Welcher Eingriff hilft am besten? Experten diskutieren auf dem 6. Adipositas-Symposium Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Methoden.

Hamburg. Wenn keine Diät mehr hilft, bleibt stark übergewichtigen Menschen als letzter Ausweg oft nur eins: eine Operation, die ihnen das Abnehmen erleichtert. Für diese Eingriffe wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Verfahren entwickelt. Doch welche Methode verspricht den größten Erfolg? Über neue Trends, Langzeitergebnisse, Vor- und Nachteile der einzelnen Operationsverfahren diskutieren Experten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf dem 6. Adipositas-Symposium, das heute in Norderstedt beginnt.

Solche Operationen des Magen-Darm-Trakts werden in Deutschland bei Patienten durchgeführt, die so stark übergewichtig sind, dass sie einen Body Mass Index (Körpergewicht in Kilogramm, geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern) von mindestens 40 haben. Sind sie bereits an einem Diabetes erkrankt, reicht ein BMI von mindestens 35.

"Am häufigsten wird in Deutschland ein Magen-Bypass angelegt", sagt Dr. Beate Herbig, Chefärztin der Adipositas-Klinik an der Schön Klinik Hamburg Eilbek. Dabei wird der Dünndarm hochgezogen und mit einem kleinen Magenanteil verbunden. Der Restmagen und der Zwölffingerdarm werden durch eine zweite Naht weiter unten an den Dünndarm angeschlossen. Hier gelangen die Verdauungssäfte in den Darm und werden mit der Nahrung vermengt. "Fast gleich häufig ist die Operation eines Schlauchmagens, bei der der Magen stark verkleinert wird. Von den ungefähr 6000 Adipositas-Operationen im vergangenen Jahr waren 45 Prozent Schlauchmägen", sagt die Chirurgin. Dabei sei bisher allerdings noch nicht eindeutig geklärt, welche Patienten von welchen Verfahren am meisten profitieren. Das müsse von Fall zu Fall individuell entschieden werden.

An erster Stelle steht aber der Magen-Bypass. Man wisse, "dass er langfristig stabile Gewichtsverluste hervorrufen kann", sagt Herbig. Die Patienten müssen allerdings regelmäßig Vitamine zu sich nehmen, damit es nicht zu Mangelerscheinungen kommt. Dieses Risiko besteht beim Schlauchmagen weniger, außerdem ist diese Operation einfacher. "Auf der anderen Seite zeigen die Langzeitergebnisse, dass Schlauchmagen-Patienten oft nicht genug abnehmen und nach drei bis vier Jahren nochmals operiert werden müssen und einen Magen-Bypass erhalten", sagt Herbig. Die Schlauchmagen-Methode ist ungünstig für Menschen, die viel Süßes oder dauernd Kleinigkeiten essen, die den Magen nicht füllen, oder Diabetiker sind. Sie ist jedoch die beste Alternative zum Magen-Bypass, wenn die Patienten zu dick sind oder es durch Voroperationen im Bauch zu starken Verwachsungen gekommen ist.

Die Lebensqualität der Patienten ist am besten bei einem Bypass oder bei einem Schlauchmagen. "Im Idealfall spüren die Patienten nicht, dass sie operiert wurden, haben keine Bauchschmerzen, können weniger essen und deutlich abnehmen", sagt Herbig. Mit dem Magen-Bypass gelinge in der Regel eine Reduktion von 60 bis 80 Prozent des Übergewichts in den ersten zwölf Monaten nach der Operation. Hinzu kommen die positiven Auswirkungen auf die Begleiterkrankungen: Der Blutdruck sinkt, Depressionen nehmen ab, die Gelenkbeweglichkeit wird besser. Der wichtigste Effekt aber, für den es bis heute keine Erklärung gibt: Bei zwei Drittel der Diabetiker normalisieren sich schon kurz nach der Operation die Blutzuckerwerte, sodass sie keine Medikamente mehr brauchen.

Ein Verfahren, das zurzeit immer mehr diskutiert wird, ist der Omega-Loop-Bypass, der fälschlicherweise als Mini-Bypass bezeichnet wird. "Das ist eigentlich nur eine operationstechnische Variante des Magen-Bypasses. Beim Omega-Loop misst man etwa zwei Meter Dünndarm ab und verbindet diese Darmschlinge mit einem schmalen, aber etwas längeren Magenanteil und hat dann nur eine neue Verbindung", erklärt Herbig. Von den Verfechtern dieser Methode werde hervorgehoben, dass die OP weniger Zeit koste, mehr Gewichtsreduktion ermögliche und eine bessere Rückbildung des Diabetes ermögliche als der normale Bypass. Die Kritiker geben zu bedenken, dass bei dieser Methode die Galle mit der Nahtstelle in Berührung kommt. "Diese Situation hatte man früher auch bei Patienten, bei denen ein Teil des Magens entfernt werden musste. Und sie steht im Verdacht, für eine etwas erhöhte Rate von bösartigen Tumoren am Magenstumpf verantwortlich zu sein. Außerdem besteht das Risiko, dass Galle in die Speiseröhre zurückfließen kann, weil es keinen natürlichen Magenschließmuskel mehr gibt", sagt Beate Herbig.

"So gut wie out", sagt die Chirurgin, sei das Einsetzen eines Magenbandes: "Denn es zeigt sich, dass ein Fremdkörper zu Reaktionen führt. Das Ergebnis ist langfristig eine steigende Anzahl von Komplikationen, zum Beispiel das Verrutschen des Magenbandes, Materialermüdung, erneute Gewichtszunahme." Es kann auch passieren, dass der untere Speiseröhrenschließmuskel ausleiert und sich Nahrung in der unteren Speiseröhre ansammelt. "Solange der Schließmuskel intakt ist, gibt es ein Sättigungsgefühl. Wenn er ausleiert, ist dieser Effekt dahin. Dann muss man die Bänder herausnehmen, weil die Nahrung in der Speiseröhre während des Schlafens zurücklaufen, in die Luftröhre geraten und eine Lungenentzündung verursachen kann."

Diskutiert wird auch, ob sich durch bestimmte Eingriffe, die sogenannten endoluminalen Verfahren, Operationen vermeiden lassen. "Dabei wird endoskopisch am Magenausgang eine Art Plastiktüte verankert, die wie eine Tapete den gesamten Zwölffingerdarm auskleidet, sodass die Nahrung an der Innenseite dieser Tapete entlangfließt und die Verdauungssäfte, die im Zwölffingerdarm normalerweise hinzugemengt werden, auf der Außenseite der Tapete bleiben. Die Vermengung findet erst nach 50 bis 60 Zentimetern statt. Das scheint schon auszureichen, um den Stoffwechsel bei Diabetes wieder zu normalisieren", sagt Herbig. Das werde in Deutschland in einigen Kliniken durchgeführt und führe auch zu einer deutlichen Gewichtsreduktion. "Aber spätestens nach einem Jahr muss man diese Plastiktüte wieder entfernen. Und da steckt das Dilemma: Adipositas als eine lebenslange Erkrankung braucht auch eine lebenslange Therapie. Deswegen ist die Frage: Setzt man dann eine zweite 'Plastiktüte' ein oder muss man den Patienten doch operieren?"

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