In der Datenbank “EOL“ sind bisher 1,1 Millionen Arten erfasst. 2013 könnte eine deutsche Untereinheit online gehen.

Es ist ein Mammutprojekt, ehrgeizig und gewaltig: Alle Arten der Erde sollen in der "Encyclopedia of Life" (EOL) beschrieben werden. Die Online-Datenbank ist kostenlos zugänglich - und umfasst mittlerweile etwa 1,1 Millionen Arten. Eine enorme Zahl, doch das Ziel ist damit noch längst nicht erreicht: Rund 1,9 Millionen Tier- und Pflanzenarten sind derzeit wissenschaftlich beschrieben, schätzen Wissenschaftler. Drei- bis zehnmal so viele könnte es insgesamt geben oder auch mehr. Und die Mikroorganismen sind dabei bisher nur am Rande berücksichtigt.

"Es ist schon eine außerordentlich stattliche Anzahl von Organismen erfasst", sagt Georg Zizka vom Senckenberg-Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Damit sei die "Encyclopedia of Life" allen anderen Datenbanken, die in die Richtung gingen, überlegen. Positiv zu vermerken sei auch, dass unscheinbare, sonst eher unterrepräsentierte Organismengruppen, etwa die afrikanischen Gräser, umfassend Eingang fänden. "Ich bin positiv überrascht, was da zum Beispiel an Fotos zur Verfügung steht."

Gut vier Jahre ist es her, dass die "Encyclopedia of Life" (EOL) unter http://eol.org erstmals freigeschaltet wurde. Zwei US-Stiftungen und mehrere Forschungsinstitutionen finanzieren das Projekt. Rund 30 000 Einträge gab es zum Start im Februar 2008 - doch der Server brach unter dem Ansturm Neugieriger für Stunden zusammen, die Seite lief im kaum ausgestatteten Demonstrationsmodus. Mittlerweile wird daran gearbeitet, Unterseiten für verschiedene Regionen aufzubauen - zum Beispiel für Deutschland. "Derzeit laufen Gespräche über die Finanzierung", sagt Christoph Häuser vom Museum für Naturkunde in Berlin. Ziel sei es, das Angebot Anfang nächsten Jahres starten zu lassen.

"Die Datenbank entwickelt sich sehr gut", lobt Häuser. Datenbanken für spezielle Organismengruppen böten zwar mitunter ausführliche Beschreibungen, seien aber oft weniger systematisch komplettiert. EOL werde außerdem fachlich meist sehr gut kontrolliert. "Die Verlässlichkeit scheint groß", sagt auch Zizka. Verweise auf Fachliteratur und Standard-Nachschlagewerke seien angegeben, für die Verbreitungskarten der einzelnen Arten greife EOL auf die anerkannte Datenbank "Global Biodiversity Information Facility" (GBIF) zu. Dort sind fast 400 Millionen Sichtungsdaten für Tier- und Pflanzenarten erfasst.

Neben der Karte bietet EOL Informationen zu Klassifizierung, Verhalten, Aussehen, Gefährdungsstatus, umgangssprachlichen Namen in etlichen Sprachen und gegebenenfalls auch zu Mehrfachbenennungen. Etliche Arten wurden in der Vergangenheit mehrfach beschrieben. Für das Gänseblümchen zum Beispiel lautet der bevorzugte Fachname Bellis perennis L., es gibt aber noch mehr als zehn weitere Bezeichnungen wie Erigeron perennis und Aster bellis E.H.L.Krause. Erfasst seien diese aber als eine Art, betont Häuser. "EOL hat den Anspruch, dieselbe Art unter verschiedenen Namen nicht mehrfach zu zählen."

Noch ist der Informationsgehalt sehr unterschiedlich - mitunter sind für eine Art nur die Hierarchie im Stammbaum und zwei, drei Verbreitungsdaten erfasst, für eine andere gibt es neben Bildern sogar Videos oder Tonaufnahmen. Mitmachen kann wie beim Online-Lexikon Wikipedia prinzipiell jeder, die Angaben werden von Bearbeitern mit taxonomischem Wissen geprüft. "Es machen auch einige Mitarbeiter unseres Museums mit", sagt Häuser. Vorwiegend werden aber die Informationen anderer Datenbanken wie "Fishbase" oder "Amphibianet" genutzt, mehr als 200 Partner sind es inzwischen. In Hamburg unterstützen das Zoologische Institut und das Zoologische Museum sowie das Geologisch-Paläontologische Institut den Aufbau der Datenbank. Mitarbeiter dieser Institute beschreiben die in ihren Fachgebieten neu entdeckten Arten und machen Informationen darüber öffentlich. Die Datenbank der EOL kann dann auf diese neuen Informationen zugreifen.

Eine Frist von zehn Jahren hatte sich EOL zum Start für die Erfassung aller bekannten Arten gesetzt. Komplett fertig wird der Katalog aller Lebensformen aber auch dann so schnell wohl nicht werden: Es werden ständig neue Arten entdeckt und beschrieben - darunter selbst Affen und andere größere Tiere. Statistisch gesehen bestimmen Biologen jede halbe Stunde eine Art.

Beim Namen wird dabei auf ein lange bewährtes Verfahren zurückgegriffen: das von dem Schweden Carl von Linné im 18. Jahrhundert festgelegte Ordnungssystem der Natur. Zur Zeit Linnés herrschte Chaos statt System - Arten wurden nicht mit prägnanten, eindeutigen Namen bezeichnet, sondern mit einer Aneinanderreihung der wichtigsten Merkmale - und die konnte durchaus etliche Zeilen lang sein.

Verstärkt wurde das Problem, als von Entdeckungsfahrten in alle Teile der Erde "bergeweise" exotische Arten mitgebracht wurden. In dieser Phase des absoluten Durcheinanders brachte Linné seine Ideen ein. Der am 23. Mai 1707 geborene Wissenschaftler führte eine aus nur zwei lateinischen Wörtern zusammengefügte Bezeichnung ein. Dabei bezeichnete der erste Begriff die Gattung, der zweite die jeweilige Art.

Diese binäre Nomenklatur war keineswegs Linnés Entdeckung. Schon vor ihm hatten Forscher sie hin und wieder in ihren Aufsätzen verwendet - aber eben nie mit Methode. Die Ambitionen des umtriebigen Schweden reichten noch viel weiter: Er schuf ein hierarchisches Grundsystem, in das alle Pflanzen und Tiere eingeordnet werden konnten. Auch diese Einteilung in Klasse, Ordnung, Gattung, Art und Varietät - heute als Unterart bezeichnet - hat bis in diese Tage Bestand.

Sie bildet auch das Grundgerüst der "Encyclopedia of Life". "Für Wissenschaftler ist die Datenbank ein sehr nützliches Recherchewerkzeug", sagt Zizka. Für einen Doktoranden etwa, der in einem Gebiet in Afrika drei unter 400 Arten in einem Gebiet untersuchen solle, seien schnelle Prüfungen anhand der aufgeführten Bilder und Belege außerordentlich hilfreich. "Und das wird sich noch stark weiterentwickeln, je mehr in der Datenbank drin ist."