Zwei neue Studien zeigen, dass Eingriffe ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine für Patienten keine Vorteile bringen. Es gibt aber Ausnahmen.

Hamburg. Bei bestimmten Verengungen der Herzkranzgefäße ist eine Bypassoperation unumgänglich: Mithilfe von körpereigenen Arterien werden die Engstellen in den Blutgefäßen überbrückt und so die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels sichergestellt. Doch wer eine solche Operation vor sich hat, stellt sich auch die Frage: Welche Methode ist die richtige für mich? Denn es gibt zwei Möglichkeiten. Bei der einen Variante (dem sogenannten On-Pump-Verfahren) wird die Operation mithilfe der Herz-Lungen-Maschine durchgeführt. Das heißt, das Herz wird während des Eingriffs stillgelegt, das Blut fließt durch Schläuche in die Maschine, wird dort mit Sauerstoff angereichert und dann in den Körper des Patienten zurückgegeben. Die Alternative dazu ist die Operation am schlagenden Herzen ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine (Off-Pump-Verfahren), bei der das Herz nur an den Stellen durch Stabilisatoren fixiert wird, an denen die Ärzte operieren müssen.

Immer wieder wurde diese Methode in der Vergangenheit als schonender für den Patienten angesehen, weil dabei auf den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine verzichtet werden kann. Jetzt haben allerdings zwei große Studien gezeigt, dass es bei den Ergebnissen keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Verfahren gibt. Beide Studien sind in der renommierten Fachzeitschrift "The New England Journal of Medicine" erschienen.

Eine deutsche Studie untersuchte 2370 Patienten an zwölf Einrichtungen. Beteiligt waren auch zwei Hamburger Herzzentren, am Universitätsklinikum Eppendorf und am Albertinen-Krankenhaus. In den Ergebnissen zeigte sich sowohl 30 Tage als auch ein Jahr nach dem Eingriff, dass es bei den Patienten, die alle älter als 75 Jahre alt waren, keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Verfahren gab. Das betraf die Zahl der Todesfälle, der Schlaganfälle, der Herzinfarkte und Nierenversagen sowie von erneuten Eingriffen, um das verengte Herzkranzgefäß wieder zu öffnen. So lag die Zahl der Todesfälle in der Off-Pump-Gruppe nach 30 Tagen bei 2,6 Prozent und nach einem Jahr bei insgesamt sieben Prozent. In der On-Pump-Gruppe starben in den ersten 30 Tagen 2,8 Prozent der Patienten, innerhalb des ersten Jahres insgesamt acht Prozent.

In einer weiteren internationalen Studie unter Leitung der McMaster University in Hamilton, Kanada, wurden 4752 Patienten an 79 Zentren in 19 Ländern mit diesen beiden Verfahren operiert und dann nach einem Jahr untersucht. In der Off-Pump-Gruppe starben 5,1 Prozent der Patienten innerhalb eines Jahres nach dem Eingriff und damit ähnlich viele wie in der On-Pump-Gruppe (fünf Prozent). Keine wesentlichen Unterschiede fanden sich auch bei der Häufigkeit von wiederkehrender Brustenge oder der erneuten Notwendigkeit, verengte Herzkranzgefäße durch Herzkatheter oder Bypass-Operationen zu behandeln. Auch die Raten für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Nierenversagen waren ähnlich. Das Gleiche gilt für die Lebensqualität der Patienten nach dem Eingriff und ihre geistige Leistungsfähigkeit.

Da es kaum Unterschiede in den Behandlungsergebnissen gibt, wird im Universitären Herzzentrum des Universitätsklinikums Eppendorf bei jedem Patienten individuell entschieden, ob er mit dem Off- oder- On-Pump-Verfahren operiert wird. "Wir wenden das Off-Pump-Verfahren nur bei Patienten mit einem bestimmten Risikoprofil an", sagt Prof. Hermann Reichenspurner, Direktor des Herzzentrums und Chef der Herzchirurgie. Das sind erstens Patienten mit Verkalkungen in der Hauptschlagader und in den Halsschlagadern, die dadurch ein erhöhtes Schlaganfallrisiko haben. "Die Änderung des Blutflusses, die durch das Anschließen der Herz-Lungen-Maschine an die Hauptschlagader verursacht wird, kann dazu führen, dass sich kleine Kalkstücke von der Gefäßwand lösen, mit dem Blut in das Gehirn geschwemmt werden und dort einen Schlaganfall auslösen", sagt Reichenspurner.

Eine weitere Risikogruppe sind Patienten mit einer deutlich eingeschränkten Leber- oder Nierenfunktion. Bei Einsatz der Herz-Lungen-Maschine muss das Blut durch Heparin verdünnt werden. "Anschließend muss die Leber die Gerinnung wieder normalisieren und das Heparin abbauen. Deshalb sollte die Leberfunktion intakt sein", sagt Reichenspurner. Wenn die Nieren nicht richtig funktionierten, könne es durch den Blutdruckabfall bei Einsatz der Maschine zu einem akuten Nierenversagen kommen.

Die dritte Gruppe sind Patienten mit bösartigen Tumoren. "Die Herz-Lungen-Maschine kann Tumorzellen im Körper verbreiten. Deswegen werden auch diese Patienten mit dem Off-Pump-Verfahren operiert", sagt Reichenspurner.

Für das On-Pump-Verfahren sieht der Herzchirurg vor allem bei jüngeren Menschen Vorteile. "Bei jüngeren Patienten, bei denen mehrere Herzkranzgefäße verengt sind, bietet das On-Pump-Verfahren mehr Sicherheit, die filigranen Arterien als Bypässe anzulegen. Es zeigt sich in den Studien zwar kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Verfahren in Hinsicht auf die Notwendigkeit einer erneuten Bypass-OP oder des Setzen eines Stentes, aber es gibt eine Tendenz, dass eine erneute Behandlung bei der Off-Pump-Methode etwas häufiger nötig ist. Deswegen wählen wir in diesen Fällen die On-Pump-Methode, weil wir sichergehen wollen, dass zum Beispiel bei einem 55-Jährigen die Bypässe auch noch offen sind, wenn er 70 Jahre alt ist", sagt Hermann Reichenspurner.