Ein neues, norddeutsches Forschungsprojekt untersucht die Bedeutung des Minerals für die Zirkulation der Ozeane.

Hamburg. Salz ist für den Menschen lebenswichtig, weil es dem Körper hilft, Flüssigkeit in den Zellen zu halten. Ohne das Mineral würden wir kollabieren. Weniger bekannt ist bisher, dass Salz nicht nur unsere Gesundheit beeinflusst, sondern auch das weltweite Klima - nicht als Zutat in vielen Lebensmitteln, sondern als Bestandteil der Ozeane.

Das hat damit zu tun, dass die Salzkonzentration im Wasser das globale System der Meeresströmungen beeinflusst und damit unter anderem den Transport von Wärme. Diese wird von den Ozeanen an die Atmosphäre abgegeben; zugleich nehmen die Ozeane Strahlungsenergie der Sonne auf. Angetrieben wird das Förderband der Wasserströmungen an der Meeresoberfläche vor allem vom Wind; in tieferen Schichten hängt die Zirkulation von der Dichte, also dem Gewicht des Wassers ab - und dieses wird neben der Temperatur von der Konzentration der gelösten Salze bestimmt. Je kälter Wasser ist und je mehr Salz es enthält, desto höher ist seine Dichte. Dann sinkt es. Unterwegs in der Strömung erwärmt sich das Wasser, seine Dichte nimmt ab. Dann steigt es wieder.

Durch Verdunstung, Niederschlag, Frischwasser aus Flüssen und Eisschmelze könne sich die Salzkonzentration verändern, sagt Prof. Detlef Stammer vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg. In welchen Zeiträumen sich der Salzgehalt verändert, an welchen Orten und wie genau die genannten Faktoren diesen Prozess beeinflussen, sei bisher allerdings erst ansatzweise untersucht worden, sagt Stammer. "Das soll sich nun ändern."

Stammer ist Sprecher eines neuen Forschungsprojekts, das in den kommenden drei Jahren mit 1,1 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt wird. Beteiligt an den Arbeiten sind auch Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, der Universität Bremen, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und der Deutsche Wetterdienst.

Die Forscher wollen dabei insbesondere der Frage nachgehen, wie sich die Salzkonzentration im oberen Atlantik verändert und wie stark dieser Prozess den weltweiten Wasserzyklus beeinflusst. Darauf aufbauend könnten andere Wissenschaftler dann einen Bezug zum Klima herstellen.

Dass noch so wenig über die Veränderungen der Salzkonzentration in den Ozeanen bekannt ist, hat Detlef Stammer zufolge zwei Gründe. Erstens hätten Forscher lange fälschlicherweise angenommen, dass alle Variationen im Ozean hauptsächlich durch die Temperatur bestimmt werden und dass sich der Salzgehalt wenig ändert. "Nach und nach hat man dann herausbekommen, dass der Salzgehalt stark schwankt und dass sich dies auch auf die Zirkulation auswirkt." Zweitens sei es lange schwierig und aufwendig gewesen, den Salzgehalt im Meerwasser zu bestimmen. Bis in die 1970er-Jahre hinein mussten Forscher Wasserproben nehmen und dann mithilfe von chemischen Lösungen untersuchen, wie viel Salz enthalten ist. Seit den 1970er-Jahren ließ sich die Analyse mithilfe von elektronischen Sonden beschleunigen, die anhand der Leitfähigkeit des Wassers den Salzgehalt bestimmen konnten (sehr salzhaltiges Wasser leitet elektrischen Strom besser als weniger salzhaltiges Wasser).

Doch erst seit 2002 hat die Forschung über die Salzkonzentration richtig Fahrt aufgenommen. Damals begannen Wissenschaftler damit, ein globales Netzwerk aus Sensoren zu installieren. Inzwischen schwimmen etwa 3000 sogenannte Argo Floats durch die Weltozeane, autonome Messkörper, die von einem internationalen Forscherkonsortium betrieben werden. Diese 1,50 Meter hohen Sonden absolvieren bis zu vier Jahre lang ein sich ständig wiederholendes Zehn-Tage-Programm: Zunächst sinken sie bis auf 2000 Meter Tiefe ab, anschließend treiben sie neun Tage mit der Strömung und messen währenddessen den Salzgehalt des Wassers und die Temperatur. Dann pumpen sie Öl in eine Blase, steigen dadurch auf und messen auf ihrem Weg zur Oberfläche Temperatur und Salzgehalt. Oben angekommen, funken sie die Daten zu einem Satelliten, der sie zu Forschern an Land weiterfunkt. Dann tauchen die Argo Floats wieder ab.

Unterstützung erhalten die Argo Floats seit 2010 von zehn sogenannten Oberflächendriftern im westlichen tropischen Pazifik und elf weiteren Geräten dieser Art in der Grönland-Island-See. Diese Bojen sind mit Sensoren ausgerüstet, die in etwa 50 Zentimeter Tiefe den Salzgehalt messen. Ebenfalls an der Meeresoberfläche schwimmen die 20 sogenannten PIRATA-Sonden im tropischen Atlantik, die in bis zu zehn Meter Tiefe den Salzgehalt messen. Diese Bojen sind allerdings über drei bis vier Kilometer lange Kabel fest am Meeresboden verankert.

Doch damit nicht genug: Seit Kurzem liefern auch der Erdbeobachtungssatellit SMOS von der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) und der Satellit Aquarius von der NASA eine Fülle von Daten. Die beiden Instrumente erfassen Wärmestrahlung, die von den Ozeanen abgegeben wird. Der Clou ist, dass sie einen ganz bestimmten Frequenzbereich messen, in dem die Temperatur vom oberflächennahen Salzgehalt des Ozeans abhängt. Wenn die Forscher die von den Satelliten erfasste Wärmestrahlung um Einflüsse aus der Atmosphäre korrigieren, können sie anhand der Daten auf die Salzkonzentration im Ozean schließen.

All diese Daten müssen sie in Beziehung setzen zu Aufzeichnungen über Niederschläge an bestimmten Orten, zu Simulationen der Verdunstung, der Eisschmelze und zum Frischwassereintrag in die Ozeane durch Flüsse. Dazu wird das Team um Detlef Stammer allerdings nicht zur Amazonasmündung oder in die Karibik reisen; die Auswertung wird von Computern in Hamburg, Bremen und Bremerhaven stattfinden. Stammer stört das überhaupt nicht, er freut sich auf den Datenberg, den es zu analysieren gilt. "Wir können jetzt das erste Mal genau nachvollziehen, wie sich der Salzgehalt im Atlantik ändert und wodurch. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse."