Kleidung, Autoteile, Hüftprothesen - 3-D-Printer können prinzipiell fast jedes Objekt herstellen. Lange waren die Geräte der Industrie vorbehalten, nun erobern sie den Massenmarkt.

New York/Hannover/Berlin . Zwischen Herzen, Hubschraubern und Astronauten aus buntem Plastik steht Bre Pettis und schaut verliebt auf einen schwarzen Kasten von der Größe einer Mikrowelle. "Damit", sagt der Gründer der Firma MakerBot, "führen wir die nächste industrielle Revolution an."

Der Kasten ist ein 3-D-Drucker. Er nutzt jedoch keine Tinte und bringt keine Worte und Bilder aufs Papier, sondern er stellt Gegenstände her. Als Ausgangsmaterial dient ein auf Spulen aufgerollter Kunststoff, der wie ein Wollfaden in das Gerät hineinläuft, dort erhitzt und Schicht für Schicht zu einem Objekt aufgebaut wird. "Es ist eine Maschine und gleichzeitig eine Fabrik. Jeder kann jetzt eine Idee haben, das Design entwerfen und das Produkt herstellen - zu Hause auf seinem Schreibtisch", sagt Pettis. "Du brauchst einen Flaschenöffner? Druck dir einen aus."

Science-Fiction-Fans kennen die Technik seit den TV-Serien "Raumschiff Enterprise" und "Star Trek": Sogenannte Replikatoren stellten fast alles her, was die Mannschaft an Bord so brauchte, von Lebensmitteln bis zu Ersatzteilen. Schon in den 1980er-Jahren wurden ähnliche Geräte jedoch Wirklichkeit; zunächst kamen sie hauptsächlich in der Autoindustrie zum Einsatz. Seitdem hat sich die Technik rasant weiterentwickelt. Ob Badeschlappen, Kaffeetassen, Hüftprothesen, Schachfiguren oder Zahnersatz - prinzipiell können wohl Teile fast jedes Objektes gedruckt werden. Anfang 2011 präsentierten Modedesigner sogar erste Kleider aus dem Drucker.

Nicht nur die Industrie, auch die Forschung profitiert von der Technik: Einige Paläontologen etwa scannen empfindliche Fossilien neuerdings ein und drucken sie dann dreidimensional aus - als Form aus Harz. Diese lässt sich leichter untersuchen, und falls das Original beschädigt wird, ist das keine Katastrophe mehr.

Der Begriff "drucken" ist allerdings irreführend, denn die Verfahren der 3-D-Fertigung sind damit kaum vergleichbar. Vielmehr bauen die Geräte aus millimeterdünnen Materialschichten eine Form auf, wie Maurer, die Stein auf Stein ein Haus zusammensetzen. Damit der Drucker weiß, was er anfertigen soll, muss zuvor entweder ein 3-D-Laser jenes Objekt abtasten, das als Vorbild herhalten soll, oder ein Anwender entwirft das gewünschte Objekt mit einer Software am Computer. In beiden Fällen entstehen dann digitale Daten, die an den 3-D-Drucker geschickt werden - als Bauanleitung.

Bei der Fertigung selbst kommen verschiedene Varianten zum Einsatz. Mal werden Pulverschichten durch Klebstoff in Form gebracht, mal durch Laserstrahlen, die das Pulver an bestimmten Stellen verschmelzen. Das funktioniert mit Stahl, Aluminium, Titan und anderen Metallen. Bei anderen Geräten dient erhitzter Kunststoff als Baumaterial, wie bei den Modellen von Bre Pettis Firma MakerBot.

