UKE-Forscher haben errechnet, dass Menschen im Norden nicht genug Vitamin D bilden können. Tipps um einem Mangel vorzubeugen.

Hamburg. Wie viel Vitamin D braucht der Mensch, damit seine Knochen gesund bleiben? Wie kann er seinen Bedarf am besten decken? Diese Fragen werden unter Fachleuten immer wieder stark diskutiert. Prof. Michael Amling, Leiter des Instituts für Osteologie und Biomechanik am Universitätsklinikum Eppendorf, und sein Kollege, Privatdozent Dr. Florian Barvencik, haben jetzt ein Modell entwickelt, mit dem sie für alle Bundesländer die Vitamin-D-Quellen untersucht haben: Sonnenlicht, Nahrungsmittel und zusätzliche Vitaminpräparate. Sie kommen zu dem Schluss, dass keine der Quellen allein die Versorgung der deutschen Bevölkerung zurzeit sichert und dass in Hamburg etwa 80 Prozent der Bevölkerung mit einem durchschnittlichen Vitamin-D-Spiegel von 17 Nanogramm pro Milliliter nicht ausreichend mit diesem Vitamin versorgt sind. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im "European Journal of Nutrition".

Vitamin D hat unter den Vitaminen eine Sonderstellung. Denn es wird nicht nur mit der Nahrung zugeführt - die Hauptquelle ist das Sonnenlicht. Unter dem Einfluss von UVB-Strahlen wird in der Haut aus einer Form des Cholesterols Vitamin D gebildet. Besonders für den Calciumstoffwechsel ist Vitamin D unverzichtbar: In seiner aktiven Form fördert es die Aufnahme des Calciums aus dem Darm und seinen Transport in die Knochen und sorgt so für deren Stabilität. Einen Vitamin-D-Mangel gibt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit einem Wert von weniger als zwölf Nanogramm pro Milliliter im Blut an. Laut einer Klassifikation, die im "Deutschen Ärzteblatt" veröffentlicht wurde und die auf mehreren Studien beruht, besteht ein mäßiger Vitamin-D-Mangel bei Werten zwischen elf und 20 Nanogramm pro Milliliter Blut und ein schwerer Mangel bei Werten unter zehn Nanogramm.

Ein Mangel dieses Vitamins trifft vor allem die Knochen, denn er kann eine Osteoporose (die Abnahme der Knochendichte) zur Folge haben. Aber das ist noch nicht alles: "Studien haben zum Beispiel ergeben, dass das Risiko für Darmkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs steigt und die Anfälligkeit für Tuberkulose, Grippe und andere Infektionen erhöht ist. Außerdem hat sich gezeigt, dass ein Vitamin-D-Mangel mit der Schwere der Zahnfleischentzündung bei Parodontitis verknüpft ist", sagt Barvencik.

Doch die Sonne allein reicht in Deutschland nicht aus, um einen Vitamin-D-Mangel zu verhindern. "Da wir hier in Hamburg am 53. Breitengrad leben, kann die körpereigene Vitamin-D-Produktion den Bedarf nicht decken", sagt der Osteologe. Erst ab dem 37. Breitengrad, also südlich zum Beispiel von Tunis, Athen oder San Francisco, sei man durch die Sonne ganzjährig gut mit Vitamin D versorgt.

"Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass in Deutschland die Sonneneinstrahlung im Norden etwas geringer ist als im Süden. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen den Bundesländern. Der Vitamin-D-Spiegel steigt im Sommer überall an. Der Einfluss der Nahrung ist über das Jahr gleichbleibend in allen Bundesländern niedrig", berichtet Barvencik. Um eine ausreichende Vitamin-D-Bildung in der Haut zu erreichen, müsste man in Shorts und mit unbedeckten Armen 44 Minuten am Tag in der Sonne stehen; wenn man älter sei als 70, steige diese Zeit auf 132 Minuten an. Wer sich aber beim Sonnenbad mit einer Creme mit dem Lichtschutzfaktor 15 eincremt, schützt sich damit zwar vor Hautkrebs, reduziert aber die Vitamin-D-Produktion in der Haut auch um mehr als 90 Prozent.

Der Lebenswandel und kulturelle Besonderheiten spielen eine große Rolle. Das zeigt sich etwa am Beispiel von Saudi-Arabien. "Das sonnenreiche Land ist ein riesiges Vitamin-D-Mangelgebiet. Die Zahl der Rachitiserkrankten ist dort besonders hoch. 80 Prozent der Frauen haben dort einen Vitamin-D-Spiegel von unter zehn Nanogramm pro Milliliter, weil sie sich häufig in klimatisierten Räumen aufhalten und nicht mit unbedeckter Haut ins Freie gehen" sagt Florian Barvencik.

