Beim Nestbau nutzen Vögel verschiedene Tricks, um bei ihren Partnern Eindruck zu schinden und dem Nachwuchs gute Startchancen zu bieten. Männliche Haussperlinge setzen auf eine gemütliche Innenausstattung.

Hamburg. Die Bauwirtschaft hat gerade wieder Hochkonjunktur. Ständig wird in diesen Tagen irgendwo Material herangeschleppt, gemauert und gehämmert, tapeziert und geflochten. Allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Ringeltaube, die ein paar nackte Zweige zu einem schütteren Haufen aufschichtet, wird kaum einen Design-Preis gewinnen. Viele andere Vögel aber verwenden einige Sorgfalt auf die Konstruktion ihrer Nester, denn diese sollen nicht nur dem Nachwuchs einen guten Start ins Leben ermöglichen. Oft nutzen Vögel auch die Gelegenheit, mit ihrem Werk beim anderen Geschlecht zu punkten.

Männliche Haussperlinge setzen dabei auf eine gemütliche Innenausstattung. Wie erfolgreich das ist, zeigt eine aktuelle Studie im Fachjournal „Ethology“. Lola Garcia-Lopez de Hierro von der Universität in Granada und ihre Kollegen haben das Brutverhalten dieser weltweit verbreiteten Vögel auf der südafrikanischen Dassen-Insel beobachtet. Dort bauen die Tiere rundliche Nester mit Kuppeldächern in die Bäume. Die Männchen schleppen dann reichlich Federn an, um die Kinderstuben auszupolstern. Damit dieser Einsatz nicht verborgen bleibt, rufen sie bei der Rückkehr zur Baustelle nach ihrer Partnerin und halten ihr das mitgebrachte Material unter den Schnabel.

Tatsächlich wissen die Weibchen diese Anstrengungen durchaus zu schätzen: Je mehr Federn die Männchen sammeln, umso mehr Eier legen die Weibchen und umso eifriger füttern sie später die Küken. Ein guter Innenausstatter scheint in ihren Augen auch ein guter Partner zu sein. Da lohnt es sich offenbar, besonders viel in den gemeinsamen Nachwuchs zu investieren. Zusätzlich profitieren die Jungspatzen wohl auch direkt von den Federpolstern, die ihre Kinderstube gegen zu kühle Temperaturen isolieren.

Auch in anderen Fällen ist das Baumaterial entscheidend für die Gesundheit des Nachwuchses. Haussperlinge, die in Städten leben, bestücken ihr Nest zum Beispiel immer wieder mit Zigarettenkippen. Das klingt zwar nicht gesundheitsfördernd, doch der Eindruck täuscht, wie Montserrat Suarez-Rodriguez und ihre Kollegen von der Nationalen Autonomen Universität in Mexiko-Stadt herausgefunden haben. Das Nikotin in den Stummeln vertreibt nämlich Milben und andere Parasiten aus dem Nest. Ein ähnlicher Effekt lässt sich erzielen, wenn man aromatisch duftende Pflanzen in die Kinderstube einbaut. Und auch auf diesen Trick sind etliche Vogelarten vom Star bis zur Blaumeise schon gekommen.

Die Innenausstattung ist aber nicht alles. Auch in Sachen Baustil lassen sich Vögel einiges einfallen. Mehlschwalben haben im Laufe ihrer Evolution die Kunst des Mauerns gelernt und heften so lange feuchte Lehmklümpchen an eine Hauswand, bis eine geschlossene Halbkugel mit einem Einflugloch entstanden ist. Haubentaucher sind dagegen Meister im Floßbau. Zwar verankern sie ihre aus Schilf, Wasserpflanzen und Ästen errichteten Nester manchmal an überfluteten Büschen oder anderen Pflanzen. Oft aber schwimmt ihre Kinderstube auch frei auf dem Wasser.

Nicht jeder will das nasse Element allerdings direkt vor den Füßen des Nachwuchses schwappen haben. Drossel- und Teichrohrsänger befestigen ihr Nest lieber ein Stück über dem Wasser. Sie nutzen drei oder vier Schilfhalme als Stelzen und flechten einen Napf aus Gras und Schilf dazwischen – ein Unterfangen, das akrobatische Geschicklichkeit erfordert. Doch der Aufwand lohnt sich: Selbst wenn sich das Schilf im Wind biegt, bleibt die Kinderstube heil.