Pettis Erfindungen stehen am Anfang einer neuen Ära. Lange waren 3-D-Drucker größer als Kleinwagen und kosteten mehrere Hunderttausend Euro. Deshalb waren sie Profis vorbehalten. Doch auf der Computermesse CeBIT in Hannover präsentieren Unternehmen wie MakerBot und die deutsche Firma Fabbster auch 3-D-Drucker im Format von Reisekoffern oder Mikrowellen, die erheblich weniger kosten als ihre großen Vorbilder. Darüber freuen sich auch die Profis: So hätten der Autohersteller Ford und der Konzern General Electric für ihre Designer bereits massenhaft MakerBot-Geräte bestellt, sagt Firmengründer Pettis. Die Nasa habe auf dem MakerBot einen Prototypen für den Hitzeschutz des Marsrovers "Curiosity" ausgedruckt.

Die Vorteile der Technik liegen auf der Hand: Nichts muss mehr verschraubt oder geschweißt werden, es sind weniger Produktionsschritte nötig, neue Ideen lassen sich schneller und günstiger ausprobieren.

Nun erobern die Geräte den Massenmarkt. 2200 Dollar (in Deutschland knapp 2250 Euro) kostet die Standardvariante des 3-D-Druckers, dazu kommen 50 Dollar pro Plastikspule. 15.000 Geräte habe sein 2009 gegründetes Unternehmen schon unter die Leute gebracht, sagt Pettis. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Preise in den kommenden Jahren weiter sinken werden.

Pettis und andere Vorreiter der Bewegung sagen 3-D-Druckern eine große Zukunft voraus. Chris Anderson, langjähriger Chefredakteur des Magazins "Wired", verfasste mit seinem Buch "Makers" eine überschwängliche Lobeshymne auf die Technik. "Wir erleben heute den Aufstieg einer neuen Heimindustrie", schreibt Anderson darin, die "das Ende für das Industriemodell bedeuten" könnte. Produktionswerkzeuge würden immer günstiger, Anleitungen gibt es zuhauf kostenlos im Internet. Jeder kann zum "Maker" werden, auf Deutsch würde man wahrscheinlich einfach Heimwerker sagen. "Ich glaube an diese Zukunft", schreibt Anderson, der inzwischen selbst unter die "Maker" gegangen ist.

Bram de Vries will es bei eigenen Entwürfen nicht belassen. Der 33 Jahre alte Maschinenbauingenieur bringt anderen bei, wie sie mit den Druckern umgehen und eigene Entwürfe produzieren können. An einem verregneten Sonntag haben sich dafür eine Handvoll Menschen im Berliner "Betahaus" eingefunden, einem Treffpunkt für Internetunternehmen und Digital-Fans. Sie beobachten, wie de Vries' Drucker eine bunte Plastikschnur einzieht und laut surrend Schicht für Schicht auf eine Glasplatte druckt. Bisher erstellten die meisten Anwender Spielzeugfiguren, Gadgets oder kleine Kunstobjekte. "Die Leute machen es, weil es Spaß macht", sagt de Vries. Noch entstünden "sehr wenige nützliche Produkte". Das mag auch daran liegen, dass Bastler je nach Vorhaben weitgehende Softwarekenntnisse benötigen. Ein 3-D-Programm ist erheblich komplizierter aufgebaut als eine Software für Briefe und Tabellen.

Jetzt schon von einer Revolution des Alltags zu sprechen, hält de Vries dann auch für übertrieben. Klar gebe es große Träume, wie diese Technik die Welt verändern könne, aber bis zur Umsetzung sei es noch ein weiter Weg. Irgendwann werde es aber vielleicht so kommen, dass Menschen ohne Expertenwissen einen kaputten Herdknopf zu Hause passgenau nachdrucken.

Während solche Aussichten die einen euphorisch werden lassen, bereiten sie Experten für geistiges Eigentum Sorgen. Solange jeder "Maker" seine Objekte selbst entwirft, ist das okay. Was aber, wenn die Verbreitung von 3-D-Druckern dazu führt, dass Erfindungen und Kreationen hemmungslos kopiert und vervielfältigt werden, wie schon mit Texten, Bildern, Musik und Filmen geschehen? Noch sind solche rechtlichen Fragen nicht ausreichend geklärt.