Stiftungen und andere Eigentümer von Wildnisgebieten in Hamburg und Schleswig-Holstein wollen im Naturschutz enger zusammenarbeiten.

Ammersbek. Das Wittmoor im Nordwesten Hamburgs ist ein grüner Schatz. In dem wohl besterhaltenen Hochmoor im Raum Hamburg brüten Kraniche, gedeihen Sonnentau und Glockenheide. Im Kerngebiet lässt der gestiegene Wasserstand das Moor wieder wachsen. Damit leistet es einen Beitrag zum Klimaschutz, denn es bindet sehr effektiv Kohlendioxid aus der Luft. Eine Vielzahl von Akteuren trägt dazu bei, dass das Naturschutzgebiet eine Erfolgsgeschichte ist: Die Loki Schmidt Stiftung, der Naturschutzbund, die Gesellschaft für ökologische Planung und der Landesjagdverband engagieren sich im Moor. Seine Fläche liegt auf Hamburger Stadtgebiet und in Schleswig-Holstein. Dort berührt es die Landkreise Segeberg, Stormarn und Pinneberg.

"Das Wittmoor ist ein leuchtendes Beispiel für unser Netzwerk Nationales Naturerbe im Norden", sagt Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki Schmidt Stiftung. Zusammen mit der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein lud sie am Dienstag gut 40 Stiftungen und andere Organisationen, die Naturschutzflächen besitzen, ins Haus am Schüberg nach Ammersbek ein. Sie alle sind Eigentümer oder Manager von geschützten Lebensräumen - und wollen diese noch effektiver in den Dienst der Natur stellen. Es gilt, Erfahrungen auszutauschen und einen Verbund aus grünen Trittsteinen für seltene Tier- und Pflanzenarten zu schaffen. Gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung sollen die Arbeit zum Erhalt des Naturerbes mehr ins gesellschaftliche Bewusstsein rücken, auch um weitere Unterstützer zu gewinnen.

"Die Konkurrenz um die letzten naturnahen Flächen wird immer größer, vor allem durch den Anbau von Energiepflanzen wie Mais", sagte Dr. Walter Hemmerling, Geschäftsführer der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein. Ihr gehören 32.000 Hektar (ha) Land; sie ist damit der bundesweit drittgrößte Eigentümer von Naturschutzflächen. Der größte ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Sie rief im Herbst alle Eigentümer von Naturschutzflächen in Deutschland auf, sich dem Netzwerk Nationales Naturerbe anzuschließen. 44 Stiftungen mit einer Fläche von mehr als 250.000 ha sind bislang dem Aufruf gefolgt.

60.000 ha bringt die DBU selbst ein: weiträumige bundeseigene Flächen wie ehemalige Truppenübungsplätze oder aufgegebene Braunkohle-Tagebaue, die sich bereits in Naturreservate umgewandelt haben oder dazu entwickelt werden. "Um bestmöglichen Naturschutz zu betreiben, wollen wir uns mit möglichst vielen Eigentümern von anderen geschützten Flächen vernetzen", sagte der DBU-Generalsekretär Dr. Fritz Brickwedde.

"Obwohl uns nur relativ kleine Flächen gehören, können wir über das Netzwerk am Großen und Ganzen mitwirken. Das macht uns sehr stolz", sagte Axel Jahn. "Es erhöht auch die Relevanz unserer Arbeit. Durch das Netzwerk könnten auch kleine Stiftungen am Kompetenzpool der Bundesstiftung teilhaben. Außerdem profitierten wir von der professionellen Öffentlichkeitsarbeit der DBU." Doch auch "die Kleinen" kommen nicht mit leeren Händen: Die Loki Schmidt Stiftung besitze einige "Filetstücke", etwa Wiesen mit seltenen Orchideen. Jahn: "Oftmals wissen wir überhaupt nicht, wer in der Nähe Naturschutzflächen besitzt. Eine bessere Kooperation mit Eigentümern in der Nachbarschaft kann zum Beispiel dazu führen, dass unsere Orchideen sich wieder verbreiten können."

Fritz Brickwedde, der seit 22 Jahren die Geschicke der DBU lenkt, spricht von einem Paradigmenwechsel: "Als ich das Amt übernahm, verstanden sich alle Stiftungen als Einzelkämpfer. Niemand hatte die Erwartung, von einem anderen lernen zu können. Heute ist das ganz anders: Stiftungen arbeiten zusammen, weil sie dadurch mehr erreichen können. Dennoch ist oft nicht bekannt, wer welche Flächen besitzt. Die Landesstiftungen kennen einander, aber sie wissen nicht, welche Flächen den kommunalen Stiftungen gehören. Und dazu kommen alle privaten Stiftungen und andere Eigentümer." Wem gehört was? Diese Recherche stehe derzeit im Vordergrund der Netzwerkbildung, so Brickwedde.

Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels sind Biotopverbundsysteme, also die Verknüpfung von Schutzgebieten wichtig. Denn der Temperaturanstieg wird die Lebensräume verändern und die Verbreitungsgebiete einzelner Arten nordwärts verschieben. Das belegt eine Studie des Bundesamtes für Naturschutz, die ebenfalls am Dienstag vorgestellt wurde. Pflanzen und Tiere müssen die Möglichkeit haben, sich neue, geeignetere Lebensräume zu erschließen. Dazu dürfen diese Refugien nicht allzu weit voneinander entfernt liegen.

Jenseits des globalen Wandels helfen grüne Wanderwege Wildtieren und -pflanzen, verlorenes Terrain zurückzuerobern. Das zeigt zum Beispiel die erneute Einwanderung von Fischotter und Biber auf Hamburger Stadtgebiet. "Die Hamburger Natur profitiert stark vom Naturschutz, der in Schleswig-Holstein betrieben wird", sagte Walter Hemmerling. "Seltene Arten wandern nach Hamburg ein und stützen die Stadtnatur. Aber das gilt natürlich auch in entgegengesetzter Richtung." Neben dem Wittmoor seien das Naturschutzgebiet Höltigbaum und die Sülldorfer Feldmark grüne Trittsteine, die Hamburg mit seinem Umland verbinden, so Jahn. Das Netzwerk Nationales Naturerbe im Norden will nun dafür sorgen, dass die Verkehrswege der Natur erhalten und ausgebaut werden.