Hafen-, Schifffahrts- und Umweltbehörden an Elbe, Weser, Schelde und Humber lernen in einem Netzwerk voneinander. Elf Institutionen sind in dem Projekt verbunden.

Hamburg. Die Unterläufe von Elbe und Schelde haben vieles gemein: Beide Flüsse verbinden Welthäfen mit der Nordsee (bei der belgisch-niederländischen Schelde ist es der Hafen von Antwerpen), beide sind dynamische Gewässer mit großem Tidehub (Bandbreite zwischen Hoch- zu Niedrigwasser der Gezeiten) und beide stehen aufgrund ihrer großen ökologischen Bedeutung weitgehend unter Naturschutz. Entsprechend vielfältig sind die Herausforderungen, die Flusssysteme zu managen. Im Rahmen des EU-Projekts TIDE (Tidal River Development) haben sich die verschiedenen Akteure entlang der Flussläufe von Elbe, Schelde, Weser und Humber (Ostküste England) vernetzt, um beim Flussmanagement voneinander zu lernen.

Elf Institutionen arbeiten im EU-Projekt mit

Elf Institutionen sind im Projekt verbunden, für die Elbe sind es die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) und der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft. Zum Abschluss des dreijährigen Projekts treffen sich die Partner von Dienstag bis Donnerstag in Hamburg zu einer Abschlusskonferenz. „Wir haben durch den Erfahrungsaustausch bereits eine ganze Menge gelernt“, sagte HPA-Geschäftsführer Wolfgang Hurtienne bei der Präsentation der Ergebnisse.

Die HPA leitete das mit 3,7 Millionen Euro ausgestattete Projekt. Dessen Ergebnisse sind handlich in einer virtuellen Werkzeugkiste (engl. toolbox) abgelegt worden, die im Internet unter www.tide-toolbox.eu zu öffnen ist. Die meist englischsprachige Plattform bietet zum Beispiel eine Datenbank für Managementmaßnahmen. Hier können interessierte Flussgestalter nachlesen, ob bestimmte Maßnahmen, die an einem der anderen Gewässer ergriffen worden sind, tatsächlich funktioniert haben und wo sich bei der Umsetzung Hindernisse auftaten.

Der klassische Konflikt bei einer viel befahrenen Wasserstraße verläuft zwischen Schifffahrt/Hafenwirtschaft und Naturschutz. Das TIDE-Projekt brachte beide Seiten an einen Tisch, Hafen- und Umweltverwaltungen sowie Universitätsinstitute tauschten sich aus. Die wichtigste Erkenntnis: Bei einer nachhaltigen Gestaltung der Flussläufe und Mündungsgebiete muss ein fairer Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen gefunden werden, neben den genannten gehören die Landwirtschaft, Flussanwohner und Freizeitnutzer dazu.

Der Weg zu einer einvernehmlichen Flussgestaltung sei lang und nur in einem intensiven Diskussionsprozess zu bewerkstelligen, sagte Wivina Demeester, Mitglied des TIDE-Beirats. Die ehemalige belgische Finanz- und Wissenschaftsministerin (1991/92) hat für die belgische Regierung mit den Niederlanden einen Entwicklungsplan für die Schelde verhandelt. „Wir haben im Jahr 2000 angefangen und eine Perspektive bis 2030 entwickelt“, sagte Demeester. Dabei ging es vor allem um eine dritte Flussvertiefung für den Hafen Antwerpen und die Wiederanbindung von Polderflächen an das Gezeitenregime der Schelde zugunsten des Küsten- und des Naturschutzes. Belgien verpflichtete sich vertraglich, 1100 Hektar Polderfläche dem Flusssystem zurückzugeben, auf niederländischer Seite sind es 600 Hektar.

Die Öffnung der Polder sei zwar noch nicht abgeschlossen, aber 2009 sei mit der Fahrrinnenvertiefung begonnen worden, sagte Demeester. „Ein integriertes Management, das alle Interessen einbezieht, ist entscheidend. Es reicht nicht, nur den legalen Weg zu gehen, um ein solches Projekt umzusetzen“, sagte Vemeester mit Blick auf die Hamburger Hafenverwalter, die ihre geplante Fahrrinnenanpassung nach einer Klage von Umweltverbänden gerade vor dem Bundesverwaltungsgericht verteidigen müssen.

Was die Baggerarbeiten zur Unterhaltung des Hafens (Stichwort Sedimentmanagement) angeht, will Wolfgang Hurtienne stärker als bisher mit den Vertretern anderer Nutzungsinteressen zusammenarbeiten. Bei der Fahrrinnenanpassung sei dies schwierig, dafür sei die Planung des Projektes zu weit fortgeschritten.

Um die Menschen entlang der Ufer ins Gewässermanagement einzubeziehen, ist es wichtig zu wissen, wie sie über ihren Fluss denken. Dieser Frage ging Dr. Beate Ratter, Sozioökonomin am Helmholtz-Zentrum Geesthacht und Geografie-Professorin an der Universität Hamburg, im Rahmen des TIDE-Projektes nach.

Bewohner der Region Unterelbe halten den Hamburger Hafen für wichtig

„Wir befragten 821 Personen aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen in ausführlichen Interviews. So wollten wir erfahren, was die Menschen mit dem Begriff Heimat verbinden. Die häufigste Antwort war: ,Das ist der Ort, an dem ich mich wohlfühle.‘ Das zeigt die emotionale Verbundenheit.“ Auf Rang zwei folgte „Das ist dort, wo meine Familie und meine Freunde wohnen“ und damit ein sozialer Aspekt.

Zur Elbe fielen vor allem drei Begriffe: „Schifffahrt und Hafen“, „Freizeitgestaltung“ und der Fluss selbst. Ratter: „Nicht einmal 20 Prozent der Befragten haben mit der Elbe Gefahren verbunden.“ Und: 90 Prozent aller Anrainer schätzten die Bedeutung des Hafens als sehr wichtig oder wichtig ein.