In einem neuen Hochsicherheitslabor untersuchen Hamburger Forscher künftig auch gentechnisch veränderte Erreger

Hamburg. Vor Kurzem hat Lisa Oestereich Post vom Verfassungsschutz bekommen. Ein Fragebogen, Sicherheitsüberprüfung Ü1. Es geht darum, ihre Vertrauenswürdigkeit festzustellen, ihre Zuverlässigkeit einzuschätzen, denn die 26-jährige Doktorandin wird bald an einem Ort arbeiten, der einem sogenannten vorbeugenden Sabotageschutz unterliegt: dem neuen Hochsicherheitslabor des Bernhard-Nocht-Instituts (BNI). Ab Februar werden dort Forscher tropische Viren der höchsten biologischen Risikogruppe 4 auch gentechnisch untersuchen können - dafür war das alte, seit 1982 betriebene Hochsicherheitslabor nicht zugelassen. Deutschlandweit gibt es nur in Marburg eine vergleichbare Einrichtung; zwei weitere Labore werden in Berlin und auf der Insel Riems gebaut.

Mehr als 100 verschiedene Erreger enthält die Stammsammlung des neuen Labors, darunter hämorrhagische, also Blutungen auslösende Fieberviren wie Ebola, Krim-Kongo und Marburg. Impfungen gibt es bisher nicht. Sie zu entwickeln, ist das Fernziel. "Dafür müssten wir aber erst einmal herausfinden, warum diese Erreger tödlich sein können, es aber auch milde Verläufe gibt", sagt Prof. Stephan Günther, Leiter der Virologie am BNI. Das gilt auch für das Lassa-Virus, mit dem sich Lisa Oestereich befasst: Jedes Jahr sterben nach Schätzungen 1000 bis 3000 Menschen an dem Erreger; allerdings hat sich in Studien gezeigt, dass in bestimmten Regionen Westafrikas, wo das Virus hauptsächlich auftritt, jeder Zweite Antikörper gegen das Virus trägt, also schon einmal infiziert war, ohne dass es zu einer Erkrankung kam.

Oestereich erforscht zwei Lassa-Stämme: Der eine ist eindeutig gefährlich, der andere eher nicht, wie Tierversuche gezeigt haben. Beide Erreger besitzen vier Proteine, von denen sich zwei allerdings unterscheiden. Welches Detail macht den Unterschied? Ohne Gentechnik kommt die Virologin in dieser Frage nicht weiter, denn für ihre Dissertation will sie Teile des Virenerbguts, die Proteine codieren, austauschen und dann untersuchen, was passiert: Wächst das Virus jetzt schneller, verhält es sich anders im Wirtsorganismus? Sechs Monate lang trainiert Oestereich nun schon die Experimente in dem neuen Labor. Jetzt, da es losgehe, steige ihre Aufregung, Angst habe sie aber nicht: "Es gibt so viele Vorkehrungen - ich fühle mich gut geschützt."

Die extrem aufwendige, 150 Quadratmeter große Einheit ist in einem 33,6 Millionen Euro teuren Erweiterungsbau untergebracht. Sie dient allerdings nicht nur der Sicherheit der BNI-Forscher, sondern natürlich auch der Außenwelt. Zwar ist etwa beim Lassa-Virus nach aktuellem Kenntnisstand eine Übertragung von Mensch zu Mensch eher selten. In Westafrika kommt es zu vielen Infektionen durch die Natal-Vielzitzenmaus, die mit ihrem Kot Lebensmittel und Häuser verunreinigt. "Bei den Hygienebedingungen in Deutschland sind Epidemien wie in Afrika eigentlich nicht möglich", sagt Stephan Günther. Gefährlich bleiben die Viren trotzdem, deshalb sollen sie lebend unter keinen Umständen das Labor verlassen, sondern nur in abgetöteter Form.

Um das Labor absolut gasdicht zu machen, wurde die gesamte Außenhaut inklusive Fenster-, Türrahmen und Kabeldurchführungen aus Edelstahlplatten zusammengeschweißt; es gibt keine Schrauben, nichts, was auch nur winzigste Lücken verursachen könnte. Innen herrscht ein Unterdruck, weil ständig Luft abgesaugt wird, sodass von außen über die beiden Schleusen nur Luft in das Labor hineingelangen kann, aber nicht hinaus. Die abgesaugte Luft fließt durch Hochleistungsfilter, die jegliche Schwebstoffe stoppen, an die sich Viren heften könnten. Das soll laut BNI auch funktionieren, wenn es brennt, weil die Filter sich in höheren Stockwerken befinden, wo ihnen Hitze nichts anhaben kann. Extreme Hitze aushalten können müssen dagegen die Fenster des Labors: Sie können nach Angaben des BNI bis zu 90 Minuten lang Temperaturen bis 1000 Grad Celsius standhalten.

Wenn Lisa Oestereich für die Forschung im Labor trainiert, zieht sie sich zuerst eine Sprechgarnitur über, die sie per Funk mit zwei Aufsichtspersonen verbindet, die ihr im Notfall schnell zur Hilfe kommen könnten. Anschließend streift sich die Virologin in der ersten Schleuse einen weißen Schutzanzug aus speziellem PVC über. Stiefel, Handschuhe und die transparente Kopfbedeckung sind mit dem Anzug verschweißt. So angezogen ähnelt Oestereich einer Astronautin.

In der zweiten Schleuse streift sich die Forscherin ein zweites Paar Handschuhe über, schließt den blauen Sauerstoffschlauch ihres Anzugs an einen silberfarbenen Hahn an und pumpt unter ihre Kopfbedeckung etwas Luft, mit der sie wenige Minuten atmen kann. Dann stöpselt sie sich ab, betritt das Labor und stöpselt sich unter der Aufsicht von Kameras erneut mit ihrem Sauerstoffschlauch an. Maximal drei Stunden kann sie so im Labor arbeiten. Das Abfallmaterial muss sie in einem Ofen entsorgen. Bevor sie das Labor verlässt, muss sie in ihrem Schutzanzug eine Dusche mit stark ätzender Peressigsäure nehmen, zur Desinfektion.

Viel Geduld braucht Oestereich für all diese Prozeduren. Sie nimmt es gelassen, freut sich auf das, was sie entdecken könnte. "Ich betrete ja ein kleines Stück weit Neuland mit meiner Forschung", sagt sie. Im Gegensatz zu einigen Kollegen, die wohl ab Februar loslegen können, muss die 26-Jährige noch einige Voruntersuchungen zu Ende bringen. Im April soll sie dann auch starten dürfen. Der Verfassungsschutz hat keine Einwände.