleichzeitig die Kapazität von Flughäfen erhöhen. Denn die Konstruktion schwächt die sogenannten Wirbelschleppen (Turbulenzen, die jede Maschine hinter sich herzieht) deutlich ab. Das zeigten Feldversuche, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in dieser Woche in Oberpfaffenhofen bei München durchführte.

Die Wissenschaftler ließen ihr Forschungsflugzeug Halo in 22 Meter Höhe mit etwa 250 Kilometern pro Stunde am Boden aufgestellte Platten aus weiß lackiertem Sperrholz überfliegen. Die Testpiloten Stefan Grillenbeck und Steffen Gemsa steuerten das modifizierte Geschäftsflugzeug des Typs Gulfstream G550 durch künstlich erzeugten Rauch, der die sonst unsichtbaren spiralförmigen Wirbel an den Tragflächen sichtbar machte. Überflog Halo die Plattenkonstruktion, so ließ sich mit geübtem Auge beobachten, dass die Wirbel schneller zerfallen als beim Kontrollflug ohne Platten. Die Versuchsobjekte maßen 2,20 Meter mal vier Meter. Für größere Verkehrsflugzeuge müsste die Konstruktion angepasst werden, sie könnte dann etwa doppelt so groß ausfallen wie im Versuch.

„Das sah sehr gut aus“, kommentierte DLR-Projektleiter Frank Holzäpfel am Donnerstag den Praxistest. „Aber letztendlich wissen wir es erst, wenn wir die Lasermessung der Luftbewegungen ausgewertet haben.“ Im nächsten Schritt soll das System an einem Verkehrsflughafen getestet werden. Holzäpfel ist mit Singapur in Kontakt: „Der Stadtstaat will Kompetenz zur Luftverkehrsforschung aufbauen und hat sich an uns gewandt. Ich rechne damit, dass wir das Demonstrationsvorhaben in dem dynamischen Stadtstaat relativ schnell realisieren können.“ Er hofft, innerhalb von drei Jahren Ergebnisse präsentieren zu können, die die Funktionsfähigkeit des Systems belegen – „wenn wir das an einem Flughafen demonstriert haben, werden die anderen nachziehen“.

Wirbelschleppen bilden sich an den Tragflächen der Flugzeuge. Besonders gefährlich sind sie, wenn kleine oder mittlere Flugzeuge hinter großen Fliegern starten oder landen. Dann kann die nachfolgende Maschine im schlimmsten Fall seitlich wegkippen. Um dies auszuschließen, ist laut Deutscher Flugsicherung ein Sicherheitsabstand von bis zu elf Kilometern nötig. Maßgebend für die Dimension der Wirbelschleppen ist die Spannweite. Flugzeuge sind in drei Wirbelschleppenkategorien (klein, mittel, groß) eingeteilt. „Je nach der Kategorie ist festgelegt, in welchem Abstand die Flugzeuge hintereinander fliegen müssen, sonst könnte die kleinere Maschine in die Wirbelschleppen der größeren geraten, erläutert die Sprecherin der Flugsicherung, Kristina Kelek.

Seit 1996 forscht das DLR zu Wirbelschleppen. Es gilt zum einen, die Sicherheit der Flugzeuge zu erhöhen, zum anderen durch kürzere Start- und Landeabstände die Kapazität von Flughäfen auszubauen, ohne dass eine weitere Startbahn nötig wird. Ansätze, mit modifizierten Flügelkonturen die Wirbelschleppen direkt am Flugzeug zu reduzieren, hätten ihre Grenzen, so Holzäpfel: „Es besteht dann leicht die Gefahr, dass der Auftrieb nicht mehr ausreicht. Wir verfolgen diese Ansätze derzeit nicht mehr.“

Wenn die Wirbelschleppen technisch nur sehr aufwendig zu verringern sind, bleibt der Weg, intelligenter mit ihnen umzugehen. Theoretisch können die verschachtelten Plattenreihen die Zahl der Landungen auf das Doppelte steigern. In der Realität erwartet Holzäpfel grob geschätzt ein Plus von zehn Prozent. Künftig solle die Konstruktion aus einem weichen Material anstatt aus Sperrholz sein, damit sie nicht zum gefährlichen Hindernis werde, wenn einmal ein Flugzeug über die Bahn hinausschießt.

An den Platten bilden sich Nebenwirbel, die den Hauptwirbel hemmen

Die Plattenformation stört die beiden spiralförmigen Hauptwirbel. An den Platten bilden sich zusätzliche kleinere Wirbel, die die Primärwirbel umgeben und sie dadurch hemmen. Das System wirkt dadurch nicht nur an den Platten, sondern auch in dem dahinterliegenden Luftraum. Dieser ist für den Anflug der nächsten landenden Maschine entscheidend. „Wir betrachten die untersten 100 Meter. Denn in Bodennähe wandern die Wirbel auseinander. Sie können über Landebahnen wieder leicht aufsteigen und dort ausharren“ – wenn sie nicht durch Wind oder eben durch die Plattenkonstruktion daran gehindert werden.

Der bereits patentierte technische Ansatz sei vor allem für Flughäfen interessant, auf denen viele große Maschinen wie Jumbojets und der A380 landen, so Projektleiter Holzäpfel, etwa für Frankfurt, Charles de Gaulle bei Paris und London-Heathrow. Er geht davon aus, dass die Platten in diesem Jahrzehnt auf den ersten europäischen Airports aufgestellt werden.

Auch für Hamburg sei das ein interessanter Ansatz, sagte Flughafensprecherin Katja Tempel. Allerdings herrsche in absehbarer Zeit dafür kein Bedarf. Tempel: „Wir arbeiten noch nicht an der Kapazitätsgrenze unseres Start- und Landesystems. Zudem haben die Starts- und Landungen gerade abgenommen. Im vergangenen Jahr hatten wir 152.890 Flugbewegungen, 2011 waren es noch 158.076. Gleichzeitig stieg die Passagierzahl auf rund 13,7 Millionen Fluggäste, durch größere und besser ausgelastete Maschinen.“

Der Flughafen Hamburg wolle zunächst die endgültigen Forschungsergebnisse abwarten, so Tempel. „Zukünftig könnten die Platten für uns interessant werden.“