Um den Bedarf zu decken, sind auch in Deutschland weitere Vitamin-D-Quellen wichtig. Die DGE empfiehlt für Kinder unter einem Jahr die Zufuhr von 400 Einheiten (zehn Mikrogramm) Vitamin D pro Tag, für ältere Kinder und Erwachsene 800 Einheiten (20 Mikrogramm) pro Tag. Diese Empfehlungen gelten für den Fall, dass der Körper selbst kein Vitamin D bildet, also für Menschen, die nie in die Sonne gehen.

"Die durchschnittliche von uns berechnete Aufnahme über die Nahrung für Männer liegt nur bei 137 Einheiten, für Frauen bei 112 Einheiten pro Tag", sagt Barvencik. Die Zufuhr von mindestens 800 Einheiten sei allein über die Nahrung nicht möglich. Die wichtigsten Vitamin-D-Quellen sind Fisch, Milch und Käse, Eier, Butter und Margarine. Um die geforderten 800 Einheiten zu erreichen, müsste man pro Tag entweder 400 Gramm fetten Seelachs essen, 24 Liter Milch trinken, 16 Eier zu sich nehmen oder ein Kilogramm Leberwurst verzehren.

Die Zufuhr von mindestens 800 Einheiten ist nötig, weil die Erfahrung zeigt, dass damit einem Vitamin-D-Mangel vorgebeugt werden kann. "Bei einem Spiegel von 30 Nanogramm pro Milliliter im Blut, so haben Studien gezeigt, kommt es nicht zu Mineralisationsstörungen im Knochen, die durch einen Vitamin-D-Mangel bedingt sind, und das Risiko von Knochenbrüchen sinkt. Um diesen Spiegel zu erreichen, kann der Bedarf von 800 Einheiten, je nach Körpergröße, Lebenswandel, Konstitution und Ernährung, auf 1000 bis 2000 Einheiten steigen", sagt der Osteologe. Die DGE hingegen hält einen Wert von 20 Nanogramm Vitamin D pro Milliliter im Blut für ausreichend, um die Knochengesundheit ausreichend sicherzustellen.

Welche Möglichkeiten bleiben also, um einem Vitamin-D-Mangel vorzubeugen? "Zunächst sollte man seinen Vitamin-D-Spiegel bestimmen lassen. Wenn man diesen Wert kennt, hat man einen gewissen Eindruck von der Ernährung und von der Lebensweise des Menschen. Dann kann man kontrolliert den Vitamin-D-Spiegel in Bereiche anheben, wie er für die Knochengesundheit und den Körper am besten ist. Ein Wert von mehr als 30 Nanogramm pro Milliliter wäre ideal", sagt Barvencik. Das könne man über Vitamin-D-Präparate und Vitamin-D-reiche Nahrungsmittel erreichen.

Kombinationspräparate mit Vitamin D und Calcium seien nicht zu empfehlen, weil die meisten Präparate eine feste Kombination enthalten, etwa 200 Einheiten Vitamin D und 500 Milligramm Calcium pro Tablette. Die Einnahme von 800 Einheiten Vitamin D wäre dann mit einer Zufuhr von 2000 Milligramm Calcium kombiniert. Eine unnötig hohe Calciumzufuhr zusätzlich zum Calcium aus der Nahrung wäre die Folge. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie rät dazu, Calcium nur mit der Nahrung aufzunehmen. Sie nimmt damit Bezug auf zwei aktuelle Studien, nach denen eine hohe Calciumaufnahme die Sterblichkeit für Herzkreislauferkrankungen erhöht.

Eine andere Möglichkeit ist, durch Zusatz von Vitamin D zu Grundnahrungsmitteln wie Brot und Milch den Vitamin-D-Spiegel der Gesamtbevölkerung etwas anzuheben. In den USA und in Skandinavien wird die Milch mit Vitamin D angereichert. "Deswegen liegt die durchschnittliche Aufnahme in Norwegen schon bei 200 Einheiten am Tag", sagt Barvencik. Diese Strategie entspreche auch den Vorgaben einer EU-Richtlinie, die fordert, beim nachgewiesenen Mangel eines Vitamins in der Bevölkerung dieses in Grundnahrungsmitteln zu substituieren. In Deutschland sei bisher der Zusatz von Vitamin D in Grundnahrungsmitteln verboten. "Es gibt zwar Ausnahmeregelungen, etwa bei Milchprodukten, aber die müssen für jedes Produkt einzeln beantragt werden. Und die Mengen sind so klein, dass sie keinen großen Effekt haben", sagt Barvencik.