Uni Hamburg hat untersucht, wie es in Bundesexzellenzinitiative um Chancengleichheit bestellt ist. Auf dem Level von Professuren müssen mehr Frauen mit schwierigen Alltagsbedingungen zurecht kommen.

Hamburg. Das Fazit fällt gemischt aus: „Es gibt positive Entwicklungen, trotzdem müsste noch viel mehr getan werden, um die Benachteiligung von Frauen in der Spitzenforschung zu verhindern“, sagt Anita Engels. Die Soziologieprofessorin und ihr Team vom Centrum für Globalisierung und Governance an der Universität Hamburg stellten am Donnerstag die Ergebnisse einer bundesweiten Studie vor, in der es um die Chancengleichheit in herausragenden Wissenschaftsprojekten geht.

Die Forscherinnen hatten von 2006 bis 2011 zunächst 18 Graduiertenschulen (Doktorandenausbildung) und siebzehn Exzellenzcluster (große Forschungsprojekte) begleitet, die Geld von der Exzellenzinitiative des Bundes erhalten. In einem zweiten Schritt kooperierte das Team mit weiteren 15 Graduiertenschulen, zwölf Exzellenzclustern und fünf Universitäten, um mit Hilfe von Einzelinterviews und Befragungen eingehender zu untersuchen, wie sich Arbeit und Leben für Frauen in der Spitzenforschung gestalten. Die Universität Hamburg, die seit 2006 mit dem Exzellenzcluster CliSAP vertreten ist, wurde in der Studie ausgeklammert, weil Anita Engels Mitglied der CliSAP-Gruppe ist – das wäre ein Interessenskonflikt gewesen.

Erfreulich findet Engels die Befunde zum Anteil von Frauen, die Spitzenpositionen in Exzellenzprojekten besetzen. Zu Beginn der ersten Runde 2006 betrug dieser Anteil elf Prozent; zu Beginn der zweiten Runde der Bundesinitiative 2011 hatte sich der Anteil auf 21 Prozent erhöht. Der zweite Wert entspreche in etwa dem Bundesdurchschnitt, sagt Engels; bei Einstiegspositionen liege der Frauenanteil leicht über dem Bundesdurchschnitt. Der Zuwachs bis 2011 ist Engels zufolge vor allem darauf zurückzuführen, dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft Chancengleichheit zu einem Exzellenzkriterium gemacht hatte, das insofern auch über Zu- oder Absage für Fördergeld entscheiden konnte. „Dieser Umstand hat zu einer verstärkten Aufmerksamkeit und zu einer Aufwertung der Chancengleichheit geführt“, sagt Engels. „Offensichtlich hatten sich viele Leiter wissenschaftlicher Einrichtungen ernsthaft Gedanken darüber gemacht – das war vorher in diesem Umfang nicht der Fall gewesen.“

Dieser positiven Entwicklung stünden bestimmte Strukturen in der Spitzenforschung entgegen, die als Benachteiligung von Frauen zu werten seien, sagt Engels. Diese zeige sich zum Beispiel an ungleichen Arbeitsbedingungen in der Exzellenzinitiative. Zumindest in einem frühen Karrierestadium hätten Männer öfter eine Vollzeitstelle als Frauen, die im Vergleich öfter Teilzeitverträge hätten – und dies gelte längst nicht nur für Frauen mit Kindern. Doktorandinnen müssten ihre Promotion öfter mit einem Stipendium finanzieren, wohingegen ihre männlichen Kollegen eher bei der Universität oder Forschungseinrichtung angestellt seien. Ein ähnliches Bild zeige sich bei den Postdocs, die nach der Promotion auf eine Habilitation hinarbeiten. Männer in dieser Position seien öfter unbefristet angestellt als Frauen – dies gelte für alle wissenschaftlichen Disziplinen. Erst auf dem Level von Professuren verschwänden die Unterschiede hinsichtlich Vollzeitbeschäftigung und unbefristeter Anstellung.

Dass die Chancengleichheit in vielen Forschungseinrichtungen noch nicht erreicht ist, deuten auch die Ergebnisse zum Thema Unterstützung an. Gefragt, welche Person sie hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Karriere am meisten unterstützt habe, sagten mehr Forscherinnen, das dies ein Verwandter, ihr Partner oder ein enger Freund sei. Dagegen sagten mehr Männer, dass sie sich vor allem von älteren Forschern oder von ihrem direkten Vorgesetzten unterstützt fühlten.

Auf dem Level von Professuren müssen mehr Frauen mit schwierigen Alltagsbedingungen zurecht kommen: 39 Prozent leben in Beziehungen, in denen einer der Partner mehr als 100 Kilometer zwischen Heim und Arbeitsstätte pendelt – bei Männern in vergleichbarer Position betriffft dies nur 13 Prozent. Insgesamt zeige sich, dass Männer auf diesem Level typischerweise mit einer Frau auf einem niedrigeren Karrierelevel zusammen seien, die in Teilzeit arbeite. Professorinnen hingegen hätten typischerweise Partner, die das gleiche oder ein höheres Bildungsniveau hätten und Vollzeit in einem herausfordernden Job arbeiteten.

Keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Chancengleichheit zeigten sich bei Nachwuchsforschern, die erstmals Führungsverantwortung übernehmen und kleine Teams leiten. Eigentlich sollten diese Gruppen eine tolle Karrieremöglichkeit sein, sagt Anita Engels. Doch aus Befragungen gehe hervor, dass viele Verwaltungen nicht gut darauf vorbereitet seien, junge Talente zu unterstützen. Oft müssten die Gruppenleiter neue Strukturen aufbauen, Doktoranden und studentische Hilfskräfte anstellen und einen komplexen Forschungsprozess in Gang bringen, ohne dass ihnen bei der Organisation jemand unter die Arme greife.

Anita Engels wünscht sich, dass Universitäten und Forschungseinrichtungen bundesweit künftig standardmäßig Daten erheben, wie es ihre Gruppe jahrelang getan habe. Denn oft genug sei den Verantwortlichen gar nicht bewusst, unter welchen Bedingungen Frauen und Männer in der Spitzenforschung arbeiteten.