Ähnlich viel Wert auf Stabilität legen die Schwanzmeisen. Oft sind die beiden Partner mehr als einen Monat lang damit beschäftigt, aus Moos und Halmen, Fasern und Spinnweben ein kugeliges oder eiförmiges Nest mit seitlichem Eingang zu flechten. Diese robuste Kinderstube hat nicht nur bis zu drei Zentimeter dicke Wände, sondern ist oft auch so fest mit den Ästen von Bäumen oder Büschen verbaut, dass Wind ihr nichts anhaben kann.

Doch wie bei der Inneneinrichtung geht es auch beim Baustil oft nicht nur um Funktionalität. Wenn die Männchen die Konstruktion des Nestes allein übernehmen, machen sie mit einem besonders sorgfältigen Werk auch Werbung in eigener Sache. Erfolgreiche Zaunkönig-Casanovas errichten meist etliche Rohbauten. Dann locken sie durch Gesang ein Weibchen an und zeigen eines ihrer Werke vor. Leicht zu überzeugen sind die Weibchen offenbar nicht: Bevor sie sich auf eine Paarung einlassen und das Nest dann persönlich auspolstern, wird die künftige Kinderstube erst einmal auf Größe, Stabilität und sorgfältige Verarbeitung geprüft. Pfusch am Bau hat keine Chance.

Das gilt noch mehr für die Männchen der Beutelmeisen, die ihrem Namen alle Ehre machen: Aus Pflanzenmaterial und Spinnweben bauen sie kunstvolle, flauschige Nester mit Seiteneingang, die wie Beutel von biegsamen Zweigen hängen. Und wieder hat die umworbene Partnerin die Auswahl zwischen verschiedenen Kinderstuben.

Am meisten Mühe aber müssen sich wohl die Webervögel geben, wenn sie bei den Weibchen Eindruck schinden wollen. Es gibt an die 120 Arten dieser geschickten Schnabelwerker, von denen die meisten in Afrika, einige auch im tropischen Asien leben. Und bei fast allen flechten die Männchen Grashalme und anderes Pflanzenmaterial zu raffinierten, kugel- oder flaschenförmigen Gebilden, die von den Ästen der Bäume hängen. Je nach Art sind bei diesen Tieren Einfamilienhäuser oder große Mietskasernen für mehrere Familien gefragt. Doch das Ziel ist immer das Gleiche: Nur wer mit seinen Baumeister-Qualitäten überzeugt, kann eines der wählerischen Weibchen in sein Nest locken und zur Paarung schreiten.

Doch wie wird so ein Männchen zum sexy Architekten? Bis vor Kurzem hatten Biologen angenommen, dass Bautalent bei Vögeln vor allem eine Frage der Genetik ist. Die Konstruktionspläne für das arttypische Nest seien den Tieren größtenteils angeboren. „Dann würde man allerdings erwarten, dass ein bestimmter Vogel immer nach dem gleichen Muster baut“, erläutert Patrick Walsh von der University of St. Andrews in Schottland. Doch als er und seine Kollegen männliche Maskenweber in Botswana bei der Arbeit filmten, erlebten sie eine Überraschung. Die Vögel, die in jeder Saison mehrere Nester errichten, waren viel flexibler als erwartet: Dasselbe Tier flocht sein Graskunstwerk mal von links nach rechts und mal in umgekehrter Richtung. Junge Männchen bauten viel unordentlichere Nester als ältere, und die ersten Gebäude einer Saison waren meist größer und schwerer als die späteren.

Möglicherweise müssen sich die Tiere die Prinzipien der Leichtbauweise jedes Jahr wieder neu vor Augen führen. Jedenfalls werden sie im Laufe der Brutsaison deutlich geschickter und lassen immer seltener Baumaterial fallen. „Daran sieht man, dass Lernen und Erfahrung beim Nestbau eine große Rolle spielen“, sagt Walsh. Zum Star-Architekten wird man auch in Webervogel-Kreisen nicht über Nacht. Doch der Erfolg beim anderen Geschlecht scheint die Mühe wert zu sein.