Konstanz. Zecken ritzen zunächst mit ihren Mundwerkzeugen die Haut auf. Dann schieben sie ihr Rostrum, eine Art Stechrüssel, in die Wunde und "schmecken erst einmal vor". "Diese 'Geschmacksprobe' kann einige Stunden dauern", erklärt der Konstanzer Mikrobiologe Oliver Nolte. "Fällt sie positiv aus, so injiziert die Zecke eine Art Zement, mit dem sie sich fest mit der Einstichstelle verbindet." Versucht man dann, die Zecke aus der Haut zu ziehen, so zieht man automatisch die Haut mit hoch. In diesem Stadium beginnt die Zecke, Blut zu saugen. Das einströmende Blut gibt den Borrelien, die sich im Mitteldarm der Zecken festgesetzt hatten, das Signal, ihre Oberflächenstruktur so zu verändern, dass sie sich lösen und durch die Einstichstelle ins Blut des gestochenen Tieres oder Menschen gelangen können. Erst dann fängt die Infektion an.

Im Immunsystem gibt es mehrere Verteidigungslinien, wenn Bakterien eindringen. "Eine der frühsten ist das Komplementsystem, bei dem Plasmaproteine sich an die Bakterien heften und eine Kaskade im Blut in Gang setzen. Die führt letztlich dazu, dass die Bakterien abgetötet und aufgelöst werden", sagt Nolte. Manche Borrelien haben sich aber daran angepasst: Sie haben auf ihrer Oberfläche Eiweiße ausgeprägt, die die Plasmaproteine binden - die Kaskade kann dann nicht ablaufen, die Bakterien bleiben unbehelligt. "Offenbar ist es sogar so, dass mit Borrelien infizierte Zecken bei einem Stich beispielsweise eines Hirsches Plasmaproteine aufnehmen können, die die zuvor getarnten Borrelien wieder erkennen. Borrelioseinfizierte Zecken können also durch den Stich eines weiteren Säugetiers von ihren Borrelien befreit werden."

Die Durchseuchung der Zecken mit Borrelien schwankt von Jahr zu Jahr und von Region zu Region. "In manchen Gegenden findet man in jeder zweiten Zecke Borrelien", sagt Nolte. "Es gibt aber nur wenige Studien, die Rückschlüsse darüber zulassen, welches Risiko wirklich von Zecken ausgeht. Eine Untersuchung von Heidelberger Forschern um Matthias Maiwald aus dem Jahr 1998 zeigt, dass von 100 Menschen bei einem Zeckenbiss zwei mit Borrelien infiziert werden. Nur einer erkrankt auch an Borreliose", sagt Nolte.