Hamburg. Das Problem der psychischen Erkrankungen in Deutschland spitzt sich zu. Binnen fünf Jahren stieg die Zahl der Fehltage um 65 Prozent, und dieses Wachstum setzt sich fort. Aus diesem Anlass lud die Techniker Krankenkasse am Donnerstagabend unter dem Motto "Stress und Burn-out - Modeerscheinung oder reales Problem?" ins Unilever-Haus.

Dabei stellte Werner Kissling, Leiter des Centrums für Disease Management der Psychiatrischen Klinik der TU München klar, dass nur ein sehr kleiner Teil der Erkrankten an einem echten "Burn-out-Syndrom" litten; oftmals handele es sich um körperliche oder seelische Erschöpfungszustände, Depressionen, Sucht oder Angststörungen. "Die Diagnose Burn-out ist sozial weniger stigmatisiert, weil sie nicht als Eingeständnis des Versagens gilt", so Kissling. Derzeit beobachte er einen Medienhype ums Thema, in Bayern habe Minister Markus Söder gar einen staatlichen Burn-out-Beauftragten gefordert. Noch vor wenigen Jahren habe Kissling ganz andere Erfahrungen gemacht: "Bei einem Gespräch in einem Unternehmen sagte man mir: 'Psyche gibt es bei uns gar nicht, wir sind ein Metall verarbeitendes Unternehmen.'"

Inzwischen ist das Thema in fast allen Firmen angekommen, wie Jens Bass, Vorstandvorsitzender der TK, feststellte. Bei Kosten von rund 400 bis 500 Euro pro Ausfalltag seien psychische Erkrankungen eine wichtige Größe auch für das Unternehmensergebnis.

Kissling rechnet vor, dass psychische Erkrankungen rund zwei Fehltage pro Mitarbeiter im Jahr verursachten. Das sind bei 100 Mitarbeitern 2000 Krankheitstage oder mindestens 800 000 Euro Verlust. Zudem müsse man wissen, dass schon im Vorfeld der Erkrankungen viele Betroffene bis zu sechsmal mehr Fehler machten, was die Kosten weiter erhöhe. Er legte den Unternehmen nah, sich diesem Problem zu stellen und Führungskräfte zu schulen. "Der Krankenstand hängt von den Führungskräften ab."