Generell leben wir aber gesünder und länger, zeigt der heute veröffentlichte Europäische Gesundheitsbericht der Weltgesundheitsorganisation.

London. Die Menschen in Europa leben nach einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) immer gesünder und länger - allerdings gibt es zwischen den Ländern sehr große Unterschiede. Insgesamt ist die Lebenserwartung seit 1980 um fünf Jahre gestiegen und lag 2010 bei durchschnittlich 80 Jahren für Frauen und 72,5 für Männer, wie es in dem heute vorgestellten "European Health Report" heißt.

Während die Menschen etwa in Skandinavien deutlich älter werden, sinkt die Lebenserwartung in weiter östlich gelegenen Ländern ab. Hier müsse dringend gehandelt werden, sagte Claudia Stein vom WHO-Büro für die europäische Region: "Einige Länder, wie etwa die Türkei, haben dramatische Verbesserungen erreicht und das zeigt, dass das möglich ist." In Deutschland werden dem Bericht zufolge heute geborene Jungen durchschnittlich 78,1 Jahre alt, Mädchen 83,1. Die Lücke zwischen Männern und Frauen, die vor allem durch Arbeitsbedingungen und Lebensstil beeinflusst wird, müsse verkleinert werden, forderte die WHO. Dabei müsse bei Geschlechterrollen und -normen angesetzt werden.

Rund 80 Prozent aller Todesfälle in Europa sind auf nicht ansteckende Krankheiten zurückzuführen. An erster Stelle stehen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfälle und Herzinfarkte, die für rund 50 Prozent aller Todesfälle verantwortlich sind. Die zweithäufigste Todesursache mit 20 Prozent sind die Krebserkrankungen.

Infektionskrankheiten sind in Europa zwar nicht so häufig wie in den anderen Teilen der Welt, haben aber weiterhin eine große Bedeutung, insbesondere Tuberkulose, HIV-Infektionen und sexuell übertragbare Krankheiten. Die Zahl der Neuinfektionen mit HIV nimmt zwar insgesamt in Europa ab. Doch auch dabei gibt es große regionale Unterschiede: So ist der Osten Europas die Region, in der die Zahl der HIV-Infektionen weltweit am schnellsten zunimmt.

Zu den größten Risikofaktoren haben sich laut WHO in den vergangenen Jahren Tabakkonsum und Alkoholmissbrauch entwickelt. Zusammen mit Umweltgefahren sind sie die wichtigsten Risikofaktoren für die tödlichen Krankheiten, die in Europa an der Spitze sehen: die Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen der Lunge und des Darms. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es so viele Raucher wie in Europa: Die Zahl der Tabakkonsumenten lag hier im Durchschnitt bei 27 Prozent der über 15-Jährigen.

Auch beim Alkoholkonsum ist Europa weltweit führend, allerdings mit starken regionalen Unterschieden. Bei einem durchschnittlichen Alkoholkonsum von 10,6 Litern pro Kopf und Jahr bei den über 15-Jährigen variiert der Verbrauch zwischen mehr als 21 Litern pro Kopf/Jahr in Moldawien und 0,6 Litern pro Kopf/Jahr in Tadschikistan. Deutschland liegt hier an 14. Stelle von 48 erfassten europäischen Staaten.

Nach Schätzungen der WHO ist schädlicher Alkoholkonsum für 6,5 Prozent aller Todesfälle in Europa verantwortlich. Herausgestellt hat sich auch, dass nicht nur die Menge, sondern auch die Art der alkoholischen Getränke für die Gesundheit von Bedeutung ist: Je höher der Alkoholgehalt eines Getränkes ist, umso größer sind die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Die Umweltverschmutzung wertet die WHO ebenfalls als bedeutenden Risikofaktor, der bei der Entstehung einer ganzen Reihe von Krankheiten eine Rolle spielt. Zudem zeichneten sich neue Risiken ab, weil immer mehr Menschen in Städten leben. 2010 waren es laut WHO 70 Prozent. Dieser Trend werde sich fortsetzen; 2045 sollen bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in einem urbanen Umfeld wohnen. "Die Menschen werden dadurch anderen Gesundheitsrisiken ausgesetzt", erklärte Claudia Stein. Sorgen machen der WHO etwa Smog und Fettsucht.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: So hat Europa laut dem WHO-Bericht mit 7,9 Todesfällen auf 1000 Lebendgeborene die niedrigste Kindersterblichkeitsrate der Welt - auch wenn es hier wieder große regionale Unterschiede gibt. Insgesamt ging die Kindersterblichkeit jedoch zwischen 1990 und 2010 um 54 Prozent zurück. Auch die Müttersterblichkeit ist von 1990 bis 2010 um die Hälfte gesunken, auf einen Wert von 13,3 Todesfällen auf 100.000 Geburten. Die Zahl der Todesopfer durch Verkehrsunfälle ging ebenfalls weiter zurück und ist seit 1990 um 50 Prozent gesunken.

Nach einem Anstieg der Selbstmordrate in der Mitte der 1990er-Jahre sei diese in allen Ländern der Region um bis zu 40 Prozent gefallen. Allerdings habe sich der Rückgang im Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise seit 2008 etwas verlangsamt.

In Zukunft will sich die WHO noch stärker auf die Untersuchung des allgemeinen Wohlbefindens der Bevölkerung konzentrieren. Denn sie definiert Gesundheit als "Zustand des vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens". Es gehe dabei nicht nur um die Frage "krank oder gesund". Zum ersten Mal seit 60 Jahren will die WHO den Begriff genauer definieren. Bis Ende 2013 sollen regionale Ziele festgesetzt werden.

Die Europaabteilung der WHO deckt 53 Länder und fast 900 Millionen Menschen ab. Die Grenzen sind dabei weiter gefasst als die EU-Länder: So gehören zum Beispiel auch Staaten wie Russland, Aserbaidschan oder Turkmenistan dazu.