Fachleute aus fünf Ostseestaaten, darunter Experten der TU Harburg, zeigen Lösungswege, wie sich ausgebaggerte Sedimente verwerten lassen.

Hamburg. Wohin mit schadstoffhaltigem Baggergut, das bei der Unterhaltung von Häfen anfällt? Diese Frage stellt sich nicht nur in Hamburg, sondern überall dort, wo die Fahrrinnen der Schifffahrt schnell versanden und verschlicken. Das jetzt abgeschlossene Projekt SMOCS suchte drei Jahre lang für die Ostseeregion nach Konzepten einer ökologisch sinnvollen Behandlung von Baggergut. Ein Vorschlag, der nach Expertenaussagen auch für Hamburg interessant sein könnte, ist der Einsatz von Hafenschlick als Baumaterial für Deiche.

Jährlich werden im Hamburger Hafen und in der Unterelbe vier bis fünf Millionen Kubikmeter Flussbett entfernt, damit Schiffe mit viel Tiefgang ohne Grundberührung zu den Kaianlagen fahren können. Drei Viertel der Sedimente sind sauber genug, um sie in der Elbe nur umzulagern oder vor Helgoland in die Nordsee zu pumpen. Das letzte Viertel ist jedoch so stark mit Schadstoffen belastet, dass es zum Problem wird, wenn es an die Oberfläche gerät. In Hamburg landet dieses kontaminierte Baggergut auf Finkenwerder. Dort steht METHA (Mechanische Trennung und Entwässerung von Hafensedimenten). Die Anlage entwässert jährlich rund eine Million Kubikmeter Baggergut und trennt es in Sand und Schlick.

Der Sand ist unbelastet und kann problemlos als Baumaterial dienen. Etwa ein Drittel der Menge ist jedoch Schlick, in dem die Schadstoffe angereichert sind. Er wird derzeit in Feldhofe und Francop zu Schlickhügeln aufgetürmt. "Die gesicherte Unterbringung an Land ist angesichts der riesigen Mengen, die jedes Jahr anfallen, keine nachhaltige Lösung", sagte Thomas Roth, Hafenplaner bei der LPA (Lübeck Port Authority) kürzlich auf der deutschen Abschlusstagung des SMOCS-Projekts an der Technischen Universität (TU) Hamburg-Harburg.

Im Rahmen des Projekts erarbeiteten zehn Partner aus fünf Ostsee-Anrainerstaaten Leitlinien zum nachhaltigen Umgang mit belasteten Sedimenten und entwickelten Alternativen zu den heute üblichen Landdeponien. Dabei gehe es nicht mehr so sehr um den Schadstoffgehalt, betonte Dr. Wolfgang Ahlf vom TU-Institut für Umwelttechnik. "Für uns ist entscheidend, dass die Schadstoffe nicht bioverfügbar, also nicht für Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen erreichbar sind. Diese Sichtweise gibt uns neue Optionen. Die Schadstoffe müssen nicht unbedingt entfernt werden, sondern es kann ausreichen, kontaminierte Sedimente so zu behandeln, dass die Umweltgifte biologisch nicht mehr verfügbar sind."

Einen aus Expertensicht vielversprechenden Ansatz verfolgt Kathinka Beyer vom Institut für Geotechnik und Baubetrieb der TUHH: Sie untersuchte, inwieweit sich der METHA-Schlick als Deichbaumaterial eignen könnte.

Moderne Deiche haben eine ein bis 1,5 Meter dicke Deckschicht aus Klei. Wenn METHA-Schlick einen Teil des Kleis ersetzen könnte, so würde dies die Naturressource schonen - die Entnahme von Kleiboden etwa in der Elbmarsch ist mit großflächigen Eingriffen verbunden.

Zunächst ist zu klären, ob der aufbereitete Hafenschlick bei Trockenheit stärker Risse bildet als Klei. Schon jetzt entstünden, so Beyer, an den Harburger Deichen in Trockenperioden an manchen Stellen mehrere Zentimeter breite Risse. Sie müssen mit flüssigem Klei verfüllt werden. Um das Verhalten bei Trockenheit zu testen, hat Kathinka Beyer mit ihrem Team in einem Versuchsstand vier jeweils 1,2 Meter lange Bodenprofile verglichen. Die erste Kammer enthielt nur Klei, die zweite 50 Zentimeter (cm) Klei über 70 cm METHA-Material, die dritte 30 cm Klei über 90 cm METHA-Material und die vierte ausschließlich den behandelten Hafenschlick.

Die Bodenprofile wurden den künstlich variierten Faktoren Tageslicht, Temperatur und Luftfeuchte ausgesetzt - das Ergebnis: "Unsere Sandwich-Varianten haben zumindest keine negativen Auswirkungen auf die Stabilität der Deckschicht", sagte Kathinka Beyer. "Wahrscheinlich wirkt sich das METHA-Material sogar positiv aus - das müssen weitere Untersuchungen zeigen." Ein Vorteil der Schlickschicht: Da sie mehr Wasser enthält als der Klei, stellt sie in Trockenzeiten ein Feuchtigkeitsreservoir dar und könnte somit die Rissbildung in der Kleischicht bremsen.

Kollegen in Rostock experimentieren ebenfalls mit dem Einsatz von Baggergut im Deichbau. Eine andere Variante ist dort bereits umgesetzt: die Anlage einer Vogelschutzinsel. Zur Verwertung von sauberem Baggergut ist dies nichts Neues. So wurde 1989 im Hamburger Wattenmeer, südwestlich der Insel Scharhörn, Nigehörn (Neuer Winkel) aufgespült. Dünengräser und Buschwerk befestigten die 1,2 Millionen Kubikmeter Sand und machten die neue Insel zum Refugium für Seevögel. Wird jedoch kontaminiertes Material eingesetzt, dann muss es abgedichtet verbaut werden, sodass die Schadstoffe nicht in die Umwelt gelangen.

Ein Feldtest im mittelschwedischen Hafen Gävle zeigt, dass sich gebaggerte Sedimente, die mit Zement oder Asche stabilisiert wurden, gut als Baugrund eignen. Eine Vorstudie hatte zunächst ergeben, dass kaum Schadstoffe aus dem stabilisierten Baggergut austreten. Zur Erweiterung einer Hafenfläche wurden dann 8000 Kubikmeter des Materials verbaut und am Rand des Geländes kontinuierlich Umweltproben genommen. "Die Proben, die wir mit Messrohren an der Landseite nahmen, hatten Trinkwasserqualität", berichtete Göran Holm, Forschungsdirektor des Schwedischen Geotechnologischen Instituts in Linköping.

Alle Experten sind sich jedoch einig: Die beste und nachhaltigste Lösung wäre, die Schadstoffbelastung der Sedimente so weit zu reduzieren, dass sämtliches Baggergut nicht mehr behandlungsbedürftig ist. Dann könnten die 46 Millionen Kubikmeter Sedimente, die jährlich zur Unterhaltung der deutschen Bundeswasserstraßen inklusive Häfen ausgebaggert werden, komplett an anderen Stellen des jeweiligen Gewässers abgelagert werden.

Mit Blick auf die Elbe heißt das: Die Altlasten der tschechischen und der DDR-Industrie, die bei Hochwasser in die Elbe geschwemmt werden, sollten möglichst weitgehend beseitigt oder festgelegt werden. Das Hamburger Projekt ELSA (Schadstoffsanierung Elbsedimente) setzt genau hier an. Es will demnächst Sanierungsprojekte in Sachsen und Tschechien initiieren.